Tomaten auf den Augen statt auf dem Speiseplan!

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Krankenhausernährung liegt seit langem im argen. Niemand bestreitet, daß es damit nicht zum besten steht. Trotzdem scheint kein Verantwortlicher wirklich etwas dagegen tun zu wollen.

In einer Mutter-Kind-Klinik sehe ich schon im Eingangsbereich einen Cola-Automaten. Auf die Frage an die leitende Ärztin (mit der Fachkundebezeichnung „Ernährungsmedizin“), wie dies zu verstehen sei, erhalte ich die Antwort: „Wenn wir es nicht anbieten, holen es sich die Kinder irgendwo im Ort“.

Im Kiosk einer anderen Mutter-Kind-Klinik sehe ich Milchschnitten, Gummibärchen, Überraschungseier. Auf dem Speiseplan steht übliche Kantinenkost, wie Hühnerfrikassee, Königsberger Klopse, Pichelsteiner, bergeweise Fleisch, Wurst und Käse, Pommes, Softdrinks. Kurzum all das, was die negativen Seiten unserer Zivilisationskost charakterisiert. Und dies in Häusern, die allergisch oder asthmatisch belastete Kinder behandeln!

In einer Anleitung für die Mütter lese ich: Um fettarmer zu kochen, solle man möglichst auf Öl verzichten. Als ob es nur auf die Fettmenge ankommt und nicht vielmehr auf die Qualität der Fette. Hierüber jedoch kein Wort. Ansichten wie in den 70er Jahren.

Krankenhäuser erhalten zunehmend ihre Kost über sogenannte Catering-Services. Das sind Großküchen, die zentral eine Unzahl von Mahlzeiten zubereiten und dann über teilweise lange Transportwege an die entsprechenden Krankenhäuser zustellen. Man kann sich vorstellen, wie die Qualität dieser Kost in Bezug auf Frische und wie die Energiebilanz bezüglich Herstellung und Verteilung aussehen mag.

So erhält beispielsweise ein zwischen Hannover und Paderborn gelegenes Kreiskrankenhaus mittlerweile die Mahlzeiten von einem Catering-Service aus dem 220 Kilometer entfernten Magdeburg! Wenn man das hört, kann man nur hoffen, daß die Benzinpreise sich noch vervielfachen mögen, damit mit diesem Unsinn endlich Schluß ist.

Lediglich 3 bis 5 Euro werden pro Tag in Krankenhäusern für die Ernährung eingeplant. Ein Bruchteil dessen, was für Medikamente ausgegeben wird. Etwas weniger des exzessiven Einsatzes teurer Antibiotika würde die Kosten für eine hochwertigere Ernährung mehr als kompensieren.

Diese Problemzusammenhänge wurden erstaunlicherweise bislang offenbar auch von „Qualitätssicherern“, die sich in unserem Gesundheitswesen breitmachen, nicht erkannt. Stolz präsentieren gerade die benannten Kliniken ihre Iso-Norm-Zertifikate und Qualitätsberichte.
 
„Hallo, ihr Iso-Norm-Zertifizierer und Evaluatoren“, möchte man rufen, „kontrolliert ihr eigentlich nur die Anzahl der Feuerlöscher und Brandschutztüren? In puncto Ernährung zumindest habt ihr offenbar Tomaten auf den Augen.“

Mit besten Grüßen
P. S. Daß es auch anders geht, beweisen einige (leider noch wenige) Rehabilitationskliniken. Sie bieten – zum Teil seit Jahrzehnten – eine hervorragende Vollwertküche, teilweise  mit Produkten aus eigenem ökologischen Anbau. Bewußte Patienten wissen dies zu schätzen. Gesundheitsfunktionären scheint es egal zu sein …