Liebe Leserin, lieber Leser,
beim Thema Alkohol galt lange Jahre eine Art Konsens, wonach gelegentlicher Konsum nicht nur nicht schädlich, sondern unter Umständen sogar der Gesundheit förderlich sein könnte – etwa das berühmte Gläschen Rotwein mit seinen darin enthaltenen Resveratrolen. Für Männer und Frauen wurden „unschädliche“ Mengen an reinem Alkohol pro Tag definiert. Die Fachpresse veröffentlichte jahrelang die Ergebnisse sogenannter Metaanalysen, bei denen Dutzende von Studienergebnissen in einen großen Topf geworfen und ausgewertet wurden. Diese Analysen zeigten eine geringere Herz- und Gesamtsterblichkeit, wenn man drei bis vier „Drinks“ pro Woche zu sich nimmt. Abstinenz oder tägliches „Trinken“ belegten schlechtere Ergebnisse. Erstaunlicherweise war es bei den günstigen Wirkungen egal, ob der „Drink“ in Form von Wein, Bier oder Schnaps eingenommen wurde. Demnach hatte also der Alkohol einen eigenen positiven Effekt, sofern in Maßen genossen. Diese Erkenntnisse sind inzwischen Makulatur. Neuerdings werden die damaligen Studien als methodisch mangelhaft eingestuft. Aufgrund aktueller Erkenntnisse wird Alkohol unter anderem für vier Prozent der Krebsfälle verantwortlich gemacht und keine Empfehlung mehr für eine „unbedenkliche Menge“ ausgesprochen.
Ein Gesundheitsnutzen in Bezug auf Alkohol sei nicht erkennbar, sondern ganz im Gegenteil: Er wird als „psychoaktive Droge“ eingestuft und zu einer weitgehenden Meidung geraten. Selbstredend wissen wir natürlich alle: Chronischer Alkoholkonsum kann Menschen zerstören und das Leben vernichten. Wer abstinent lebt, sollte es also weiter so handhaben, leberkranke Menschen sowieso.
Sollen jetzt auch alle leidlich Gesunden abstinent leben? Ich kann mir nicht recht vorstellen, dass das in allen Kulturkreisen realistisch und zwingend wünschenswert ist. Die gute Stimmung in Weingegenden möchte sich bestimmt nicht jeder nehmen lassen … Auch korreliert die vielzitierte mediterrane Lebensweise nicht gerade mit Abstinenz – eher im Gegenteil. Wein wurde früher sogar als Medizin eingesetzt und hat – maßvoll und nicht regelmäßig zugeführt – einen vegetativ entspannenden Effekt, der Alltagsstress für manche erträglicher erscheinen lässt.
Zum Thema Alkohol wurde kürzlich ein bekannter Leberspezialist befragt. Er sollte unter anderem angeben, wie ernst man die neuen Studienergebnisse nehmen müsse, und wie er persönlich es damit halte. Nach seiner Aussage sollten vor allem die besagten Leberkranken Alkohol strikt meiden. Er selbst trinke jetzt nur noch an vier Tagen in der Woche und nicht mehr als zwei Gläser Wein am Abend. Na ja, da hatte der Kollege zuvor offenbar doch ganz schön „zugelangt“ …
Für viele von uns wird der sinnvolle Weg sein: Weniger ist mehr! Alkohol – wenn überhaupt – nicht auf leeren Magen und nur gelegentlich, zum Beispiel bei festlichen Anlässen oder in geselliger Runde.
In diesem Sinne verbleibe ich mit den besten Wünschen für Sie persönlich für 2025!
Dr. med. Rainer Matejka