Dipl. DiätKüchenmeister Peter Mayr

Fettarm kochen – 80 Gramm Fett pro Tag reichen „dicke“!

Die meisten von uns nehmen zuviel Fett auf. Viele wissen es zwar, aber es hapert an einer Vorstellung, wie es anders gehen könnte – und an der Umsetzung guter Vorsätze. Wir müssen lernen, fettärmer zu essen. Das bedeutet in erster Linie, den Verzehr fettreicher Produkte zu reduzieren. Es bedeutet aber auch, in der Küche selbst bewußter und sparsamer mit Butter und Öl umzugehen. Das ist leichter als gedacht. Fette liefern Energie, aber mit den Fettsäuren auch Grundstoffe, aus denen der Organismus wichtige Hormone und Botenstoffe baut. Außerdem haben Fettmoleküle eine wichtige Funktion in jeder Zellmembran. Und Fette liefern auch Vitamine und Antioxidantien. Doch daran wird es wohl nicht liegen, daß wir ihnen so zugetan sind – sondern am Geschmack. Daß Fett den Geschmack von Speisen verstärkt, ist bekannt, weshalb viele Köche und Hausfrauen, wenn sie auf "Nummer sicher" gehen wollen, noch eine Portion extra an Saucen und Gerichte geben. Doch die Liebe zum Fett hat vielleicht noch stärkere physiologische Gründe: Im Sommer 2002 meldeten Forscher, sie hätten einen zusätzlichen Geschmacksinn entdeckt, neben "süß", "sauer", "bitter" und "salzig" soll unsere Zunge auch die Qualität "fett" identifizieren und dem Gehirn als Geschmack melden; also nicht den Eigengeschmack von Olivenöl oder Butter, sondern den Geschmack "fett" an sich. Wahrscheinlich als Folge davon steigt unmittelbar nach dem Zergehen auf der Zunge – lange bevor irgendein Tröpfchen Fett im Dünndarm aufgenommen wird – der Blutfettspiegel. Die Liebe zum Fett hat ihre Schattenseiten. Zwar werden auch isolierte Kohlenhydrate (Zucker) im Körper in Fett verwandelt, und oft sind ja entsprechende Leckereien zuckerig und fett, doch die Hauptursache für die zu hohe Energieaufnahme bleibt der Fettkonsum selbst. Die Folgen sind bekannt: Übergewicht und Arteriosklerose, später im Leben Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten. 30 Prozent der gesamten Energiemenge, die wir pro Tag aufnehmen, dürfen in Form von Fett zugeführt werden, sagen die Ernährungswissenschaftler, 25 Prozent wären ideal. Doch in Deutschland wie in fast allen industrialisierten Ländern macht der Fettkonsum rund 40 Prozent der Energieaufnahme aus. Zuviel Energie bedeutet, sofern wir sie nicht durch verstärkte körperliche Arbeit oder Bewegung verbrauchen: Verfettung – innerlich und äußerlich. Ein Rechenbeispiel: Der Durchschnittsbürger, sofern er nicht schwer körperlich arbeitet, benötigt pro Tag rund 2400 Kilokalorien (kcal) Energie. Ein Gramm Fett liefert 9,3 kcal, im Vergleich dazu ein Gramm Eiweiß 4,1 kcal, ebenso ein Gramm Kohlenhydrate (4,1 kcal). 30 Prozent (die erlaubte Fettmenge) von 2400 kcal sind 720 kcal, geteilt durch 9,3 kcal ergibt 77, also rund 80 Gramm Fett, die wir pro Tag mit gutem Gewissen aufnehmen dürften. Verhängnisvoller Irrtum: "Soviel Fett esse ich ja nie!" "Ach, soviel esse ich ja nie und nimmer", denkt da vielleicht der ein oder andere. Von wegen! Die meisten Menschen haben keine Vorstellung davon, welche Unmengen an "versteckten Fetten" sie täglich aufnehmen: Fette, die als Zutaten in Produkten verarbeitet sind, vor allem in Wurst, Käse, Gebäck und Schokolade. Ernährungswissenschaftler sagen, die unsichtbaren Fette sollten höchstens die Hälfte unserer Tagesmenge ausmachen – maximal 40 Gramm. Für Otto Normalverbraucher heißt das, er muß vor allem den Verzehr der genannten Produkte deutlich reduzieren. Was ist mit den anderen 40 Gramm? Die Butter, die wir uns selbst aufs Brot schmieren, und das Öl, das wir selbst in die Pfanne oder die Salatschüssel geben? 