Liebe Leserin, lieber Leser,
„Löschliste“ heißt ein Phänomen, welches uns in den letzten Monaten auch als Therapeuten nachhaltig irritiert hat. Zwar war bekannt, daß zum 1. Juli zahlreiche Arzneimittel ihre Zulassung verlieren würden, daß es aber gleich gut 5000 Präparate trifft, erstaunte dann doch. Das Problem dabei: Ständig rufen Apotheken an, man habe ein Medikament verordnet, welches nun nicht mehr erhältlich sei und welche Alternative es nun gäbe – was eigentlich die Apotheken wissen müßten.
In dieser chaotischen Weise läuft es immer ab, wenn sich auf dem Arzneimittelsektor etwas ändert. Der Arzt erfährt es aus den Medien, über seine Patienten oder durch Rückruf von der Apotheke und keineswegs rechtzeitig durch behördliche Rundbriefe oder die ärztliche Standespresse. Warum wurde uns Ärzten nicht schon zu Ostern „automatisch“ die Löschliste als Anhang zur diesjährigen „Roten Liste“ (Arzneimittelverzeichnis der Pharma-Industrie) zugesandt?
Über Umwege erfahren die Therapeuten, daß man im Internet über die Webseite des zuständigen Bundesinstitutes die Löschliste einsehen könne. Und in der Tat ist dies möglich. Die Liste umfaßt 305 Seiten. Bei der Durchsicht dieser Seiten gerät man in Erstaunen, was es so alles an Mitteln und Mittelchen auf dem Markt gab, von denen man nichts wußte, geschweige denn ahnte, daß es sich dabei um registrierte Arzneimittel handelte. Da ist von „Liebeszucker“ bis „Penisex-Super-Ständer-Tropfen“ die Rede, stellenweise meint man, einen Beate-
Uhse-Katalog vor sich zu haben. Dann vermutet man plötzlich auch hinter „Mareen 75“ eher eine Kneipe auf der Reeperbahn, denn ein Arzneimittel.
Auch etliche schulmedizinische Präparate sind verschwunden. Von einigen muß man sagen: gottlob. Dies gilt vor allem für die Kombination von Schmerzmitteln mit Mutterkornpräparaten, beispielsweise für die Behandlung der Migräne. Diese Substanzkombination führte nachweislich häufig zu Abhängigkeit. In einigen Fällen gab es sogar schwere irreversible Schädigungen der Magennerven.
Das größte und ärgerlichste Problem besteht aber in der Eliminierung zahlreicher bewährter naturheilkundlicher Präparate, unter anderem etlicher Schöllkrautpräparate zur Leber-Galle-Stärkung oder Cumarin-Präparate für Krampfadern. Oft handelt es sich dabei um Arzneimittelkombinationen, die sich über Jahrzehnte bewährt haben. Doch Theoretiker am grünen Tisch wollen, daß derartige Präparate nur nach wissenschaftlichem Nachweis ihrer Wirksamkeit bzw. Unbedenklichkeit weiter vertrieben werden dürfen. Ein Unterfangen, das bei den meist mittelständischen Pharmaunternehmen, welche naturheilkundliche Arzneien herstellen, schon aus finanziellen Gründen nicht zu realisieren ist.
An den 1200 Toten jährlich allein in Deutschland durch das Rheumamittel Diclophenac scheint sich allerdings keine Behörde zu stören. Der Vorwurf, mit der Löschliste solle vor allem naturheilkundlichen Präparaten der Garaus gemacht werden, ist also keineswegs aus der Luft gegriffen.
Ob jetzt im Nachhinein noch viel daran zu ändern ist, muß zumindest angesichts der bürokratischen Macht der Verantwortlichen bezweifelt werden. Eine konzertierte Aktion verschiedener Organisationen wie des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren (ZÄN), der Hufelandgesellschaft und des Deutschen Naturheilbundes versucht, zu retten, was zu retten ist.
Mit besten Grüßen