Liebe Leserin, lieber Leser,
seit einigen Jahren existiert in Köln eine Einrichtung mit dem komplizierten Namen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG). Aufgabe dieser Einrichtung ist es, medizinische Verfahren wissenschaftlich zu bewerten und darauf zu achten, daß nur wirklich nachgewiesene Methoden auch von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden müssen.
Der Leiter dieses Institutes, Prof. Dr. Peter Sawicki, machte schon vor zwei Jahren Schlagzeilen, als er in einer Talkshow den Einsatz chemischer Blutfettsenker sinngemäß als ein nur bedingt sinnvolles Verfahren bezeichnete. Keineswegs sei es erforderlich, jeden leicht erhöhten Blutfettwert mit einem solchen Präparat zu behandeln, denn die „number needed to treat“ (NNT) liege bei circa 176. Das bedeutet, lediglich einer von 176 Patienten mit erhöhten Fettwerten profitiert wirklich von diesen Präparaten.
Vor kurzem nun machte das Institut weitere Schlagzeilen, indem es eine Negativempfehlung für sog. Insulinanaloga aussprach. Das sind teure Präparate, eine Art synthetischer Insulinersatz, die bei der Behandlung von Diabetikern eingesetzt werden. Eine Welle der Entrüstung brach los, daß nun viele Diabetiker nicht mehr ausreichend behandelt werden könnten. Was heißt aber in diesem Fall „ausreichend behandeln“? 90 Prozent aller Typ-II-Diabetiker wären allein schon durch konsequente Diätetik und Bewegung ausreichend behandelbar – so sehen es jedenfalls bekannte Diabetologen. Deshalb ist nicht verständlich, warum derartig teure Präparate plötzlich einen so breiten Raum in der Therapie einnehmen sollen.
Weitere Streitpunkte kommen dazu: Sawicki soll in einem Interview gesagt haben, durch nichtveröffentlichte Pharmastudien seien allein in den USA mehr Menschen umgekommen als im Vietnamkrieg. Ungünstige Studienergebnisse wurden demnach bewußt verschwiegen. Und er legte gleich noch einmal nach: Rund 90 Prozent dessen, was Pharmareferenten in ihrer täglichen Arbeit an den Arzt bringen, sei durch wissenschaftliche Studien nicht gedeckt. Logisch, daß solche Aussagen eines Wissenschaftlers die Vertreter der Pharmaindustrie auf die Palme bringen. Eine „unerträgliche Emotionalisierung“ lautete der Vorwurf.
Jetzt sollen auch moderne Asthmamittel und Blutdrucksenker vom Typ der AT1-Kanalrezeptorenblocker auf den Prüfstand. Tatsächlich zeigen die Kostenanalysen der Krankenkassen in manchen Monaten einen gewaltigen Posten bei modernen Asthmamitteln. Ich habe nichts gegen AT1-Kanalrezeptorenblokker. Wer darauf eingestellt ist und sie verträgt, mag sie weiternehmen. Liest man jedoch die wissenschaftlichen Begründungen, die den angeblichen Vorteil dieser Substanzgruppe gegenüber anderen – bei deutlich höheren Kosten – hervorheben, findet sich viel Dürftiges und Widersprüchliches.
Unter dem Strich bleibt für mich: Ob manchmal etwas unsachlich oder nicht, Prof. Sawicki scheint mit seinem Qualitätsinstitut auf der richtigen Schiene zu fahren. Ich hoffe, daß er sich von den Kritikern – die ihn mit dem Pauschalargument, man dürfe medizinischen Streit nicht „auf dem Rücken der Patienten“ austragen, mundtot machen möchten – nicht von seinem konsequenten Weg abbringen läßt.
Mit den besten Grüßen