Dipl. oec. troph. Karin Possin

Fragen und Antworten zur braunen Bohne – Was Sie über Kaffee längst wissen wollten

Woher kommt eigentlich die Bezeichnung "Genußmittel"? Ist doch vieles, was dazu gehört, wie Alkohol oder Zigaretten, oft eher Droge. Wie verhält es sich mit dem Kaffee? Der "Durchschnittsdeutsche" trinkt von seinem Lieblingsgetränk einen halben Liter täglich. Viele Ernährungs- und Gesundheitsberater sehen das kritisch, manche reden gar vom "schwarzen Gift". Bekanntlich macht aber erst die Dosis das Gift. Und wie wirkt die dampfende, duftende Brühe unterhalb dieser Dosis – als leckere Medizin? Fragen über Fragen. Kaffeetrinker lieben das Röstgetränk nicht nur aufgrund seines Geschmackes, sondern wegen des Koffeins. Es zählt zur Gruppe der Alkaloide: stickstoffhaltige Substanzen, die in höheren Konzentrationen giftig wirken, in geringen Dosen als Heil- und Betäubungsmittel eingesetzt werden. Koffein ist deshalb Bestandteil verschiedener Medikamente, zum Beispiel gegen Kopf- und Nervenschmerzen sowie gegen Herzschwäche. Wie wirkt Koffein? Nach der Aufnahme von Kaffee wird das Alkaloid vom Darm ins Blut aufgenommen und gelangt über den Blutkreislauf zu den Körperzellen. Nach 30 bis 60 Minuten ist die Koffeinkonzentration im Blut am höchsten. Es dauert durchschnittlich fünf Stunden bis die Substanz abgebaut ist. Koffein stimuliert das Zentralnervensystem, das Atemzentrum, das Gefäßsystem, das Herz und die Nieren. Als Folge vermehrt sich beispielsweise die Harnmenge, die Atmung wird vertieft und die Pulsfrequenz erhöht. Wieviel am Tag vertragen wir? Zwei bis vier Tassen des braunen Getränkes gelten laut Aussage der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) als unbedenklich für das Wohlbefinden von gesunden Menschen. Die Schwankungsbreite ergibt sich durch die unterschiedliche Körperstatur von Personen und durch die unterschiedliche Stärke der Kaffeezubereitung. Als leichte Vergiftungserscheinungen von zuviel Kaffee können Unruhe, Herzklopfen, Übelkeit, Schweißausbrüche, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Schwindel auftreten. Wer unter Schlafproblemen, Herzrhythmusstörungen oder einer Überfunktion der Schilddrüse leidet, sollte auf Koffein verzichten. Die "zugelassene" Menge von zwei bis vier Tassen erscheint relativ hoch. Allerdings ist die Frage "Wieviel verträgt der Organismus?" eine andere als "Wieviel bekommt ihm?" oder gar diese: Wieviel ist gesund? Verschiedene Vertreter der Vollwerternährung, zum Beispiel Dr. M. O. Bruker, betrachten das Volksgetränk relativ kritisch. Das Koffein regt den Körper zu einer Mehrleistung an, dem Körper wird Wachheit und Energiegeladenheit vorgetäuscht, was langfristig zu einer Überforderung führen kann. Wer jeden Morgen Kaffee als Muntermacher gebraucht, auch wenn es "nur" ein bis zwei Tassen sind, benützt das Genußmittel als Krücke, da der Körper nicht aus eigener Kraft heraus wach wird. Sinnvoller ist es, die Grundursache der morgendlichen Müdigkeit zu erkennen und zu beheben. Ein weiteres wichtiges Argument gegen den Kaffee-Dauergenuß: Er übersäuert den Organismus. "Das populärste Getränk der Deutschen ist einer der Gründe, warum sie auch so ‚sauer' sind," heißt es in einem Buch über den Säure-Basen-Haushalt. Schuld daran sind Röststoffe und Gerbsäuren. Deshalb ändert auch das Trinken von entkoffeiniertem Kaffee daran nichts. Wer seinen Säure-Basen-Haushalt im Gleichgewicht halten möchte oder sich – weil er bereits krank ist – basenbetont ernähren muß, für den ist regelmäßiger Kaffeekonsum tabu. Welche Alternativen gibt es? Getreidekaffee ist aus Sicht der Vollwerternährung eine empfehlenswerte Alternative zu den braunen Bohnen, zumindest enthält er kein Koffein und deutlich weniger Gerbsäuren. Das Angebot an "Ersatzkaffee" aus geröstetem Getreide, Zichoriewurzeln, Feigen und/oder Eicheln ist inzwischen sehr breit und vielfältig in den Geschmacksnoten. Ausprobieren verschiedener Sorten lohnt sich. Allerdings enthält auch Getreide-, Wurzel- oder Fruchtkaffee viele Röststoffe. Also muß auch hiermit Maß gehalten werden. Frei von Röststoffen, daher magenfreundlich, aber koffeinhaltig sind Schwarz- und Grüntee. Zwar gilt auch Schwarztee als Säurebildner, er ist insgesamt jedoch verträglicher. Das Koffein wird nicht so "schockartig" im Organismus freigesetzt, so daß eine eher stetige, aber sanftere Stimulation zu erwarten ist. Ist er ein "Flüssigkeitsräuber"? Koffein steigert die Durchblutung der Nieren, was zu einer erhöhten Harnmenge führt. Versuche zeigen, daß nach dem Genuß einer Tasse Kaffee etwa zwei Tassen Flüssigkeit ausgeschieden werden. Wird nicht ausreichend Wasser getrunken, kann dies zu einem Flüssigkeitsdefizit im Körper führen. Auch trockene Haut kann die Folge sein. Ratsam ist es deshalb, wie in südlichen Ländern üblich, zu jeder Tasse Kaffee ein Glas Wasser zu trinken. Erhöht er das Cholesterin? Im Kaffee (auch im entkoffeinierten) sind Fettsäuren enthalten, die sich bei der Herstellung des Getränkes aus dem Pulver lösen. Aus Kaffeepulver, das mit kochendem Wasser übergossen wird, lösen sich mehr von diesen Fettsäuren als bei in der Kaffeemaschine zubereitetem Kaffee – bei dieser Methode wird das Wasser nicht ganz so stark erwärmt. Bei erhöhten Cholesterinwerten empfiehlt es sich, gefilterten Kaffee zu bevorzugen. Papierfilter können etwa 80 Prozent der cholesterinerhöhenden Fettsäuren zurückhalten. Weniger empfehlenswert ist die Zubereitung des braunen Getränkes wie in skandinavischen oder südlichen Ländern üblich. Dabei wird Wasser mit dem Kaffeepulver aufgekocht und nach dem Absetzen der festen Bestandteile zu sich genommen. Erhöht er den Blutdruck? Versuche ergaben, daß Kaffeetrinken den Blutdruck teilweise erhöhen kann, aber nicht immer. Eine Rolle scheint dabei zu spielen, ob der Konsument nur gelegentlich oder regelmäßig das heiße Getränk zu sich nimmt. Bei Gewohnheitskaffeetrinkern wird der Blutdruck durch das Koffein eher nicht beeinflußt. Bei unregelmäßigem Kaffeegenuß dagegen erhöht er sich. Ein generelles Kaffeeverbot bei Bluthochdruck muß deshalb nicht ausgesprochen werden. Es kann jedoch eine individuelle Unverträglichkeit gegenüber Koffein bestehen. Wer eine Erhöhung des Blutdrucks nach Kaffeegenuß feststellt, sollte auf entkoffeinierten oder noch besser auf Getreidekaffee zurückgreifen. Macht Kaffee süchtig? In gewisser Weise schon, denn der Körper gewöhnt sich an das Koffein, man muß immer mehr davon einnehmen, um den gleichen anregenden Effekt zu erzielen. Unter Wissenschaftlern ist diese Antwort zwar umstritten. Doch welch starke Wirkung Kaffee hat, und wie abhängig man davon geworden ist, das zeigt sich manchmal erst, wenn man ihn absetzt: "Entzugserscheinungen" wie tagelanger Kopfschmerz sind nicht ungewöhnlich, in Studien wurden bei Kaffee-Entzug sogar Depressionen registriert. Schadet er dem Embryo? Das Koffein erreicht über den Blutkreislauf den Mutterkuchen in der Gebärmutter. Untersuchungen deuten darauf hin, daß eine Aufnahme von mehr als 300 mg Koffein (etwa drei Tassen Kaffee) am Tag das Wachstum des ungeborenen Kindes verzögert. Eine gewohnheitsmäßige und hohe Koffeinaufnahme fördern Fehlentwicklungen beim ungeborenen Kind. Untersuchungen zeigen, daß die Aufnahme von mehr als drei Tassen des Röstgetränkes das Risiko für Fehl- und Frühgeburten erhöht. Laut anderen Forschungen steigt das Risiko bereits ab 120 Milligramm Koffein am Tag, was etwa 1,2 Tassen entspricht. Gelegentliches und mäßiges Kaffeetrinken während der Schwangerschaft scheint dagegen keinen Einfluß auf die Entstehung von Mißbildungen zu haben. Entkoffeinierter Kaffee ist laut einer amerikanischen Untersuchung keine Alternative, da sich bei einer hohen Aufnahme die Fehlgeburtenrate während der ersten drei Schwangerschaftsmonate erhöht. Besser ist es deshalb, Kaffee vor