Gesundheitsreform oder: Warten auf G.

Liebe Leserin, lieber Leser,

50 Millionen Amerikaner waren bislang nicht krankenversichert. Nicht alle wegen Armut, manche auch aus Überzeugung: „Der Mensch ist zuallererst für sich selbst verantwortlich“ lautet ein verbreitetes Argument. Gleichwohl explodieren im amerikanischen Gesundheitssystem die Kosten derart, dass sich ein Normalbürger kaum noch eine Krankenversicherung leisten kann. In dieser Situation hat der amerikanische Präsident in kurzer Zeit eine Gesundheitsreform durchgepaukt. Sie soll jedem Bürger wenigstens eine medizinische Grundversorgung sichern. Obwohl man meinen müsste, ein derartiger Reform­ansatz sei ein dringendes Ge­bot, hing die Reform am seidenen Faden. Ein Grund der bemerkenswert starken Reformgegnerschaft auch in der Bevölkerung: Man fürchtet Bevormundung durch „Staatsmedizin“.

Ganz anders die Situation in Deutschland. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einigen Politikern. Der einhellige Tenor: Auch die Bundesregierung sei sich einig, dass nur eine tief greifende Reform das Gesundheitswesen vor dem Kollaps retten könne. Sämtliche Pläne hierfür lägen bereits fertig in der Schublade. Man warte nur noch die nächste Wahl ab. Das Gespräch fand im Dezember 1986 statt! Alles, was danach unter dem Stichwort „Reform“ daherkam, lässt sich auf Begriffe wie „Budgetierung“ (Ausgabenbegrenzung) einerseits und Geschrei nach „mehr Geld“ andererseits zurückführen. Von einer echten Reform kann nicht die Rede sein.

Im Unterschied zu den US-Bewohnern  sehen viele Deutsche Krankheit vor allem als Pech, Schicksal oder Folge ererbter Gene. Dementsprechend glauben sie, die Allgemeinheit habe für Krankheiten aufzukommen. Jeder noch so kleine Versuch, mehr Selbst- und Mitbestimmung für den Einzelnen im Gesundheitswesen zu installieren, wird als „Entsolidarisierung“ gebrandmarkt. Stattdessen nimmt man lieber stille Rationierungen in Kauf, um den Schein zu wahren, alle erhielten stets das Optimale. Viele, die in den letzten Jahren dringende fachärztliche Hilfe benötigten oder einmal im Krankenhaus waren, werden bestätigen, dass sich Wartezeiten verlängert haben und das Personal oft gehetzt wirkt. Zunehmend können Arztstellen, vor allem auf dem Lande, nicht mehr besetzt werden.

Die Amerikaner haben es geschafft, in kürzester Zeit eine grundlegende Reform durchzubringen. Wir Deutschen waren dazu in den vergangenen 24 Jahren nicht in der Lage, und ich prognostiziere: Auch im Jahr 2020 wird sich nichts Grundlegendes getan haben, sondern wir werden weiterhin das all­abendliche Talkshow-­Gejammer im Fernsehen er­leben, mit dem Tenor, es müsse jetzt endlich etwas geschehen … Ein absurdes Theater. Wie „Warten auf Godot“ (der bekanntlich nie kommt).

Anhänger der Naturheilkunde warten nicht! Sie wissen, dass man sich in vielen Bereichen selbst helfen und einen Heilungsprozess wirksam unterstützen kann. Eigentlich ist das ja Lohn genug. Dennoch wäre es schön, wenn solche aktiven Beiträge zur Gesundung auch von unserem Gesundheitswesen honoriert würden.

Mit besten Grüßen