Nehmen Sie sich selbst wichtig!
Bewusstsein

Nehmen Sie sich selbst wichtig!

Johanna Zielinski

Der Schriftsteller Hermann Hesse schrieb: „Man hat nur Angst, wenn man mit sich selber nicht einig ist“. Dass jemand schlecht über sich selbst denkt, kommt allerdings häufig vor. Doch wer sich selbst gegenüber eine wohlwollende, mitfühlende, nachsichtige und verzeihende Haltung einnehmen kann, leidet seltener unter Ängsten, Depressionen und Stress.

Bereits in frühester Kindheit werden die wesentlichen Grundlagen dafür gelegt, wie wir uns selbst und anderen begegnen. Im günstigsten Fall haben wir erlebt, dass wir so sein dürfen wie wir sind. Unter solchen Bedingungen entsteht eine natürliche Bereitschaft zu Mitgefühl mit uns selbst und anderen.

Oft haben wir allerdings gegenteilige Erfahrungen gemacht und wuchsen mit viel Kritik und Abwertung der eigenen Persönlichkeit auf. Wir mussten uns verstellen, anpassen, ummodeln, um angenommen und geliebt zu werden. Dadurch kommt es zu einem Mangel an Wertschätzung für uns und andere. Deshalb gilt es erst einmal eine Bestandsaufnahme im eigenen Leben zu machen, sich seiner Beziehungsmuster zu sich und anderen bewusst zu werden und zu bemerken, ob wir genügend Mitgefühl für uns oder andere aufbringen.

Wenn Sie Ihrer eigenen Person Aufmerksamkeit schenken und zu sich selbst stehen, bedeutet das nicht, dass Sie egoistisch handeln. Im Gegenteil: Durch Eigenliebe wird auch die Liebe zu anderen Menschen gestärkt. Übernehmen Sie Eigenverantwortung und sorgen Sie für sich, fördert das die Beziehung zu Ihnen selbst und zu den Menschen in Ihrem Umfeld. Eine typische „Win-Win-Situation“, denn wenn Sie wissen, was Sie möchten und was nicht, wenn Sie zu sich selbst stehen, drücken Sie sich klarer aus und erleichtern anderen Menschen den Umgang mit Ihnen. Unsere innere Haltung überträgt sich also auch auf die Wahrnehmung unseres Gegenübers.

Selbstvertrauen, Selbstsicherheit und Selbstannahme sind positive Qualitäten, die Sie pflegen und ausbauen können. Fehltritte sind hierbei ein bedeutender Teil des eigenen Weges und ermöglichen wichtige Lernprozesse. Erlauben Sie sich zu lernen, als Mensch zu wachsen, die eigenen Fähigkeiten auszubauen – schreiten Sie mutig voran! Je mehr Sie sich selbst akzeptieren, desto „echter“ werden Sie. Authentizität ist eine Folge von Selbstannahme.

Das funktioniert auch umgekehrt: Geben Sie sich bewusst, wie Sie sind, dann wächst Ihre eigene Selbstakzeptanz. Testen Sie anfangs die „So tun als ob“-Strategie in Gegenwart von vertrauten Personen. Offenbaren Sie Ängste, Schwächen und stehen Sie zu den Dingen, die Sie sich (anders) wünschen. Im gegenseitigen Austausch werden Sie bemerken, wie viele Menschen an den gleichen Dingen zu knabbern haben – das schafft Gemeinsamkeiten und Verbundenheit.

Problematisch wird es, wenn wir unsere Bedürfnisse unterdrücken. Oftmals steckt dahinter der Gedanke nicht gut genug oder würdig genug zu sein. Jedoch existiert nur ein einziger Mensch auf dieser Erde, der Ihnen erlauben kann, sich davon „freizusprechen“ – und das sind Sie selbst. Nehmen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse wahr, analysieren Sie Ihre Stärken und Schwächen.

Kennen Sie die eigenen Werte, können Sie anfangen, diese zu leben und sie gegenüber anderen zu verteidigen, um Ihre Selbstachtung zu behalten. Natürlich entstehen auch Situationen, in denen wir versucht sind, die eigenen Werte zu opfern – es ist durchaus menschlich, hier auch einmal nachzugeben. Versuchen Sie Ihr Handeln schrittweise in Einklang mit Ihren Idealen zu bringen. Dann leben Sie, was Ihnen wichtig ist, und Sie sind sich selbst treu.

Suchen Sie nach Lösungen für Ihre Probleme, werden Sie aktiv. Ihr Handeln, Ihre Aktionen steigern Ihre Selbstachtung, da Sie etwas für sich selbst tun. Sie stehen für sich ein, sind sich wichtig genug, Ihr Leben in die Hand zu nehmen. Beginnen Sie mit kleinen Schritten, einen nach dem anderen.

Eine große Unterstützung im Alltag ist auch die sogenannte „Selbstfreundlichkeit“. Behandeln Sie sich selbst, wie Ihren besten Freund: mit Wohlwollen, Nachsicht, Geduld und Mitgefühl. Sprechen Sie zu sich freundlich und respektvoll, hören Sie auf Ihre innere Stimme, machen Sie sich Mut, verzeihen Sie sich (keiner ist perfekt) und loben Sie sich selbst. Denken Sie daran: Jeder kleine Schritt bringt Sie Ihrem Ziel näher – dauerhafte Veränderung gelingt nur mit Geduld. Genießen Sie kleine Erfolge, bleiben Sie dran, bis Sie mit sich selbst zufrieden sind. Die Mühe zahlt sich aus – manchmal früher, manchmal später. Und die meisten Menschen scheitern an der Geduldsprobe. Geben Sie nicht auf!

Ein wichtiger Punkt zum Schluss: Befreien Sie sich von der Vergangenheit, insbesondere von seelischem Ballast, den Sie sich selbst oder Menschen aus Ihrem Umfeld aufgebürdet haben – eventuell mit professioneller Hilfe. Ersetzen Sie Härte durch Milde. Schenken Sie sich selbst das, was Sie bisher von anderen erwartet haben.

Foto: Andrea Danti/Shutterstock