Liebe Leserin, lieber Leser,
die gesetzliche Krankenversicherung soll ab 2009 im Rahmen eines sogenannten Gesundheitsfonds organisiert werden: Sämtliche Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie Steuermitteln fließen in einen großen Topf. Der Fonds verteilt die Beiträge auf alle Kassenarten. Fortan gibt es nur noch einen einheitlichen Beitragssatz, den quasi „der Staat“ festlegt. Man munkelt, dass dieser Beitragssatz auf jeden Fall deutlich über 15 Prozent liegen wird. Für Mitglieder, beispielsweise einer Direktkrankenkasse, die derzeit noch Beiträge um die 12 Prozent erheben, bedeutet dies also massive Beitragssteigerungen. Wollte man nicht die Lohnnebenkosten senken?
Zahlreiche rechtliche Fragen sind völlig ungeklärt, beispielsweise die Handhabung der Risikoverteilung der Kassen untereinander. Wie sollen etwa Kassen, die zahlreiche alte und kranke Menschen versichern, gestützt werden? Die Regierungskoalition in Berlin plant hier offenen Rechtsbruch, gegen den Rat renommierter Experten, die deshalb kürzlich ihre Beratertätigkeit niedergelegt haben. Krankenkassen mit schlechter „Risikostruktur“ – z. B. viele Mitglieder mit hohem Krankheitsrisiko oder auch viele beitragsfrei mitversicherte Angehörige – droht die Pleite. Zukünftig sollen in diesem Fall die Beitragszahler selbst haften!
Erwirtschaftet eine Krankenkasse dagegen einen Überschuss, kann sie dies in Form von Beitragsrückerstattungen an die Versicherten zurückfließen lassen. Ich befürchte, dass eventuelle Überschüsse vielfach eher in Marketingaktionen gesteckt werden. Kommt eine Krankenkasse mit den Beiträgen nicht aus, kann sie einen Zusatzbeitrag erheben, der aber auf 1 Prozent des Jahreseinkommens der Mitglieder begrenzt ist.
Auch der finanzielle Ausgleich der einzelnen Bundesländer untereinander ist ein Streitthema. Wortungetüme wie „Konvergenzklausel“ machen derzeit die Runde.
Fest steht: Ähnlich wie das deutsche Steuerrecht, das nicht einmal Finanzbeamte richtig verstehen, gibt es niemanden mehr in dieser Republik, der auch nur annähernd den undurchdringlichen Dschungel des deutschen Gesundheitswesens begreift. Trotzdem soll das System noch weiter verkompliziert werden. Jetzt dämmert es einigen Parteifunktionären, dass der ausgeheckte Gesundheitsfonds möglicherweise ungeahnte Risiken in sich birgt, und deswegen schießen vor allem Politiker jener Parteien aus allen Rohren, die genau diesen Fonds mit beschlossen haben.
Obwohl der Fonds kein einziges Problem unseres Gesundheitswesens löst und viele rechtlich ungeklärte Fragen und Risiken bestehen, halten zwei Politikerinnen stur an der Einführung des Fonds zum 1.1.2009 fest: die Bundesgesundheitsministerin und die Kanzlerin. Eine unheilige Allianz, die mit Sturheit dazu führen wird, dass sich die sowieso lediglich als Farce bestehende „Wahlfreiheit“ des Versicherten praktisch auf Null reduziert. Alles wird teurer, und die immer wieder als Menetekel an die Wand gemalte Zweiklassenmedizin rückt damit ein weiteres Stück näher. Ob nach der Sommerpause manches mit kühlem Kopf nochmals überdacht wird?
Mit den besten Grüßen