Liebe Leserin, lieber Leser,
rechnet man sämtliche Kosten des Gesundheitswesens zusammen – für Krankenhäuser, ambulante Behandlungen, Medikamente, Hilfsmittel, Kuren und Rehabilitationsmaßnahmen, Krankengeld und Krankenkassenverwaltung – kurzum alles, was an Ausgaben anfällt, bleibt immer noch eine beträchtliche zweistellige Milliardensumme übrig, die zwar ausgegeben wird, von der man aber nicht weiß, wo sie hinfließt.
Fragt man Politiker oder Krankenkassenvertreter nach dem Verbleib dieses Geldes, erhält man zur Antwort: „Wir wissen es auch nicht“.
„Behutsame“ Reformen werden also wohl kaum ausreichen. Der neue Gesundheitsminister Daniel Bahr müsste mit einem ganz anderen Kaliber zu Werke gehen und den Mut haben, sich mit praktisch allen Interessengruppen anzulegen.
Beispiel 1: Statt zu „Mondpreisen“ dürften neue Arzneimittel überhaupt nur dann Kassenleistung werden, wenn sie gegenüber bisherigen Methoden deutliche Vorteile bieten.
Beispiel 2: Bei den medizinischen Leistungserbringern – Ärzten, Krankenhäusern und Psychotherapeuten – zeigt sich: Ein großes medizinisches Angebot schafft sich selbst Nachfrage. Für die Unzahl von Linksherzkathetern ist Deutschland ebenso bekannt wie für die Unmenge an Kernspintomographien selbst bei eher leichteren Rücken- und Gelenkbeschwerden, teilweise fragwürdige Reha-Kuren und Endlospsychotherapien selbst bei leichteren Belastungsstörungen.
Doch der Gesundheitsminister müsste auch den Mut haben, sich mit den Bürgern anzulegen. Viele glauben immer noch, eine Solidargemeinschaft sei eine Art Automat, in den man oben nichts hineinstecken muss, unten aber beliebig viel herausholen kann. Deutsche gehen doppelt so oft wie Franzosen und viermal so oft wie Schweden zum Arzt. Dies muss nicht sein und ließe sich am besten durch einen Mix aus besserer Gesundheitsbildung, Beitragsrückerstattungen, günstigeren Grundbeiträgen, aber auch höheren Selbstbeteiligungen für bestimmte Leistungen ändern. Für die gesetzlichen Krankenkassen müsste gelten: entweder wirklicher Wettbewerb oder aber eine preisgünstige Einheitskasse ohne Bauchtanzkurs-Klimbim.
Würde der Minister oben Genanntes auch nur ansatzweise angehen, alle – besonders die Hauptprofiteure des Gesundheitswesens – würden ihn angiften, er wolle das System auf dem „Rücken der Armen, Alten und Kranken“ sanieren. Entsprechende emotionale Talkrunden sehe ich schon vor mir. Er müsste daher immer wieder positiv kommunizieren, dass eine Konzentration medizinischer Leistungen auf das Wesentliche das Funktionieren der Solidargemeinschaft auch in Zukunft zu bezahlbaren Preisen erst ermöglicht. Und zudem ermöglicht sie jedem Bürger Freiräume für echte Mitbestimmung.
Wahrscheinlich wird Daniel Bahr – das ist nach bisherigen Erfahrungen zu befürchten – wie alle seine Vorgänger „vom System“ verschlungen werden und genauso in der Versenkung verschwinden. Allerdings, haben wir in den letzten Jahren weltweit nicht genug Dinge erlebt, die vor Kurzem noch für unmöglich oder sogar unvorstellbar gehalten wurden? Wenigstens die Hoffnung bleibt also, dass ein Gesundheitsminister mal einen anderen Weg gehen könnte.
Mit den besten Grüßen