allem in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft zu meiden. Ist Koffeinfreier wirklich frei? Auch in so genanntem koffeinfreien Kaffee ist ein Rest der anregenden Substanz enthalten. Der Zusatz "entkoffeiniert" darf dann auf das Etikett der braunen Bohnen, wenn weniger als 0,1 Gewichtsprozent Koffein enthalten ist. Kaffee weist üblicherweise ein bis zwei Prozent des Alkaloids auf. Für das zubereitete Getränk bedeutet dies, daß in einer Tasse entkoffeiniertem Kaffee etwa fünf Milligramm der anregenden Substanz enthalten sind, im Gegensatz zu einer normalen Tasse Kaffee mit etwa 100 Milligramm. Im Vergleich dazu weisen eine Tasse Schwarztee circa 60 und ein Glas Cola 45 Milligramm auf. Um den Bohnen das Koffein zu entziehen, dürfen sie vor dem Rösten mit leicht flüchtigen Lösungsmitteln behandelt werden. Entkoffeinierter Röstkaffee kann daher bis zu zehn Milligramm organisches Lösungsmittel pro Kilogramm enthalten. Wer auf solche Rückstände "verzichten" möchte, sollte auf den Zusatz "Mit Kohlensäure entkoffeiniert" achten oder Biokaffee kaufen. Denn bei den ökologischen Lebensmittelverbänden ist die Anwendung von Lösungsmitteln zur Entkoffeinierung verboten. Cappuccino und Espresso? Es gibt verschiedene Röstgrade der Bohnen, nämlich helle, mittlere und dunkle Röstung. Die Röstung beeinflußt den Geschmack des Getränkes ebenso wie die Sortenauswahl. Für normalen Kaffee werden je nach Firma unterschiedliche Kaffeesorten gemischt und hell bis mittel geröstet. Für Cappuccino nimmt man meist dunkler geröstete Bohnen. Die Unterscheidung zwischen Kaffee und Cappuccino liegt auch in der Zubereitung. Für letztere Variante wird die Tasse nur zu zwei Dritteln gefüllt und dann nach italienischer Art mit zu Schaum geschlagener Milch aufgefüllt. In Deutschland bevorzugt man steif geschlagene Sahne. Inzwischen gibt es Cappuccino als lösliches Pulver. Dabei ist Vorsicht geboten. Der süße Geschmack verrät den Zusatz von Zucker. Für Espresso werden ebenfalls dunkel geröstete Bohnen bevorzugt. Der Name bedeutet übersetzt "unter Druck gesetzt", was auf die spezielle Zubereitung hinweist. Espressomaschinen sind so konzipiert, daß sie kochendes Wasser und Wasserdampf durch das Pulver hindurchpressen. Die Folge ist ein intensiveres Aroma als bei normalem Kaffee. Reizt er den Magen? Im Röstkaffee stecken Substanzen, die bei empfindlichen Personen Magenreizungen und Sodbrennen hervorrufen können. Kaffee "lockt" die Magensäure und sollte daher bei Neigung zu Reizmagen, Gastritis sowie bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren gemieden werden. Kaffeefirmen bieten reizarmen Schonkaffee an. Dazu unterzieht man die rohen Kaffeebohnen einem Wasserdampfverfahren, um bestimmte reizauslösende Säuren und Bitterstoffe abzubauen. Bei einem empfindlichen Magen stellt oft auch Espresso eine Alternative zu normalem Kaffee dar. Denn dafür werden säurearme Bohnen ausgewählt. Zusätzlich senkt die spezielle Zubereitung den Gehalt an bestimmten Reizstoffen. Für Magenempfindliche empfiehlt sich außerdem "Café au lait": Der Zusatz von viel Milch bindet die reizenden Substanzen. Fördert er den Schlaf? Ja, aber das ist eher die Ausnahme! Koffein wirkt prinzipiell anregend auf das Zentralnervensystem und damit schlafraubend. Wer selten Kaffee zu sich nimmt, bei dem hat das schwarze Getränk meist eine intensivere aufputschende Wirkung als bei Gewohnheitskaffeetrinkern. Die stimulierende Wirkung des Koffeins kann bei Daueraufnahme nachlassen. Warum Kaffee den Schlaf fördern kann – bekannt ist dies unter anderem bei älteren Menschen –, dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Einige Wissenschaftler führen die schlaffördernde Wirkung darauf zurück, daß Koffein das Gehirn stärker durchblutet und damit auch das Schlafzentrum. Kaffeegenuß führt außerdem anfänglich zu einer kurzzeitigen Entspannungsphase. Bei Menschen, die Kaffee als Schlummertrunk gebrauchen, scheint diese Phase besonders ausgeprägt zu sein. Fördert er die Osteoporose? Durch die verstärkte Harnbildung scheidet der Organismus vermehrt Kalzium über die Nieren aus. Diese Wirkung fördert besonders dann Osteoporose, wenn gleichzeitig über die Nahrung wenig von diesem Mineralstoff aufgenommen wird. Wer gerne Kaffee trinkt, sollte deshalb Wert auf kalziumreiche Lebensmittel wie Sesam und Mandelmus, grünes Gemüse, Wild und Gartenkräuter sowie Milch, Joghurt, Käse legen. Um Osteoporose vorzubeugen, ist es außerdem ratsam, Kaffee nicht direkt nach einer Mahlzeit zu trinken, er behindert die Kalziumverwertung. Was ist Transfair-Kaffee? Viele kleinbäuerliche Familien in sogenannten Dritte-Welt-Ländern sind vom Anbau des Kaffees abhängig und damit vom Weltmarktgeschehen. Da der Preis für die braunen Bohnen in den letzten Jahrzehnten stark gesunken ist, verdienen Kaffeebauern immer weniger. Während 1950 pro Pfund Kaffee im Durchschnitt 14,40 DM bezahlt werden mußte, waren es 1998 noch 9,80 DM, heute liegt der Kilopreis bei etwa 6 Euro. Um einen gerechteren Handel aufzubauen und damit der Armut von Menschen zu begegnen, schlossen sich verschiedene Organisationen wie Unicef, Misereor und Welthungerhilfe zusammen. Gemeinsam entwickelten sie eine alternative Vermarktungsstrategie. Dabei wird den Bauern ein Mindestpreis garantiert, der oberhalb des Weltmarktpreises liegt. Außerdem erhält der Erzeuger langfristige Abnahmegarantien, einen Preiszuschlag für soziale Einrichtungen, der der Kooperative zugute kommt, sowie eine Vorausbezahlung. Für den Kaffeekonsumenten ergibt sich dadurch ein Mehrpreis von etwa 1,50 € pro 500 Gramm. Erkenntlich ist der fair gehandelte Kaffee am Transfair-Siegel. Es gibt ihn in Biogeschäften, in Dritte-Welt-Läden und in Supermärkten zu kaufen. Weiterführende Literatur: - A. HeßmannKosaris: Kaffee: Nicht die Bohne ungesund, Mosaik, München 2000 - K. und R. Possin: Essen Sie sich gesund, Hugendubel, München 2000 - Trautwein LexikonEdition (Hrsg.): Kaffee von A – Z, Compact, München 2000 Dipl. oec. troph. Karin Possin studierte Ernährungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Ausbildung und Beratung. Sie leitet Ernährungskurse, hält Vorträge und gibt Einzelberatungen. Infos unter: www.Possin.com Lecker oder Laster – oder beides? Gesundheitsbewußt jedenfalls ist es, den Unterschied zwischen gelegentlichem "Genuß" und regelmäßigem "Konsum" von Kaffee zu beachten. Wo kommt er her und warum heißt er so? Nicht genau geklärt ist, woher der Name Kaffee stammt. Einige Wissenschaftler vermuten von Kaffa, einer äthiopischen Provinz, die als Ursprungsgebiet der Pflanze gilt. Andere gehen davon aus, daß es sich von dem arabischen Wort "Kahwa" ableitet, das sich mit Stärke oder Lebenskraft übersetzen läßt. Voraussetzung für das Wachstum des Kaffeebaumes ist ein feuchtwarmes, subtropisches bis tropisches Klima. Die Anbaugebiete liegen deshalb in Mittel- und Südamerika, in Afrika sowie in Asien. Die Ernte erfolgt hauptsächlich zwischen Dezember und März. Gepflückt werden die Früchte per Hand. Die Kaffeepflanzen bringen rote oder gelbe Früchte hervor, in deren Inneren in der Regel zwei Samen eingebettet sind. Nach Entfernung des Fruchtfleisches erhält man die beiden mattgrünen Bohnen. Im Rohzustand sind die Samen ungenießbar. Durch das Rösten bei 200 bis 230° C für bis zu zehn Minuten erhalten sie ihre braune Farbe und den unverwechselbaren Geschmack. Es gibt zwei Kaffeepflanzenarten, die von weltwirtschaftlicher Bedeutung sind: Coffea Arabica und Coffea Canephora, die auch als Robusta bezeichnet wird. Erstere weist einen feinen, milden Geschmack auf, letztere einen herben und intensiveren. Von beiden Arten gibt es unzählige Sorten. Jeder Kaffeeröster komponiert seine Spezialmischung aus verschiedenen Bohnen sowie seinem eigenen Röstverfahren. Deshalb schmeckt jede Kaffeemarke unterschiedlich.