40 Gramm wären etwa zwei Portionswürfel Butter, wie sie auf jedem Frühstücksbuffet liegen, oder sechs bis sieben Teelöffel Öl. Hier kommt es darauf an, über den Tag verteilt insgesamt eine richtige Mischung aufzunehmen, und das heißt auch: das richtige Fett für den passenden Zweck. Dazu muß man wissen, was überhaupt in den einzelnen Fetten drin ist. Butter Der Handel bietet Süßrahm, Sauerrahm und mildgesäuerte Butter an. Hergestellt wird das beliebte Streichfett aus Rahm, aus Milch gewonnen durch Zentrifugieren, und anschließend wird es pasteurisiert. Für Sauerrahmbutter muß der Rahm erst gesäuert werden. Das übernehmen Milchsäurebakterien. Butter gehört aufs Brot, sie eignet sich außerdem zum Backen und Dünsten oder zum nachträglichen Verfeinern, kann zum Anschwitzen verschiedenster Gerichte verwendet werden und sollte daher in der Mehlspeisenküche nicht fehlen. Zum Braten taugt sie nicht, weil sie einen niedrigen Rauchpunkt hat. Zum Braten (bis 150 Grad) geeignet ist dagegen Butterschmalz, die geklärte Butter. Sie ist wasser- und eiweißfrei und läßt sich leicht selbst herstellen: Ein oder mehrere Päckchen Butter werden erhitzt und köcheln leicht vor sich hin (je nach Butter 10 bis 30 Minuten), so daß das Wasser verdunstet und das Eiweiß gerinnt, sich am Boden ablagert oder/und oben abgesiebt werden kann. Butterschmalz ist länger haltbar als Butter. Margarine Da die Butter im 19. Jahrhundert knapp und damit teuer war, wurde nach einer Alternative gesucht. Napoleon III beauftragte den Chemiker Hippolyte Megè-Muriès einen preiswerten Ersatz zu finden. Dieser entwickelte 1869 ein Gemisch aus Rindertalg und Magermilch und nannte es Margarine. Heute besteht Margarine in der Regel aus pflanzlichen Rohstoffen wie Raps, Sonnenblumen und Sojaöl. Der Weg ist lang, bis flüssiges Pflanzenöl in Würfel verpackt werden kann! Wie wird das Öl zur streichfähigen Margarine? Es wird entweder mit festen Fetten vermischt oder chemisch gehärtet. Für die Härtung wiederum kommen zwei Verfahren in Betracht: die Hydrierung (Anlagerung von Wasserstoff an die Fette) oder die Umesterung (Umbau der Fette). Mögliche positive Effekte der ursprünglichen Zutaten gehen verloren. Wegen der starken industriellen Verarbeitung sind daher solche Fette nicht zu empfehlen. Bio- oder Reformmargarinen enthalten keine künstlich gehärteten oder umgeesterten Fette. Die Hersteller verwenden von Natur aus feste Fette wie Kokos- und Palmfett und mischen diese mit Ölen, um die gewünschte Konsistenz zu erzielen. Die natürlichen Inhaltsstoffe bleiben so weitgehend erhalten. Margarine wird beim Kochen kaum verwendet, sie ist bestenfalls zum Dünsten geeignet. Pflanzliche Öle Sie werden durch Extraktion sowie Heiß- oder Kaltpressung aus verschiedenen Pflanzenteilen wie Früchten, Samen oder Kernen gewonnen. Bei der Extraktion ziehen Lösungsmittel wie Hexan oder Leichtbenzin das Öl aus den zerkleinerten oder gemahlenen Rohstoffen. Um diese Mittel wieder zu entfernen, wird das Gemisch anschließend auf etwa 140°C erhitzt und raffiniert. Die Ausbeute ist groß, raffinierte Öle sind daher billig – aber minderwertig. Bei der Heißpressung wird das Öl unter Wärmezufuhr und hohem Druck von der Masse abgetrennt. Dabei entstehen Temperaturen bis 170°C. Das so gewonnene Rohöl ist trüb, häufig dunkel und hat meist einen kratzigen Beigeschmack. Deshalb wird es wie bei der Extraktion