Liebe Leserin, lieber Leser,
wir leben im Land der Manager. Der einstige Bahnhofsvorsteher heißt längst schon „Bahnhofsmanager“, das Katasteramt kümmert sich ums „Bodenmanagement“. Sogar ein „Wolfsmanagement“ haben wir zu bieten! Wenn hochtrabende Bezeichnungen für äußerst bodenständige Sachverhalte ihren Weg in den Sprachschatz finden, macht mich das per se skeptisch!
Das Gesundheitswesen beispielsweise sieht sich nun allerorten mit dem Qualitätsmanagement (unter Vollprofis „QM“ abgekürzt) konfrontiert. „QM“ stammt ursprünglich aus der industriellen Fertigung und wird auf dem Gesundheitssektor vor allem auch von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) stark vorangetrieben. Dem Spitzenverband der GKV stehen eine Volkswirtin, ein Sozialwissenschaftler und ein Betriebswirt vor, also jene Berufsgruppen, die heute im Gesundheitswesen das große Wort führen.
Die Durchführung von QM-Maßnahmen wird an externe Dienstleister „outgesourct“, deren Geschäftsführer dann meist wiederum BWLer sind. Sehr transparent scheinen mir persönlich die Strukturen dieser Dienstleister aber nicht. In Unterlagen tauchen dafür gern Begriffe wie „Prozess-“ und „Strukturqualität“ auf.
In diesem Rahmen wird aktuell für Kliniken ein spezielles „Entlassmanagement“ eingeführt: In der Pflege sollen die Mitarbeiter wie Fünftklässler ihre tägliche Arbeit in einem Aufsatz „verschriftlichen“ – bis hin zur detaillierten Schilderung, wie sie eine Spritze oder Infusion vorbereiten. Pflegeheime können seit Jahren ein Lied von diesem zunehmenden Dokumentationswahn singen.
Auf QM-Unterlagen, die sich an Klinikpatienten richten, wird die Frage nach einer bestehenden „neurologischen Erkrankung“ gestellt, ohne dass diese benannt werden soll. Der Migräniker kreuzt hier also ebenso „Ja“ an, wie derjenige, der jüngst einen Schlaganfall erlitten hat … Welche Erkenntnisse zieht das Qualitätsmanagement aus solchen Fragebögen, bitteschön?
Dafür dass hier keine Praktiker, sondern bestenfalls Gesundheitstheoretiker am Werk sind, existieren zahllose Beispiele. Andererseits: Zu verbessern gibt es im Gesundheitswesen immer etwas. Nicht alles, was QM fordert, ist falsch. Im Reha-Bereich ein klares Ziel zu benennen und im Schlussbericht konkret zu beschreiben, inwieweit es auch erreicht wurde, ist absolut sinnvoll. Tausendfach sinnvoller als der lapidare Satz: „Wir konnten den/die Patienten/in mit deutlich gebessertem Allgemeinbefinden entlassen“.
Oft stellt sich QM aber als praxisfern heraus und kostet das medizinische Personal wertvolle Zeit – auf Kosten des Patientenkontakts. In der Intensivmedizin könnte ein übertrieben bürokratisches QM bei oft mangelhafter Personalausstattung sogar lebensbedrohlich für die anvertrauten Patienten werden. Erstaunlich ist aber, mit welch vorauseilendem Gehorsam überall versucht wird, die Vorgaben umzusetzen, auch die unsinnigen – und zwar begleitet von Murren und Fluchen … Um Sinnbefreites abzustellen, müsste sich eine breite Front an „Leistungserbringern“ zusammentun und zum aus dem Fußball bekannten „Gegenpressing“ ansetzen: mit Nachdruck kritische Rückfragen stellen. Viele Vorgaben würden sich kaum begründen lassen. QM bei massivem Personalmangel gleicht einem Salzburger Nockerl: Beim Versuch es aufzugabeln, fällt wegen mangelnder Substanz alles in sich zusammen.