Dipl. oec. troph. Ursula Lenz

Brot ist nicht gleich Brot – Mit Laib und Seele Vollkornbrot

Ob Weißbrot, Grau- oder Schwarzbrot, Mischbrot, Mehrkornbrot oder Vollkornbrot – in Deutschland gibt es über 300 verschiedene Brotsorten. Der Bäcker verarbeitet aber heute nicht mehr nur Mehl, Wasser, Salz, Sauerteig und Hefe. Bei der weitgehend industriellen Fertigung von Backwaren werden eine Reihe fragwürdiger Backhilfsmittel und Fertigmischungen verwendet. Häufig wissen weder Bäcker noch Verbraucher, was im fertigen Brot wirklich drin ist. Grund genug, beim Brotkauf genauer hinzuschauen oder sich sein Brot selbst zu backen. Brot ist für den Menschen seit Jahrtausenden ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Die alten Ägypter entdeckten durch Zufall, daß warmgehaltener Fladenteig aufgeht und säuert – die Ära des Brotbackens begann. Die Kunst der Brotherstellung kam über Israel und Griechenland nach Rom. Die Römer brachten das Brot nach Mitteleuropa. Dort verdrängte es etwa im 8. Jahrhundert den üblichen Gerstenbrei und wurde zum Hauptnahrungsmittel. Traditionell sind nur wenige Zutaten erforderlich: Mehl, Wasser, Salz, Sauerteig und/oder Hefe. Roggen, Weizen und regional auch Dinkel sind die typischen Brotgetreide mit den besten Backeigenschaften. Sie können auch mit anderen Getreidearten wie Hafer, Hirse, Gerste oder auch mit Mais kombiniert werden. Backhefe und Sauerteig sind natürliche Triebmittel Das richtige Triebmittel ist entscheidend für das Gelingen des Brotes. Während bei Weizenbroten Backhefe als Lockerungsmittel ausreicht, benötigen Roggenmahlerzeugnisse eine Säurezugabe. Sie erfolgt seit Jahrhunderten in Form von Sauerteig, der neben Mehl und Wasser essig-, zitronen- und milchsäurebildende Bakterien sowie Sauerteighefen enthält. Die Säurebakterien sind wichtig für die Backfähigkeit von Roggenmehl und bilden Aromastoffe. Die Sauerteighefen lockern den Teig. Die klassische Drei-Stufen-Sauerteig-Führung ist zeitaufwendig und erfordert Fingerspitzengefühl. Manche konventionellen Bäcker überlassen hier nichts dem Zufall und verwenden den sogenannten Kunstsauer. Er besteht aus Zitronen und Milchsäure, Emulgatoren, Phosphaten und anderen Zusatzstoffen. Damit wird nicht nur die Säuerung erleichtert und erheblich verkürzt, auch erhöht sich die Brotausbeute und damit die Anzahl der Brote aus einer bestimmten Mehlmenge. Einsatz von Kunstsauer und Enzymen bedenklich Der Einsatz von Kunstsauer ist besonders bei Vollkornbroten ungünstig zu bewerten. Die in den Randschichten des Getreidekorns enthaltene Phytinsäure bindet Mineralstoffe. Während einer längeren Sauerteigführung werden getreideeigene Enzyme aktiviert, die einen Großteil des Phytins abbauen. Die so frei werdenden Mineralstoffe sind nun für den Menschen verfügbar. Bei der verkürzten Teigführung mit Kunstsauer erfolgt kein Abbau von Phytinsäure. Wertvolle Mineralstoffe bleiben so gebunden, was den ernährungsphysiologischen Wert dieser Vollkornbrote mindert. Ein weiterer Nachteil der Verwendung von Kunstsauer ist die fehlende Bildung brottypischer Aromastoffe, die bei der Sauerteigführung entstehen. Hier sollen zugesetzte Enzyme dem Geschmack ein wenig nachhelfen. Die künstliche Anreicherung des Mehls mit Enzymen hat jedoch zu einem deutlichen Anstieg von Bäckerasthma und Allergien bei den Bäckern geführt. Traditionelles Bäckerhandwerk bleibt also in vielen herkömmlichen Bäckereien auf der Strecke. Dafür bietet die Backmittelindustrie den Bäckern ein großes Sortiment an Helfern an, die für gleichbleibende Qualität sorgen sollen. "Brot aus der Tüte" enthält jede Menge Zusatzstoffe Neben dem Kunstsauer sind die zahlreichen Backmittel und Fertigbackmischungen bei der Brotherstellung besonders beliebt. Das "Brot aus der Tüte" liefert alle haltbaren Backzutaten und muß nur noch mit Wasser angerührt werden. Die darin enthaltene Backmittelmischung verkürzt die Gär- und Backzeiten, erleichtert die Teigverarbeitung (der Teig klebt nicht in der Maschine), erhöht die Teigausbeute, bildet Aroma- und Geschmacksstoffe und vermeidet Backfehler. Backmittel sollen die Qualitätsschwankungen der natürlichen Rohstoffe, vor allem von Getreide, ausgleichen und damit für kalkulierbare Broteigenschaften und ein gleichförmiges Aussehen der Endprodukte sorgen. Die Teigbereitung, die traditionell einige Stunden dauert, wird durch Backmittel auf wenige Minuten verkürzt. Künstliche Backmittel machen bis zu 10 Prozent und mehr aus Backmittel sind Mischungen aus Lebensmitteln, Lebensmittelbestandteilen, Zusatzstoffen und Enzymen. Bezogen auf die Mehlmenge liegt der Anteil der Backmittel bei der Teigherstellung unter zehn Prozent. Liegt er darüber, spricht man von Backmischungen. Backmittel können folgende Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile enthalten: Getreideerzeugnisse: Mehle, Getreidestärken, Quellstärken, Malzmehl, Malzextrakt und Weizeneiweiß Zuckerstoffe: Haushaltszucker, Traubenzucker, Invertzucker und Milchzucker Milcherzeugnisse: Vollmilch, Magermilchpulver, Buttermilchpulver, Joghurtpulver, Molkenpulver und Milcheiweiß Sonstige Bestandteile: Sojamehl, Sojaeiweiß, Kartoffelquellmehl, Maniok, Ballaststoffe, tierische sowie pflanzliche Fette und Öle. Als Zusatzstoff-Klassen sind zugelassen: Säureregulatoren, Säuerungsmittel, Mehlbehandlungsmittel, Antioxidationsmittel, Emulgatoren, Trennmittel, Verdickungsmittel, Stabilisatoren und Konservierungsmittel. Beispiele für die Wirkungsweise verschiedener Zusatzstoffe: Carboxymethylcellulose wird als Verdickungsmittel und Stabilisator eingesetzt. Es erhöht die Wasserbindung in Teigen und hält die Gebäckkrume länger frisch. Ascorbinsäure (Vitamin C) dient als Mehlbehandlungsmittel. Sie vergrößert das Teigvolumen und verbessert die Backfähigkeit von Weizenmahlerzeugnissen. Früher erfolgte die natürliche Reifung des Mehls über mehrere Wochen in Jutesäcken. Mit Hilfe von Vitamin C erhalten Weizenmehle heutzutage bereits zwei Tage nach der Herstellung ihre optimale Backfähigkeit. An Enzymen können künstlich zugesetzt sein: Amylasen, Proteinasen, Cellulasen, Lipoxigenasen, Glucoseoxidase und Pentosanasen. Ein Beispiel für die Wirkungsweise von Enzymen: Amylasen bilden Zuckerstoffe aus Mehlstärke, verbessern die Gebäcklockerung, erhöhen das Gebäckvolumen und verzögern das Altwerden von Brot. Längst nicht alle Zusatzstoffe müssen deklariert werden Die einzelnen Zutaten der Backmittel beziehungsweise Fertigbackmischungen sind dem Kunden und oft auch dem Bäcker selbst nicht bekannt. Backmittel gelten im Sinne der Lebensmittel-Kennzeichnungs-Verordnung als zusammengesetzte Zutat, werden also in der Zutatenliste nur als Backmittel deklariert, ohne Nennung der einzelnen Zutaten. Lediglich die im Enderzeugnis wirksamen Zusatzstoffe müssen aufgeführt werden (mit Klassennamen und E-Nummern), Enzyme sind deklarationsfrei. Bei unverpackt verkauftem Brot ist keine Zutatenliste erforderlich. Aufgrund wirtschaftlicher Zwänge sehen sich vor allem Kleinbetriebe zum Einsatz von Backmischungen gezwungen. Nur so können sie dem Kunden ein möglichst breites Angebot bieten. Vielleicht sollten wir daher als Käufer unsere Erwartungshaltung verändern. Der Wunsch, bereits früh morgens beim Bäcker aus verschiedenen Sorten Brot, Kleingebäck und süßen Teilchen wählen zu können – und dies möglichst preisgünstig – macht industrielle Helfer unerläßlich. Nur so lassen sich Backwaren mit möglichst wenig Personal und geringem Arbeitsaufwand herstellen. Die standardisierten Backmethoden verdrängen jedoch zunehmend die regionaltypischen Brotsorten. Ein Brot darf nach dem Lebensmittelrecht als Vollkornbrot bezeichnet werden, wenn der Anteil an Vollkornerzeugnissen mindestens 90 Prozent