anschließend raffiniert. Es werden Schwermetalle, Schimmelpilzgifte und Pestizide entfernt. Allerdings geht dabei auch der Großteil der gesundheitsförderlichen Stoffe verloren, vor allem Vitamin E, Lecithin und Carotinoide. Das Vitamin E wird in der Regel – wegen besserer Haltbarkeit – später wieder zugesetzt. Auch diese haltbaren Öle haben mit einem vollwertigen Lebensmittel nichts zu tun und können nicht empfohlen werden. Hochwertige Öle mit ihren natürlichen, wertvollen Inhaltsstoffen sind stets kaltgepreßt, heute nennt man sie "native Öle". Die Samen oder Früchte werden dazu zerkleinert in die Presse gegeben. Es darf von außen keine Wärme zugeführt werden. Durch den Druck entstehen aber dennoch Temperaturen bis zu 70°C. Kaltgepreßte Öle werden nicht raffiniert, so daß alle Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Allerdings bleiben dadurch auch unerwünschte Inhaltsstoffe wie Pestizide erhalten. Da Biobauern beim Anbau der Rohstoffe auf solche Mittel verzichten, sollten Sie zu Bio-Ölen greifen. Pflanzliche Öle, vor allem Sonnenblumen-, Soja- und Maiskeimöl, enthalten viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren (MUFS). Diese werden durch Hitze verändert, positive Wirkungen gehen verloren, es können sogar schädliche Zersetzungsprodukte entstehen. Daher sind kaltgepreßte Öle im allgemeinen für die warme Küche nicht geeignet, es sei denn zum nachträglichen Verfeinern eines Gerichts. Oliven- und Rapsöl vertragen mehr Hitze Es gibt aber Ausnahmen: Olivenöl ist nicht nur länger haltbar als andere Öle, sondern verträgt auch Hitze – durch den hohen Gehalt an einfach ungesättigten Fettsäuren, die stabiler sind als die MUFS. Deshalb kann mit Olivenöl gedünstet oder gebraten, ja sogar mit viel Öl in der Pfanne auch "frittiert" werden, vorausgesetzt, man mag den Eigengeschmack. Mittlerweile haben auch Naturkost-Hersteller spezielle hochwertige Bratöle mit sogenannten Higholeic-Ölen entwickelt. Das sind Öle von speziellen Sonnenblumen- und Distelsorten, die durch Züchtung einen höheren Anteil an der einfach ungesättigten Ölsäure haben. Sie sind kaltgepreßt, vertragen aber Temperaturen bis 210°C. Sie werden nach der Pressung zwar mit Wasserdampf behandelt, enthalten aber im Gegensatz zu extrahierten und raffinierten Ölen aus konventioneller Herstellung noch Farb- und Aromastoffe. Ernährungswissenschaftler raten übrigens, man solle die Gesamtmenge an Fett in etwa nach der "Drittelregel" zusammenstellen: ein Drittel Fett mit gesättigten Fettsäuren (zum Beispiel Butter aufs Brot), ein Drittel mit einfach ungesättigten Fettsäuren (Olivenöl oder Rapsöl in den Kochtopf), ein Drittel mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Distelöl an den Salat). Kokos- und Palmfett Kokosfett wird aus den Steinfrüchten der Kokospalme gewonnen, Palmfett aus den Samen der Ölpalme. Beide eignen sich zum scharfen Anbraten, Braten und Fritieren. Sie haben natürlicherweise einen sehr hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren (weshalb sie so hitzestabil sind), enthalten herstellungsbedingt aber auch reichlich Trans-Fettsäuren, die die Blutfettwerte negativ beeinflussen sollen. Vor allem Palmfett ist stark industriell verarbeitet. In der fettbewußten Küche haben daher weder die Friteuse noch diese Fette einen Platz. Zehn Tips für eine "fettbewußte" Küche Vergessen Sie nicht die "versteckten Fette". Reduzieren Sie daher vor allem den Verzehr von Wurst, Käse, Gebäck und Schokolade, Chips und ähnlichen Knabbereien. Gehen Sie auch mit dem sichtbaren Fett für Brot und Braten maßvoll um. Um Fett zu sparen, ist es anfangs hilfreich, eine Meßeinheit zu haben. Nehmen Sie einen Teelöffel Öl (= etwa 3g), wenn Sie etwas anbraten, damit Sie ein Gefühl für die Menge kriegen. 