Liebe Leserin, lieber Leser,
vor genau 200 Jahren wurde Sebastian Anton Kneipp (1821 – 1897), einer der Väter der Naturheilkunde, geboren. Sofort fallen uns Wasserbehandlungen in Form von Güssen, Bädern und Wickeln ein, die auch heute noch anerkannte Naturheilkunde sind. Gleichwohl sind sie in der ambulanten Medizin nahezu verschwunden, und auch klinisch haben sie fast nur in einigen Kurkliniken und Sanatorien „überlebt“.
Es lohnt allerdings, sich auch einmal die Empfehlungen Kneipps zur Lebensführung anzusehen. In seiner Schrift „So sollt Ihr leben“ geht er auf Abhärtung, Kleidung und richtige Ernährung ein. Manches ist zeitlos richtig, anderes wirkt drollig, wieder anderes obsolet. So beschreibt er zu Recht, wie wertvoll natürliches Licht und Sonne seien. Bei trübem Wetter leide jeder, „der Kranke doppelt“.
Er sprach sich für gemischte Kost aus, gewann aber zunehmend die Überzeugung, dass „die Leute, welche mehr an Vegetabilien gewöhnt sind, hierdurch größere Vorteile für ihre Gesundheit haben“. Fleisch dagegen nütze „die Organe stärker ab“. In der Milch sah er „von der Kindheit bis zum höchsten Alter das erste und beste Nährmittel“. Sie werde „überdies leicht verdaut und leicht vertragen“. Heute wissen wir es besser: Milch, im Übermaß genossen, erhöht den Allergendruck, belastet das Lymphsystem und ist selbst für die Behandlung von Magenbeschwerden – wie früher oft empfohlen – ungeeignet.
Die Aussagen zu Fetten und Kaffee sind fast schon lustig: „Wenn jemand sich fast ausschließlich mit Fetten und Ölen nähren wollte, so würden seine Kräfte bald verkümmern (…) und sein Organismus, obgleich anscheinend gut genährt und kräftig, würde einem frühen Einsturze entgegensehen.“
Und: „Ich bin der vollsten Überzeugung, dass der Kaffee die erste Ursache der allgemein herrschenden Blutarmut beim weiblichen Geschlechte ist …“ Nun gut: Kaffee mag nach aktuellem Wissen kontraindiziert sein bei Vorhofflimmern, Schilddrüsenüberfunktion und Reflux, enthält aber auch wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe und entfaltet, in Maßen genossen, womöglich Anti-Alzheimer-Effekte.
Auch wenn uns manche Kneipp-Aussage aus heutiger Sicht somit fehl am Platze erscheint, die Bedeutung Kneipps als Leuchtturm der Naturheilkunde bleibt. Wir sind den frühen Wegbereitern der Naturheilkunde zu Dank verpflichtet: Durch genaue Beobachtung erlangten sie wertvolle und oft zeitlos gültige Erkenntnisse.