beträgt. Für die restlichen zehn Prozent können auch Auszugsmehle verbacken werden. Vollkornerzeugnisse enthalten alle Bestandteile des Korns, einschließlich Keim und den Randschichten. Es kann Vollkornmehl, aber auch Vollkornschrot verbacken werden. Für viele Kunden bedeutet Vollkorn gleich Vollwert. In manchen Fällen erweist sich dies als Trugschluß. Denn die Backmittelindustrie bietet ebenfalls Fertigbackmischungen für Vollkornbrot mit zahlreichen Zusatzstoffen an. Auch wenn das Getreide dafür teilweise aus dem Bio-Anbau stammt, handelt es sich nicht um vollwertige Lebensmittel. Nicht immer leicht zu finden: Die "richtige" Bäckerei Wer als Kunde sicher gehen will, fragt bei seinem Bäcker nach oder sucht sich eine Bäckerei, die damit wirbt, das Getreide selbst zu mahlen und mit Natursauerteig zu backen. Das wird hauptsächlich in Bio-Bäckereien praktiziert. Sie verwenden nur Zutaten aus kontrolliertbiologischem Anbau. Das Getreide wird in der Regel frisch gemahlen. Fast alle deutschen Bio-Bäcker richten sich nach den Verarbeitungsrichtlinien der AGÖL (Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau). Sie geben vor, was neben Mehl, Salz und Wasser noch im Brot enthalten sein darf. Bei vielen konventionellen Bäckern hängt der Backerfolg von den verwendeten Backmitteln ab. Beim Bio-Bäcker tragen Fachwissen, handwerkliches Können und Zeit entscheidend zum Gelingen bei. Als Triebmittel dient bei Weizen und Dinkelbroten Hefe, wenn verfügbar Öko-Hefe. Bei Roggenbroten wird Natursauerteig oder Backferment eingesetzt. Backferment, eine Mischung aus Getreide, Hülsenfrüchtemehl und Honig führt auch zu einer Gärung des Teiges und wird hauptsächlich von Bio-Bäckern verwendet. Mit der richtigen Rezeptur und dem geschickten Einsatz technologischer Mittel (langsames und ausreichendes Kneten) können so Brote ohne Backmittel hergestellt werden. Vollkornbrot besteht bei Öko-Bäckern meist aus 100 Prozent Vollkornerzeugnissen. Warum Vollkornbrot einfach gesünder ist Mehle werden nach ihrem Ausmahlungsgrad und ihrer Typenzahl unterschieden. Der Ausmahlungsgrad gibt den Gewichtsanteil des beim Vermahlen von Getreide gewonnenen Mehls an. Vollkornmehl hat einen Ausmahlungsgrad von 100 Prozent, da alle Bestandteile des Getreidekorns vermahlen wurden. Der Ausmahlungsgrad von hellem Mehl liegt nur bei etwa 60 Prozent, da die Randschichten und der Keim fehlen. Sie werden auch als Auszugsmehle bezeichnet. Je höher der Ausmahlungsgrad, desto höher ist der Anteil an Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen, das Mehl ist dunkel. Mehltypen geben an, wie viel Milligramm (mg) Mineralstoffe in 100 Gramm Mehl enthalten sind. 100 Gramm weißes Mehl Type 405 liefert 405 Milligramm Mineralstoffe. Vollkornmehl beziehungsweise -schrot wird nicht in Typen eingeteilt, würde aber in etwa der Mehltype 2000 entsprechen. Je höher die Mehltype, desto mehr Inhaltsstoffe sind enthalten. In Broten aus Vollkornerzeugnissen oder dunklem Mehl ist der Gehalt an Mineralstoffen und Vitaminen am höchsten. Gleiches gilt für Ballaststoffe. Ihr Anteil in Auszugsmehlen liegt nur noch bei 15 Prozent im Vergleich zum ganzen Getreidekorn. Vollkornbrote können die Nährstoffversorgung verbessern und sind wichtige Lieferanten für Ballaststoffe. Brot aus Vollkornmehl ist allgemein bekömmlicher als aus Vollkornschrot. Vollkornbrote aus Weizen sind besser verträglich, wenn sie mit Natursauerteig anstelle von Hefe gebacken wurden. Treten allerdings trotzdem Probleme mit der Bekömmlichkeit auf, sollten Brote aus dunklem Mehl bevorzugt werden. Und wer Appetit auf ein helles Brötchen hat, sollte auch das ab und zu genießen. Für Allergiker ist es wichtig, sich nach möglichen Backmitteln im Brot zu erkundigen. Vorsicht Mogelpackungen: Tips für den Broteinkauf Mehrkornbrote sind nicht automatisch mit Vollkornbroten gleichzusetzen. Sie müssen Mehle aus mindestens drei verschiedenen Getreidearten wie zum Beispiel beim Dreikornbrot enthalten. Bei konventionellen Bäckern handelt es sich dabei häufig um Mehle mit niedriger Typenzahl. Wohlklingende Brotnamen und bunte Aufkleber deuten darauf hin, daß der Bäcker mit Fertigmischungen arbeitet. Darunter fallen in den meisten Fällen auch die eben erwähnten Mehrkornbrote. Kaufen Sie Brot besser frisch und am Stück. Verpacktes Schnittbrot ist konserviert. Meist erfolgt dies durch Erhitzen (Pasteurisieren), in einigen Fällen sind Konservierungsstoffe enthalten. Die Krume von Vollkornbrot reagiert auf Fingerdruck fest und ist mit Ausnahme von Pumpernickel eher graubraun. Brot mit einer dunkelbraunen Krume, die elastisch bei Druck nachgibt, kann gefärbt sein. Backschrotbrote wie beispielsweise Weizenschrotbrot sind keine Vollkornbrote. Beim Backschrot wurde der fetthaltige Keim aus Gründen der Haltbarkeit bereits in der Müllerei abgetrennt. Mahlt der Bäcker sein Getreide selbst, spricht vieles dafür, daß er echtes Vollkornbrot bäckt. Weiterführende Literatur: v. Koerber, Männle, Leitzmann: Vollwert-Ernährung, Haug, Suttgart 1999 Backmittelinstitut e. V. (Hrsg.): Die Bestandteile von Backmitteln für Brot und Kleingebäck, Bonn 2000; Bestelladresse: Markt 9, 53111 Bonn, Tel. 02 28/ 96 97 70 Selbst gebacken schmeckt Brot am besten Zugegeben, manche Rezepte erfordern etwas Geduld und Übung. Doch es lohnt sich, denn das eigene Brot ist etwas Besonderes. Für das Gelingen sind hochwertige Zutaten wichtig, die selbst zusammengestellt werden können. Wenn möglich, Mehl beziehungsweise Schrot frisch mahlen. Beginnen Sie die Backversuche mit Hefeteigbroten. Liegt der Anteil an Roggenmahlerzeugnissen über der Hälfte, ist Sauerteig (selbst ansetzen oder vom Bäcker holen), aber auch Backferment (in Naturkostläden, Reformhäusern oder Mühlen erhältlich) als Triebmittel erforderlich, das zu Beginn dem Teig zugegeben wird. Das gründliche und ausreichend lange Kneten ist entscheidend, damit der Teig sich aufblähen kann und locker wird. Die Teigoberfläche soll glatt und trocken, nicht jedoch klebrig sein. Anschließend erfolgt eine längere Teigruhe. Das Brot im vorgeheizten Backofen möglichst bei Ober- und Unterhitze und hoher Anfangstemperatur backen, damit sich schnell die Kruste bildet und die Teigoberfläche geschlossen ist. Danach die Temperatur drosseln. Während des Backvorgangs eine feuerfeste Schale mit Wasser in den Backofen stellen, damit die Brotoberfläche nicht trocken und rissig wird. Kastenbrote sofort nach dem Backen aus der Form nehmen. Brote erst nach dem vollständigen Abkühlen anschneiden, auch wenn man es nicht erwarten kann. Die Krume ist sonst noch klebrig. Verhältnismäßig einfach ist das Backen mit Brotbackautomaten, die zur Zeit sehr beliebt sind. Für Vollkornbrote, speziell Roggenvollkornbrote, sind sie allerdings nur bedingt geeignet. Brotrezept: 600 g Roggenvollkornmehl 700 g Weizenvollkornmehl 100 g Sonnenblumenkerne 500 ml Buttermilch 500 ml warmes Wasser 1 Würfel (Bio)Hefe 2 TL Salz, evtl. Gewürze Mehle mit Sonnenblumenkernen und Salz mischen. Wasser zur Buttermilch geben, die Hefe darin auflösen und die Flüssigkeit zum Mehl gießen. Den Teig etwa 10 Minuten kräftig durchkneten und mind. 1 Stunde gehen lassen. Nach nochmaligem Durchkneten auf 2 Kastenformen verteilen. Oben längs einschneiden, nochmals etwas gehen lassen und im vorgeheizten Backofen mit Ober- und Unterhitze bei 200° C ca. 75 Minuten backen. Dipl. oec. troph. Ursula Lenz Ernährungswissenschaftlerin, ist seit 1990 Fachdozentin an der Sebastian-Kneipp-Akademie in Bad Wörishofen. Dort leitet sie Ernährungs-Seminare und unterrichtet Multiplikatoren in verschiedenen Weiterbildungen sowie beim Fernstudium zum Gesundheitspädagogen. Ferner ist sie bei Gesundheitsprojekten des Kneipp-Bundes beteiligt.