1 Teelöffel Öl reicht (je nach Kochgeschirr) für ein gekochtes 4-Personen-Gericht. Gießen Sie nie Öl aus der Flasche in das Kochgeschirr, es ist immer zuviel! Wenn mit Fett gebraten wird, dann nicht im normalen Kochtopf, die benötigte Fettmenge wäre zu hoch. Fettarm garen läßt sich im Tontopf (Römertopf), in echtem gußeisernen Kochgeschirr, im Wok sowie in beschichteten Spezialpfannen. Erhitzen Sie Fette nicht zu lange und nicht zu hoch! Allerdings, der gelegentlich gehörte Tip, bei niedrigeren Temperaturen (160 Grad) zu fritieren, ist nicht hilfreich, denn das Fritiertgut saugt so noch mehr Fett auf. Lieber aufs Fritieren verzichten. Bildet sich Rauch, so wurde das Fett zu hoch erhitzt und zersetzt sich. Darin sollte nicht gebraten oder gekocht werden. Reduzieren Sie die Temperatur und verwenden Sie geeignetes Fett/Öl. Dünsten statt Braten, wann immer möglich. Damit es dem Öl garantiert nicht zu heiß wird, empfiehlt sich, beim Dünsten vor dem Erhitzen etwas Wasser zuzugeben. Oft genügt es, mit dem Pinsel oder mit dem Zerstäuber etwas Öl in die Pfanne aufzutragen. Fettfrei zubereiten läßt sich mit Backfolie oder im Backofen. Wenn Sie fettarm gekocht haben, können Sie anschließend alle Gerichte mit kaltgepreßten Pflanzenölen verfeinern und aufwerten. Noch ein Wort zum "Wok". Der Begriff kommt aus dem Chinesischen, genauer aus dem Kantonesischen und heißt übersetzt nichts anderes als Kochtopf. Durch die Halbkugelform dieses asiatischen Kochgeschirrs benötigen wir deutlich weniger Fett, das Gemüse bleibt knackig frisch und vitaminreich. Allerdings muß kräftig gerührt werden, damit unten nichts anbrennt und alle Zutaten gleichmäßig braten oder garen. Weiterführende Literatur: C. Dürr: Speiseöle – lieber kaltgepreßt als raffiniert, in: Naturarzt 9/2001 M. Hamm: Fette in der Ernährung – der richtige Umgang mit den Dickmachern, in: Naturarzt 1/2002 Welche Zubereitung für was? Wenn fettarm oder fettfrei gekocht wird, kann nachträglich mit kaltgepreßtem Öl verfeinert werden. Blanchieren – schnell garendes Gemüse wird nur kurz in heißes Wasser gegeben (sonst Verlust an Nährstoffen und Geschmack) oder mit heißem Wasser überbrüht. Fettfrei. Braten – Garen in der Pfanne mit Fett, je nach Gericht entsteht eine braune Kruste. Dafür ist nicht jedes Fett/Öl geeignet. Dämpfen – Zutaten liegen nicht im Wasser, sondern in einem Einsatz darüber, das Wasser wird zum Kochen gebracht (erst dann Einsatz/Zutaten reingeben), der Dampf gart die Zutaten. Fettfrei. Dünsten – Garen im eigenen Saft unter Zugabe von wenig Fett oder Wasser. Für Gemüse ideal. Bei Bedarf fettfrei. Kochen – Garen im geschlossenen Topf mit Wasser, so wenig Flüssigkeit wie möglich und soviel wie nötig. Fettfrei. Schmoren – im geschlossenen Topf mit etwas Fett, wasserreiche Gemüsearten geben dabei selbst Flüssigkeit ab ("schmoren im eigenen Saft"), wasserarme Gemüse benötigen zusätzlich etwas Flüssigkeit. Da die Temperatur 100 Grad nicht überschreitet, kann auch kaltgepreßtes Öl verwendet werden. Kochen im Wok wird immer beliebter: Es geht schnell und ist gesund. Beim Rühren befindet sich immer nur ein kleiner Teil der Zutaten am heißen Wokboden, die anderen liegen am Rand. Dort garen sie langsam. "Die Menschen füllen das beste Öl in ihr Auto, haben aber oft das billigste Salatöl auf dem Tisch!" Peter Mayr