Liebe Leserin, lieber Leser,
sicherlich ist Ihnen aufgefallen, daß wir uns an dieser Stelle schon mehrere Monate nicht mehr mit der Gesundheitspolitik befaßt haben. Selbstverständlich haben wir aufmerksam die Entwicklungen verfolgt, unter anderem die Arbeit der Rürup-Kommission. Einige der dort diskutierten Vorschläge erscheinen durchaus sinnvoll, zum Beispiel die Stärkung des Hausarztes. Der Zugang zu bestimmten Facharztgruppen soll zukünftig nur durch eine Überweisung des Hausarztes möglich sein – wie früher vor Einführung der Chip-Karte.
Die Frage ist nur, ob es in Zukunft noch Hausärzte geben wird. Vor allem in den neuen Bundesländern stirbt der Hausarzt bereits aus, weil unter den heutigen Bedingungen – überfüllte Praxen, Nachtdienste, bürokratische Gängelei – kaum noch Ärzte diesen Knochenjob ausüben möchten. Die ambulante Medizin wird sich daher mehr und mehr in Form poliklinikartiger Gesundheitszentren organisieren – mit angestellten Ärzten. Aus meiner Sicht ist das nicht einmal die schlechteste Lösung.
Die geplante (schrittweise) Verlagerung der Facharztmedizin an Krankenhausambulanzen erscheint mir ebenfalls plausibel. Daß die bisherigen fachärztlichen Einzelpraxen das System oft verteuern, zeigen Analysen. Ein Beispiel aus Hamburg: Dort hat vor zwei Jahren eine einzige Kardiologen-Praxis sage und schreibe fünf Prozent des gesamten kassenärztlichen Honorars in Hamburg eingestrichen – bei Hunderten niedergelassener Kassenärzte. Durch Leistungsausweitung, z. B. übertriebenen Einsatz des Linksherzkatheters, wurden Kosten in die Höhe getrieben, ohne erkennbaren medizinischen Zusatznutzen.
Das Allerwichtigste aber wäre die Einführung einer Praxisgebühr. Jeder Patient zahlt fortan bei Besuch oder Inanspruchnahme einer medizinischen Leistung eine Gebühr. Im Gespräch sind 15 Euro, wahrscheinlich würden schon 10 Euro den Zweck erfüllen. Angeblich sind 91 Prozent der Bevölkerung dagegen. Ich bin dafür. Die Kassen erhoffen sich dadurch eine Entlastung in Höhe von zwei Milliarden Euro jährlich. Ich meine, es könnte gar die zehnfache Summe herauskommen. Die Einführung einer Praxisgebühr, und sei sie noch so niedrig, würde viele unüberlegte Arztbesuche verhindern. Damit würde die in Deutschland im internationalen Vergleich überzogene Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte auf Normalmaß reduziert. In der Folge würden nicht nur weniger Medikamente verordnet, sondern vor allem weniger medizinische Leistungen, Facharztüberweisungen und Krankenhauseinweisungen veranlaßt. Genau darin läge dann die gravierende Einsparung.
Das Gegenargument, Menschen würden unter Umständen von notwendigen Arztbesuchen abgehalten, um Geld zu sparen, ist unzutreffend. Dies zeigen Vergleiche aus anderen Ländern eindeutig.
Hinzu kommt: wenn sich durch Nichtinanspruchnahme medizinischer Leistungen Geld sparen ließe, würden sich mehr Menschen als bisher aktiv um ihre Gesundheit kümmern.
Im Gegenzug könnten die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung deutlich sinken. Unter dem Strich bedeutete dies: Wer selten medizinische Leistung in Anspruch nimmt, spart erheblich, wer sie häufig in Anspruch nimmt, zahlt insgesamt nicht unbedingt mehr als heute. Hoffentlich ergeht es diesen Reformvorschlägen nicht wie vielen anderen: in Kommissionen und Parteigremien wird alles zerredet, bis nichts mehr übrigbleibt – oder die verantwortlichen Politiker „kassieren“ ihre Vorhaben beim geringsten Gegenwind.