Prof. Dr. rer. nat. Claus Leitzmann

Typ-2-Diabetes – Richtig essen ist die beste Therapie

Wenn das blutzuckersenkende Hormon Insulin seine Wirkung verliert oder nicht mehr in ausreichender Menge in der Bauchspeicheldrüse produziert wird, erhöht sich der Glukosegehalt im Blut und sinkt nach den Mahlzeiten nur noch stark verzögert ab. Mit bewußter und angepaßter Ernährung kann man der gefährlichen Zuckerkrankheit nicht nur sehr gut vorbeugen, sondern sie auch wirksam behandeln. Der richtige Speiseplan und körperliche Aktivität sind der Weg zu einem gesunden und entspannten Leben mit und trotz Diabetes-Typ-2. Ständiger Durst und Harndrang, Abgeschlagenheit, Gewichtsabnahme und Juckreiz weisen auf einen entgleisten Diabetes mellitus (lat. süßes Ausscheiden) hin. Durch die Auswirkungen des Diabetes auf innere Organe sind die Betroffenen damit auch Hochrisikopatienten für Herz- und Gefäßerkrankungen. Etwa jeder zwölfte Deutsche ist mittlerweile von der sich dramatisch ausbreitenden Zuckerkrankheit Diabetes mellitus betroffen, in vielen Fällen unerkannt und unbehandelt. Von 1960 bis 1989 hat sich die Zahl der Diabetes-Diagnosen in Deutschland verachtfacht, wobei auch immer mehr jüngere Menschen vom "Altersdiabetes" Typ 2 betroffen sind. Das Hormon Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet. Bei einem Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit wird es verstärkt in die Blutbahn ausgeschüttet. Es senkt den Blutzuckerspiegel auf ein unschädliches Maß von 70115 Milligramm pro Deziliter Blut (mg/dl) bei Gesunden. Man unterscheidet heute vor allem zwei Diabetes-Typen: Der Typ-1-Diabetes ist erblich bedingt und auf immunologische Faktoren zurückzuführen. Er beginnt meist vor dem 20. Lebensjahr und geht mit einer Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse einher. Betroffen sind in Deutschland etwa 0,2 Prozent der Bevölkerung mit steigender Tendenz. Es handelt sich um überwiegend schlanke Menschen, die aufgrund eines absoluten Insulinmangels lebenslang Insulin-Injektionen benötigen. Beim Typ-2-Diabetes, um den es in diesem Beitrag vor allem geht, ist zunächst ausreichend Insulin vorhanden. Allerdings verliert das Insulin – vor allem durch ein Übermaß an Fettgewebe – zunehmend seine Wirkung bzw. reicht nicht mehr aus. Die Insulinproduktion steigt als Reaktion zunächst deutlich an, erschöpft sich jedoch dann immer mehr. Typ-2-Diabetes tritt meist nach dem 40. Lebensjahr auf und zu über 80 Prozent bei Übergewichtigen. Auch wenn zunächst orale Antidiabetika wie Sulfonylharnstoffe in Tablettenform eingenommen werden, entwickelt sich im Laufe der Zeit bei vielen ein insulinpflichtiger Diabetes. Konsequente Behandlung und Lebensweise entscheidend Aufgrund von Übergewicht, Fehlernährung, Bewegungsmangel und der wachsenden Zahl älterer Menschen wird der Anteil von derzeit fünf Prozent sowie einer Dunkelziffer von rund drei Prozent weiter zunehmen, wenn nicht nachhaltige Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Ohne eine konsequente und genau abgestimmte Behandlung und Ernährung, wie sie bedauerlicherweise in den meisten Fällen nicht eingehalten wird, kann es bereits innerhalb weniger Jahre zu schweren Gefäß und Nervenschäden kommen. Blutgefäße werden am stärksten geschädigt Die Schädigung kleiner Blutgefäße (Diabetische Mikroangiopathie) kann am Auge zu Netzhautschäden mit Erblindung und an der Niere bis zum vollständigen Funktionsverlust mit Dialysepflicht führen. Die Verengung größerer Gefäße (Makroangiopathie) durch Ablagerungen führt unter anderem zur koronaren Herzkrankheit mit einem hohen Herzinfarktrisiko, ferner zu Durchblutungsstörungen im Fußbereich durch Verschluß der Beinarterien. Etwa 75 Prozent aller Todesfälle bei Diabetikern sind auf begleitende Herzerkrankungen zurückzuführen. Häufig treten Diabetes mellitus, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte und Übergewicht als "Metabolisches Syndrom", auch "Tödliches Quartett" genannt, gemeinsam auf, zum Teil zusätzlich begleitet von Gallensteinen, Gicht und Fettleber (siehe auch Beitrag in Naturarzt-Ausgabe 8/2002, S.12). Sportliche Aktivität ist bei Diabetes-Typ-2 unverzichtbar Die Hauptstrategien zur Vorbeugung von Diabetes sind regelmäßige sportliche Aktivität, ballaststoffreiche, zucker- und fettarme Ernährung sowie die Vermeidung von Übergewicht. Das Risiko an Diabetes zu erkranken, kann durch sportliche Betätigung um die Hälfte reduziert werden. Sport unterstützt die Aufnahme von Glukose in die Körpergewebe, so daß der Blutzucker sinkt. Bei Typ-1-Diabetes ist eine optimale und stabile Einstellung des Blutglukosespiegels die Grundvoraussetzung für sportliche Aktivität. Die Insulininjektionen und Mahlzeiten müssen an die sportliche Belastung angepaßt werden. Auch unter Olympiasiegern gibt es Typ-1-Diabetiker, wie den Amerikaner Gary Hall, einer der weltbesten Schwimmer, der in Atlanta 1996 und Sydney 2000 jeweils zwei Goldmedaillen errang. Übergewicht ist Ursache Nummer eins Ziel jeglicher Therapie ist es, Blutzucker und Blutfettwerte optimal einzustellen, das Gewicht zu normalisieren und besonders bei Heranwachsenden, Schwangeren und Stillenden die Energiezufuhr anzupassen. Da die Mehrzahl der Typ-2-Diabetiker übergewichtig ist, steht die Körpergewichtsreduktion im Vordergrund der Therapie. Oft reicht schon eine Abnahme von wenigen Kilogramm aus, um bereits nach wenigen Wochen die Insulinempfindlichkeit des Körpers zu erhöhen und die Blutglukosewerte zu normalisieren. Parallel bessern sich dann häufig auch die erhöhten Blutfett- und Blutdruckwerte. Mit einer angepaßten Ernährungsweise könnte bei bis zu 90 Prozent der Typ-2-Diabetiker lebenslang eine medikamentöse Therapie vermieden werden. Im Einzelfall muß entschieden werden, ob ein Patient zusätzlich zur Diät eine medikamentöse Behandlung in Form von oralen Antidiabetika wie Sulfonylharnstoff oder InsulinInjektionen erhalten muß. Für Diabetiker ist eine Verteilung der Kohlenhydratzufuhr auf sechs (kleinere) Mahlzeiten pro Tag empfehlenswert. Die Diabetestherapie besteht im Idealfall aus einer Kombination von Schulung des Patienten, Ernährungsoptimierung, sportlicher Aktivität und je nach Einzelfall medikamentöser Unterstützung. Kohlenhydrate wirken sehr unterschiedlich Als Kohlenhydrate werden alle einfachen und verketteten Zucker bezeichnet, die in der Regel aus den Bausteinen Glukose (Traubenzucker) und Fruktose (Fruchtzucker) aufgebaut sind. Kohlenhydrate, die, wie die Stärke, nur aus Glukose bestehen, führen zu erheblich höheren Blutzuckerwerten als gemischte Kohlenhydrate aus Fruktose und Glukose oder aus Fruktose allein. Als Maßeinheit dient hier der Glykämische Index, der besagt, wie stark ein Lebensmittel den Blutzucker – und damit auch den Insulinbedarf – erhöht. Der Wert von 100 Prozent entspricht dabei der reinen Glukosewirkung. Während man Diabetikern früher eine mehr fett und eiweißbetonte Kost und die Reduzierung der Kohlenhydrate empfahl, wird heute für Diabetiker der gleiche Kohlenhydratanteil wie für