Liebe Leserin, lieber Leser,
In den vergangenen Jahren veröffentlichten wir verschiedene Artikel und Interviews zum Thema Prostataerkrankungen. Immer wieder erreichen uns diesbezüglich Anfragen. Ein Zeichen, wie wichtig das Thema „Prostata“ ist. Nicht selten sind Leser über erhöhte PSA-Werte besorgt. PSA steht für „prostataspezifisches Antigen“, ein Glykoprotein, das die Prostatadrüsen absondern. Jahrelang wurde der PSA-Wert im Blut zwecks Früherkennung und Verlaufskontrolle von Prostatakrebs bestimmt. Allerdings ist der Wert nicht nur beim Prostatakarzinom erhöht, sondern auch bei der gutartigen Vergrößerung der Vorsteherdrüse, bei Prostatitis (siehe Artikel in dieser Ausgabe), nach Gewebeentnahme (Biopsie), ja selbst nach einer „Prostatamassage“ (z. B. durch Rudern oder Radfahren).
Mittlerweile haben die gesetzlichen Krankenkassen die Bestimmung des PSA-Werts aus ihren Vorsorgeleistungen gestrichen. Wahrscheinlich aus folgendem Grund: Egal wie alt der Patient war, wurde oft schon eine leichte Erhöhung des Wertes zum Anlaß genommen, eine Biopsie durchzuführen. Auch dann, wenn daraus wegen des womöglich hohen Alters des Patienten keine Konsequenzen gezogen wurden – die Belastung für Patient (und Kasse) war häufig unnötig.
Nun gibt es Kritiker, die behaupten, der PSA sei als Krebsmarker sowieso unzuverlässig. Die Realität zeigt allerdings: Der PSA-Wert ist wohl ein sehr brauchbarer Parameter, wenn man ihn richtig interpretiert: Eine leichte bis mäßige Erhöhung beweist noch keinen Krebs – richtig. Finden sich bei Männern über 65 moderate Erhöhungen des PSA-Wertes im Bereich zwischen 4 und 10 mg/dl, muß dies nicht automatisch eine Maximaltherapie nach sich ziehen. Ich sehe etliche Patienten, bei denen sich die Werte über Jahre hinweg in diesem Bereich hin und her bewegen, ohne daß eine eindeutige Verschlimmerungstendenz erkennbar ist. Manche Biopsie kann man sich auf diese Weise ersparen.
Bei jüngeren Männern „in den Fünfzigern“ kann dagegen eine weiterführende Diagnostik eher erforderlich werden. Hier zeigen neue Studien, daß schon PSA-Werte um die „2“ einen Krebs nicht sicher ausschließen!
Es gibt offenbar auch entzündliche Mitreaktionen der Prostata im Rahmen schwerer Allgemeininfekte. Wiederholt begegneten mir Patienten, die bei schwerem fieberhaften Infekt oder kurz danach einen erhöhten PSA-Wert aufweisen, ohne daß sie unter Prostatabeschwerden leiden. Einige Wochen später normalisiert sich dieses Ergebnis auch ohne Therapie. Deshalb einen überraschend erhöhten PSA-Wert nach einigen Wochen erst einmal nachkontrollieren, vor allem, wenn die Ultraschalluntersuchung der Prostata unauffällig bleibt.
Im Expertenstreit um die Bedeutung des PSA-Wertes gibt es eine neuere interessante Aussage, die mir sehr plausibel erscheint. Auf eine bösartige Entwicklung deutet ein Wert vor allem dann hin, wenn er sich innerhalb der Jahresfrist verdoppelt. Beispiel: Ein PSA-Wert, der im letzten Jahr bei 5 lag und in diesem Jahr auf 10 gestiegen ist, wäre ein prognostisch ungünstiges Zeichen und sollte weitergehende Maßnahmen auslösen.
Als Fazit bleibt: Ein erhöhter PSA-Wert ist ein wichtiges diagnostisches Kriterium. Überreaktionen sind nicht angebracht, sondern ein taktisch geschicktes Vorgehen mit dem Ziel, dem Patienten unnötige und unter Umständen unangenehme Untersuchungen zu ersparen. Vor allem beim älteren Mann jenseits der 70 besteht eine sinnvolle Strategie darin, zu beobachten und gegebenenfalls begleitende, möglichst naturheilkundliche Maßnahmen einzuleiten.
Mit besten Grüßen