Digitalisierung – Eine Glaubensfrage?

Digitalisierung – Eine Glaubensfrage?

Liebe Leserin, lieber Leser,
in der Juli-Ausgabe unseres Magazins formulierte Autor Christian Zehenter innerhalb seines Artikels „Digitalisierung – Segen oder Fluch“, dass Genuss in der digitalen Welt nicht stattfinde, sondern nur „offline“ erlebbar sei. Ein interessanter Gedanke. Denn ganz gleich, wie digital unsere Umwelt auch werden mag: Der Mensch bleibt analog.

Auch wenn die Medizinlandschaft nicht gerade Genuss in den Fokus nimmt, sieht sie sich ebenfalls mit der Kluft zwischen dem analogen Patienten und den digitalen Aspekten konfrontiert. Die Zeitschrift Health&Care Management veröffentlicht in einer jüngst erschienen Heftfolge den Beitrag eines Beraters der AOK Baden-Württemberg. Dieser behauptet, dass das, was man im deutschen Gesundheitswesen hinsichtlich Digitalisierung bislang unternommen habe, nur eine „primitive Elektrifizierung“ einiger Vorgänge sei. Echte Digitalisierung, so postuliert der Autor, müsse deutlich weitergehen und alle Möglichkeiten ausschöpfen, die die künstliche Intelligenz zu bieten habe. Digitalität beschreibt er als eine Frage der „Haltung und Hingabe“. An anderer Stelle derselben Ausgabe beklagt ein Anwalt für Regulatorisches Gesundheitsrecht den „verhängnisvollen Fehler“, den viele medizinische Einrichtungen begingen, indem sie die Beständigkeit der Innovation vorzögen.

Fakt ist doch, dass „der Mensch“ im Klinikbetrieb vor allem das medizinische Personal meint, das täglich mit den digitalen Systemen umgehen muss und seine Störanfälligkeit erlebt. Nicht selten erleben die Mitarbeiter in Kliniken, dass gerade im Kontext eines medizinischen Notfalls die zügige Orientierung über die Situation des Patienten mit ganz analog auf Papier gedruckten Diagnosen und Medikamenten oft so viel schneller funktioniert, als sich unter Stress mit Zugangscodes und Passwörtern ins System einwählen und „durch­scrollen“ zu müssen. Wie die Refinanzierung der massiven Investitionen in die Digitalisierung gelingen kann, ist nochmal ein ganz anderes Thema …

Kurzum: Eine reine Zettel­wirtschaft kann für die Medizin der Zukunft sicher nicht die Lösung sein. Aber Digitales und KI machen nur Sinn, wenn sie dem Menschen dienen – und nicht umgekehrt.

Mit nachdenklichen Grüßen
Dr. med. Rainer Matejka