gesunde Personen empfohlen (5060 Prozent der Nahrungsenergie). Allerdings sollten Lebensmittel mit Kohlenhydraten wie Saccharose (Haushaltszucker) oder Getreidestärke, die einen hohen Glykämischen Index aufweisen, durch solche mit niedrigem Index (siehe Tabelle) ersetzt werden. Die wenigsten wissen allerdings, daß Karotten, Cornflakes oder Weizenbrot den Blutzucker stärker erhöhen können als purer Haushaltszucker und Kartoffeln stärker als Speiseeis. Hingegen führen beispielsweise Äpfel, Joghurt, Bohnen, Linsen und Nüsse nur zu einer vergleichsweise schwachen Blutzuckererhöhung, eignen sich also besonders gut für den Speiseplan eines Diabetikers. Generell gilt trotzdem die Empfehlung, Haushaltszucker, Honig, Süßigkeiten und andere mit isolierten Kohlenhydraten gesüßte Produkte zu meiden, nicht zuletzt im Hinblick auf die Gesamtenergiezufuhr. Trockenobst sollte ebenfalls nicht in größerer Menge verzehrt werden, da es Zucker in konzentrierter Form enthält. Blutzuckersteigernde Wirkung verschiedener ausgewählter Lebensmittel im Verhältnis zu reiner Glukose (Glykämischer Index): – Glukose 100 % – Cornflakes 77 % – Honig 73 % – Karotten 71 % – Weizenbrot, weiß 70 % – Vollkornweizenbrot 69 % – Saccharose (Haushaltszucker) 65 % – Kartoffeln 62 % – Eis 61 % – weißer Reis 56 % – Bananen 53 % – Orangen 43 % – Spaghetti, weiß 41 % – Vollkornspaghetti 37 % – Äpfel 36 % – Linsen 29 % – Kidneybohnen 27 % – Milch, vollfett 27 % – Fruktose (Fruchtzuckler) 23 % – Erdnüsse 14 % Lebensmittel mit hohem Fruktoseanteil (zahlreiche Obstsorten) oder mit hohem Ballaststoffanteil wie Hülsenfrüchte und Weizenvollkornschrot weisen einen niedrigen glykämischen Index auf. Dadurch werden abrupte Blutzuckeranstiege und damit ein plötzlicher hoher Insulinbedarf vermieden. Der Verzehr von Frischkornmüsli (mit rohem Weizenvollkornschrot) ruft – wie eine Studie belegt – bei Typ-2-Diabetikern eine noch geringere Serumglukosekonzentration hervor als ein bezüglich des Kohlenhydratgehalts vergleichbares Diabetiker-Frühstück mit Mischbrot, Apfel und Diabetiker-Marmelade. Selbst bei Typ-1-Diabetes kann Frischkornbrei helfen, den Insulinbedarf zu senken. Unerhitzte Lebensmittel weisen niedrigere glykämische Indizes auf als gegarte Lebensmittel, bei denen die Stärke leichter zu Glukose abgebaut werden kann. Entscheidend sind also die Art der Kohlenhydrate sowie die Auswahl und Zubereitung der Nahrungsmittel. Zusätzlich spielen Ballaststoffe und Hemmstoffe der Kohlenhydratresorption wie Lektin eine wichtige Rolle. Besonders die löslichen Ballaststoffe wie Pektin (in Äpfeln und Zitrusfrüchten) und Guar (in Guarkernmehl) wirken sich dabei positiv auf den Verlauf des Blutzuckers aus. Da bei Diabetes vermehrt oxidative Prozesse stattfinden, die das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen weiter erhöhen, sollte im Rahmen einer Mischkost besonders auf Lebensmittel geachtet werden, die einen hohen Anteil an Antioxidantien wie Vitamin C und E, Beta-Carotin und sekundären Pflanzenstoffen enthalten. Hierzu zählen beispielsweise Paprika und Grünkohl. Tierische Fette und Eiweiße erhöhen das Herzinfarktrisiko Für die tägliche Eiweißaufnahme werden wie auch bei gesunden Personen rund 50 g bzw. 10 bis 15 Prozent der Energiezufuhr empfohlen – bezogen auf einen rund 70 kg schweren Menschen. Besonders Diabetiker mit Nierenbeteiligung sollten darauf achten, diese Werte nicht zu überschreiten. Tierisches Eiweiß sollte dann ggf. durch pflanzliche Eiweiße, zum Beispiel aus Hülsenfrüchten oder Nüssen, ersetzt werden. Wie Gesunde sollten auch Diabetiker weniger als 30 Prozent der Gesamtenergiemenge (Kohlenhydrate, Eiweiße, Fett) in Form von Fett aufnehmen. Vor allem die in tierischen Fetten enthaltenen gesättigten Fettsäuren sollten reduziert werden und nicht mehr als 10 Prozent der Gesamtenergiezufuhr betragen. Eine erhöhte Fettzufuhr verschlechtert die Blutzuckertoleranz. Es wird ferner empfohlen, Lebensmittel mit einem hohen Anteil an Transfettsäuren (z. B. kommerziell hergestellte Back- und Süßwaren und Billigmargarinen) zu meiden, da sie das Risiko der koronaren Herzkrankheit zusätzlich erhöhen können. Statt dessen sind vor allem einfach ungesättigte Fettsäuren, z. B. aus Rapsöl oder Olivenöl, empfehlenswert. Wenig Alkohol und Kochsalz, dafür viel Lebensqualität Alkohol ist auch für Diabetiker nur gelegentlich akzeptabel, jedoch nicht täglich. Da Alkohol den Blutzucker kurzfristig senkt, sollte er immer in Verbindung mit einer kohlenhydrathaltigen Mahlzeit getrunken werden, um eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) zu vermeiden. Alkohol fördert aufgrund seines hohen Energiegehalts andererseits das Übergewicht. Kochsalz erhöht bei Diabetikern das bereits bestehende Risiko von Bluthochdruck und Nierenschäden. Daher sollte es auf weniger als sechs Gramm pro Tag beschränkt werden. Eingeschränkt werden sollten dabei vor allem auch salzhaltige Lebensmittel wie Wurst und Käse. Süße Lebensmittelzusätze sind unnötig und fragwürdig Süßstoffe werden synthetisch hergestellt und in der Diabetesdiät häufig eingesetzt, um das Süßbedürfnis des Diabetikers zu befriedigen. Sie besitzen eine bis zu 500 mal höhere Süßkraft als der Haushaltszucker Saccharose, jedoch keine Kalorien. Aufgrund der nicht abschließend geklärten Wirkungen verschiedener Süßstoffe im Körper und einer möglichen verstärkten Insulinproduktion bei Typ-2-Diabetikern mit nachfolgender Appetitsteigerung sollten auch Süßstoffe nur eingeschränkt verwendet und möglichst vermieden werden. Als Alternative dient Fruktose, die jedoch in größeren Mengen (größer 20 Prozent der Gesamtenergiezufuhr) zu einer kritischen Erhöhung der Blutfettwerte führen kann. Als natürlicher Bestandteil von Obst und Gemüse ist Fruktose jedoch unproblematisch. Zuckeraustauschstoffe wie Fruktose, Mannit, Sorbit, Xylit, Isomaltit, Maltit und Laktit haben im Gegensatz zu den Süßstoffen einen ähnlich hohen Energiegehalt wie Saccharose. Bei Übergewichtigen sollten sie in die Kohlenhydratberechnung mit einbezogen werden, obwohl sie nur begrenzt blutzuckersteigernd sind. Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe sowie Süßwaren sind für Diabetiker weder sinnvoll noch notwendig und sollten daher grundsätzlich gemieden werden. Weiterführende Literatur: – E. Froesch, E. Matelli: Diabetes. 