Liebe Leserin, lieber Leser,
40 Tage nach dem Finale der Fußball-Weltmeisterschaft rollt der Ball wieder – in der Bundesliga. Die WM erscheint fast schon als Geschichte. Für mich stand jedoch nach dem Schlusspfiff im Maracanã-Stadion fest, dass ich mein nächstes Naturarzt-Geleitwort (das Augustheft war bereits in der Druckerei) dem Fußball widmen würde.
Das Problem war nur: Wie lässt sich aus dem „neuen Vier-Gefühl“, wie es die auflagen-
stärkste Zeitung Europas nannte, eine Brücke zum Thema Gesundheit schlagen? War es bislang nicht so, dass spannende Fußballspiele eher als potenzielle Auslöser für Herzattacken angesehen wurden – von Alkoholkonsum, Schnapsleichen und Schlägereien mal ganz zu schweigen?
Das „Deutsche Ärzteblatt“ veröffentlichte im Juli jedoch Studienergebnisse, die aufmerken lassen. Demnach sinke laut einer Untersuchung der Krankenkasse DAK-Gesundheit sogar das Risiko für bestimmte Erkrankungen. So sollen an Tagen mit Spielen der deutschen Mannschaft während der WM 2006 und 2010 immerhin 12,5 % weniger Krankenhauseinweisungen erfolgt sein. In Bezug auf akute Herzinfarkte soll es sogar 20 % weniger Aufnahmen gegeben haben. Die positiven Auswirkungen betreffen Männer und Frauen offenbar gleichermaßen. So gesehen lässt sich die These, spannende Spiele seien schlecht für das Herz, so pauschal nicht bestätigen – selbst wenn ich unterstellen möchte, dass diese Studien vielleicht nicht in allen Punkten dem „Goldstandard“ moderner medizinischer Studien entsprachen.
Doch nicht nur das. Sogar schwerstkranke Patienten mit unheilbaren Erkrankungen profitieren offenbar von einer Fußball-WM. Ein Expertenteam der Universität Göttingen berichtete auf einem Ethik-Symposion in Berlin über Patienten mit fortgeschrittenen Tumor-erkrankungen: Während der Spiele soll es zu deutlich weniger Angst- und Schmerzsymptomen gekommen sein.
Doch auf den bloß passiven WM-Teilnehmer lauern auch Gefahren: Wer nur bei Bier und Chips vor dem Fernseher sitzt, erhöht nicht nur deutlich das Körpergewicht, sondern auch Risikofaktoren für das Herz-Kreislauf-System.
Aktiv Fußball zu spielen wird oft mit Verletzungen wie Meniskusschäden, Kreuzbandrissen oder Achillessehnenerkrankungen in Verbindung gebracht – was teils mit Trainingszustand, teils mit dem konkreten Einsatz und teils mit (mangelnder) Fairness zu tun hat.
Doch aktiver Fußball bietet auch eine Menge gesunder Vorteile: Eine skandinavische Studie bestätigt, wer regelmäßig gegen den Ball tritt, weist eine bessere Knochendichte und eine geringere Fettmasse auf. Die beim Fußball üblichen kurzen Sprints in Kombination mit „Dahintraben“ entsprechen einem Intervalltraining, das besonders günstige Effekte auf das Herz-Kreislauf-System entfaltet. Insofern ist Fußball eine echte Alternative zu anderen Ausdauersportarten und bereitet mit Sicherheit mehr Freude als monotones Getrete auf dem Heimtrainer.
Und vergessen wir eines nicht: Das Ansehen eines Landes steigt durch einen WM-Sieg im Fußball ungleich schneller als durch noch so bemühte diplomatische Kontakte und gutgemeinte humanitäre Aktionen. Ich „oute“ mich daher gern an dieser Stelle als Fußball-Anhänger (nicht Fanatiker).
Mit den besten Wünschen für die neue Saison
Ihr Dr. med. Rainer Matejka