600 Frage – 600 Antworten für Typ I und Typ II, Midena, München 2001 – C. Leitzmann u. a.: Ernährung in Prävention und Therapie, Hippokrates, Stuttgart 2001 – K. v. Koerber, T. Männle, C. Leitzmann: Vollwert-Ernährung, Haug, Stuttgart 1999. Typ-2-Diabetes muß keine ernste Sache sein. Ein bewußter Speiseplan, Gewichtsnormalisierung und viel Bewegung ermöglichen ein gesundes und entspanntes Leben. Empfehlungen für Diabetiker – Gewichtsabnahme durch Reduzierung der Nahrungsenergiezufuhr bei übergewichtigen Typ-2-Diabetikern – Bevorzugen von Lebensmitteln mit hohem Ballaststoffanteil – Bevorzugen von Lebensmitteln mit niedrigem glykämischen Index und Meiden schnell resorbierbarer Kohlenhydrate und Alkohol – Verteilen der Nahrung auf sechs Mahlzeiten pro Tag – Reduzierte Fettzufuhr (besonders tierische Fette) – nicht höher als 30 Prozent der Gesamtenergiezufuhr, Proteinzufuhr von 10–15 Prozent und mindestens 50 Prozent Kohlenhydrate – Möglichst diätetische Diabetiker Lebensmittel meiden – Eingeschränkte Kochsalzzufuhr – An die Behandlung angepaßte körperliche bzw. sportliche Aktivität Tagesplan für Diabetiker: Ein Beispiel (ca. 16 BE) Erstes Frühstück: Kaffee oder Tee, Frischkornmüsli mit 20 g Getreide, 125 ml fettarmem Joghurt und gehackten Nüssen sowie ein Vollkornbrötchen oder zwei Scheiben Vollkornbrot, dünn mit Butter bestrichen, eine Scheibe Käse (30 % Fett, z. B. Edamer), Gurke und 25 g Kräuterfrischkäse Zwischenmahlzeit: Apfel oder Birne. Das Obst kann auch mit 20 g Getreide (z. B. Hirse) und Joghurt oder Milch zu einem Brei verarbeitet werden. Mittagessen: grüner Salat; 50 g Kidneybohnen, 100 g Bohnen, 150 g Mais vom Kolben, 125 ml saure Sahne, ein Teelöffel Gemüsebrühe, Salz, Koriander, Pfeffer, Petersilie und Thym ian; Pfirsich, Ananas, Heidelbeeren mit etwas Joghurt Zwischenmahlzeit: Vollkornhörnchen mit Butter, Tee Abendessen: 2 Scheiben Vollkornbrot oder Avocado mit Butter, eine Scheibe Käse (30 % Fett) oder Avocadoaufstrich, eine Scheibe Kochschinken, eine viertel Salatgurke, Oliven, Tomate, Kräuter Spätmahlzeit: 3 Aprikosen oder 200 g Erdbeeren, alternativ dazu ein Pfirsich oder Apfel oder eine Birne, dazu eine Scheibe Vollkornbrot mit Magerquark oder fettarmem Frischkäse Prof. Dr. rer. nat. Claus Leitzmann, Jahrgang 1933, Studium der Chemie, Mikrobiologie und Biochemie in den USA. Anschließend war er an Universitäten in Kalifornien und Thailand tätig. Von 1974 bis 1998 war er am Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Gießen beschäftigt, wo er seit 1979 die Professur "Ernährung in Entwicklungsländern" innehatte.
Dr. med. WolfJürgen Maurer

Minderwertigkeitsgefühle – Beachtet mich!

Menschen mit einem Minderwertigkeitsgefühl denken, daß sie selbst nicht liebenswert sind, nicht okay, nicht gut genug. Sie glauben, daß andere sie von vornherein zurückweisen würden, wenn sie wüßten, wer Sie wirklich sind. Und so geben sie sich die größte Mühe, ihr wahres Selbst hinter einer Maske zu verstecken – obwohl nichts an ihnen verkehrt ist, außer ihrem Gefühl der Angst. Doch unsere früh verinnerlichten Grundüberzeugungen lassen sich verändern. Werden Sie der Architekt Ihres eigenen Schicksals. Machen Sie sich ständig Sorgen darüber, was andere über Sie denken? Überlegen Sie stets, was in zwischenmenschlichen Situationen alles schief gehen und wie Sie sich blamieren könnten? Grübeln Sie im nachhinein darüber nach, was Sie Ihrer Meinung nach falsch gemacht haben? Versuchen Sie sich so zu verhalten, daß Sie so wenig wie möglich auffallen? Bleiben Sie lieber zu Hause als zu einer Party zu gehen, um "auf Nummer sicher zu gehen"? Haben Sie meist das Gefühl, Sie müßten Ihr Verhalten erklären, sich rechtfertigen? Fällt es Ihnen schwer, eine abweichende Meinung anderen gegenüber zu vertreten und sagen Sie oft "Ja", wenn Sie eigentlich "Nein" meinen? Dann fühlen Sie sich in sozialen Situationen wahrscheinlich häufig verspannt, unwohl, bekommen Herzklopfen, Schwindel oder Angstgefühle, fühlen sich unsicher, traurig, verstimmt. Sie sind neidisch und wütend auf andere und laufen Gefahr, all diese negativen Gefühle mit Alkohol, Drogen oder Tabakkonsum zu betäuben. Bloß keine Aufmerksamkeit auf sich lenken! All dies sind Zeichen und Symptome von Minderwertigkeitsgefühlen, geringem Selbstvertrauen und sozialer Ängstlichkeit. Diese Minderwertigkeitsgefühle führen zu Vermeidungsverhalten: Sie machen Dinge nicht mehr, die Sie eigentlich gerne tun, allein deswegen, weil es Angst auslösen könnte. Sie versuchen, Ihr Verhalten immer mehr abzusichern. Bloß keine ungewollte Aufmerksamkeit auf sich lenken! Soziale Ängstlichkeit bewirkt das Gefühl, anders zu sein als andere und zwar im negativen Sinne: Sie kommen sich weniger gut oder merkwürdig vor. Sie erwarten, daß andere Menschen Sie ignorieren oder zurückweisen. Handlungsweisen anderer interpretieren Sie falsch. Sie glauben, daß man sowieso schlecht über Sie denkt. Ständig sehen Sie sich in Gefahr, Kritik ausgesetzt zu werden. Dabei geht so viel Energie drauf, daß dies Auswirkungen auf die eigene Leistungsfähigkeit hat. Weiterhin ist es frustrierend, Teile seiner Persönlichkeit zu unterdrücken, so daß es nicht überraschen muß, wenn diese Verhaltensweisen dauerhaft zu Niedergeschlagenheit und schlechter Stimmung führen. Vorstellungen, wie man zu sein hat, hören sich so an: – Ich muß interessant oder amüsant sein, sonst mögen andere mich nicht – Ich muß alle Sachen richtig machen, wenn ich akzeptiert werden will – Wenn andere mich kennenlernen wollten, würden sie es mir mitteilen – Wenn das Gespräch nicht gut verläuft, ist es mein Fehler – Die Leute würden mich ausnutzen, wenn ich Zeichen der Schwäche zeige. "Sei doch nicht so dumm" – was Kinder fertig macht Die früheste Rückmeldung, die Sie erhielten, kam von Ihrer Familie. Die Grundbotschaft, die Sie gespeichert haben, wenn Sie später ein Minderwertigkeitsgefühl entwickeln, war größtenteils negativ: "Mach keine Unordnung! Du machst immer Sachen kaputt! Du tust nie, was man dir sagt! Du machst mich verrückt! Sei doch nicht so dumm! Ich könnte euch Kinder umbringen!" Unsere Eltern liebten uns in der Regel durchaus, häufig kam ihnen jedoch einfach das Leben in die Quere: Wie vermittelt man seinem Dreijährigen, daß er geliebt und einzigartig ist, wenn er dauernd Lippenstift auf die neue Tapete schmiert? Auch ältere Geschwister sind nicht immer förderlich für ein gutes Selbstbild. Wenn sie uns sagen, wir seien dumm, und sie sind sechs Jahre alt und wir drei, dann muß man ihnen einfach glauben. Sie haben Erfahrung. Sie kennen die Welt. Sie sind schließlich sechs! Mit Schulbeginn vermehren sich die Probleme. Es sieht wieder so aus, als wüßten alle anderen alles und wir selbst nichts. Und wieder wird verglichen. Die Lehrer ignorieren uns meistens, wenn wir das Richtige tun und gehen auf uns los, wenn etwas nicht richtig gerät. Und wieder tritt das Gefühl auf, daß man nicht in Ordnung ist. Manche Dinge werden zu groß, andere wachsen gar nicht In der Pubertät schließlich wird das Leben wirklich hart. Daß man lebt, ist bereits ungeheuer peinlich: Manche Dinge werden zu groß, andere wachsen überhaupt nicht. Währenddessen schaut man täglich fern. Im Fernsehen sieht man reihenweise begabte und attraktive Menschen, die Heldentaten vollbringen. Im Vergleich mit diesen Geschöpfen leidet unser Selbstbild noch mehr. Und dann ist da die Werbung, die uns über all die Dinge informiert, die wir unbedingt haben müssen, uns aber nicht leisten können. Die Botschaft lautet: "Wenn du das nicht hast, dann gehörst du nicht dazu, bist du nicht in Ordnung." Es gibt eine Studie, die anzeigt, daß 98 Prozent der Kinder bereits im Alter von 14 Jahren ein negatives Selbstbild haben. Sie hassen ihren Körper und fühlen sich unzulänglich und unsicher. Ob sich daraus ein Minderwertigkeitskomplex entwickelt, darüber entscheidet allein die Art des Umgangs wichtiger Bezugspersonen mit unseren Grundbedürfnissen: Von Familie und Freunden geschätzt, geliebt und akzeptiert zu werden vermittelt das Gefühl des eigenen persönlichen Werts, unseres Selbstwerts. Das bildet den Rahmen und die Bedingungen zum Aufbau von Selbstvertrauen und schafft Vertrauen in andere Menschen. Fallen Urteile jedoch zu hart, zu allumfassend oder zu beharrlich aus, erfolgen sie willkürlich und unabhängig davon, was tatsächlich passiert ist, wird das Vertrauen in uns selbst und in andere Menschen untergraben. Das gilt auch, wenn Kritik nicht durch ausreichend Lob und Anerkennung abgemildert wird. Nachdem Sie jetzt wissen, woher Ihr schlechtes Selbstbild stammt, können Sie die Schuld ja getrost auf andere abschieben oder? Falsch! Wenn wir anderen die Schuld geben, zum Beispiel den Eltern, machen wir uns zum Opfer, das keine Verantwortung trägt, und keine Möglichkeit hat, etwas zu verbessern. Aber ein negatives Selbstwertgefühl ist nicht genetisch festgelegt, nicht mit einer schwierigen Kindheit ein für allemal festgeschrieben. Gefährlich ist, was wir selbst über uns denken Die inneren Selbstgespräche, mit denen wir uns ständig täglich kommentieren, entscheiden darüber, wie wir uns fühlen. In einem Experiment habe ich einer jungen Patientin mit einer Eßstörung und deutlich mangelhaft ausgeprägtem Selbstvertrauen den Auftrag gegeben, mit Hilfe eines Kassettenrecorders einen Tag lang sämtliche Selbstgespräche aufzuzeichnen. Sie waren äußerst negativ, kritisch und abwertend. Ich fragte sie, nachdem wir einige Passagen davon gemeinsam angehört haben, was sie denn glaube, wie sich jemand fühlen werde, der sich diese Kommentare den ganzen Tag anhören müßte. Die Patientin sagte: "Na, das ist doch klar, beschissen eben, ebenso wie ich." Paradoxerweise glauben Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen, daß es besonders wichtig sei, daß andere Menschen gut von ihnen denken. Sie geben ihnen deshalb sehr viel Macht über sich und passen ihr Verhalten an. Aber das Denken anderer Menschen geht uns überhaupt nichts an! Viel wichtiger und gefährlicher ist, was wir selbst über uns denken. Das entscheidet jedenfalls über die Qualität unseres Selbstwertgefühles. Negative abwertende Botschaften verfolgen manche Menschen den ganzen Tag über, wie wenn in einer alten Schallplatte der Saphir in einer Rille festhängt und immer wieder "die Stimmen der Vergangenheit" abspult. Das ist die Stimme des sogenannten inneren Kritikers, der begierig alle Abwertungen wichtiger Bezugspersonen aufgenommen hat. Diese kritische Haltung hat ur sprünglich eine Schutzfunktion: Bevor mich andere kritisieren, werde ich mich selbst am strengsten maßregeln. Viele Menschen mit geringem Selbstwertgefühl übertreiben diese Kritik allerdings gewaltig. Alles, was schief geht, lasten sie sich selbst an, Lob aber nehmen sie nie an. Wenn mich jemand lobt, schaue ich hinter mich, ob ein anderer gemeint ist. Ich sage: "Das ist doch nichts Besonderes." Ständig lauert die Verlassenheitsangst. Wenn sie so groß wird, daß ich mir sicher bin, wieder zurückgewiesen zu werden, kann das auch zu einem abweisenden Beziehungsstil führen. Ich verleugne meine Grundbedürfnisse nach Nähe zu anderen Menschen, isoliere mich nach dem Motto: "Ich brauche niemanden". Dann habe ich gelernt, daß Nähe stets mit Verletzung ein hergeht und zu einer Zurückweisung führt. Sobald Nähewünsche bei mir aktiviert werden, bekomme ich Panik und versuche, die sich anbahnende Beziehung zu zerstören. Ein Minderwertigkeitsgefühl führt auch zu Kommunikationsstörungen. Man äußert seine Meinung, seine Gefühle und Bedürfnisse nicht mehr, wird konfliktunfähig und sucht sich einen Partner, der zum eigenen Rollenverhalten paßt. Meistens eben Partner, die auch irgendeinen Makel haben. Denn an Menschen, die ich wirklich toll finde, traue ich mich nicht heran, weil ich nicht glaube, genug liebenswert zu sein. Oft bin ich enttäuscht über den Partner, den ich mir gewählt habe, lasse an ihm die Wut aus. Und diese Wut gilt eigentlich meinen elterlichen Bezugspersonen. Gehen Sie auf Entdeckungs-Reise zu sich selbst Wir müssen uns klarmachen, daß die verinnerlichten Grundüberzeugungen über uns selbst veränderbar sind. Unsere Aufgabe lautet, unser wahres Selbst zu schätzen, uns lieben und so akzeptieren zu lernen, wie wir wirklich sind. Wir müssen neugierig werden, die lebendige Persönlichkeit entdecken, die sich hinter der Maske des funktionierenden Erwachsenen versteckt. Dies ist eine Entdeckungsreise zu sich selbst mit allen Stärken und Schwächen. Ziel ist es, mich nicht daran zu orientieren, wie ich sein müßte oder sollte, sondern zu entdecken, was alles in mir steckt, also eine faire Bestandsaufnahme zu machen. Erst wenn ich lerne, mich selbst zu mögen, kann ich auch andere mögen und mich wirklich von anderen lieben lassen! Dafür müssen wir lernen, uns mit unseren Grundüberzeugungen und Annahmen auseinanderzusetzen. Mund halten! Stoppen Sie den inneren Kritiker – Listen Sie alle Probleme auf, die durch geringes Selbstwertgefühl verursacht und verschlimmert werden (in punkto Liebesbeziehungen, Verwandte, Arbeit, Begegnung mit neuen Leuten, Ausprobieren von neuen Dingen). – Fangen Sie Ihren eigenen Kritiker ein: Hören Sie wie ein Detektiv Ihren eigenen inneren Monolog nach selbstkritischen Urteilen ab und schreiben Sie sie in ein Notizbuch. Stoppen Sie den inneren Kritiker: Mit einem klaren inneren "Mund halten!" – Die Angst vor dem großen bösen Kritiker verlieren: Visualisieren Sie ihn wie eine Person, stellen Sie sich ihn einfach nackt vor oder als windbeuteligen Politiker, Jahrmarktschreier, Clown oder Verrückten. – Nennen Sie dem Kritiker Ihren Wert: Nach "Mund halten!" und "Das kann ich mir nicht leisten" muß das Vakuum mit der positiven Gewißheit Ihres eigenen Wertes gefüllt werden. Begegnen Sie ihm mit positiven Informationen wie "Ich bin so gut wie jeder andere." – Die Stimme Ihres Freundes oder Anwaltes einführen: Lassen Sie jeden einzeln notierten negativen Vorwurf durch Erwiderung Ihres besten Freundes oder "Anwalts" widerlegen. Lesen Sie öfters die Liste mit den positiven Aussagen durch, um sich an Ihre Qualitäten zu erinnern. – Schreiben Sie Briefe an Ihre "kritischen Eltern", in denen Sie ihnen mitteilen, was Sie gebraucht hätten und wie es war, es nicht zu bekommen. Schreiben Sie dann noch einen Antwort-Brief im Tonfall des "idealen Elternteils", wie Sie ihn gerne gehört hätten. Nutzen Sie für sich selbst noch einmal die Chance, eine neue Elternrolle zu übernehmen und erkennen Sie, daß der Mangel Ihrer Kindheit ein Problem Ihres Elternteils war und nichts über den Wert von Ihnen als Mensch aussagt. – Machen Sie eine realistische und faire Bestandsaufnahme: Was ist gut an mir, welches sind meine Fähigkeiten und Stärken? Visualisieren Sie positive Lebensziele, kurz wie langfristig: Wie würde ein Leben mit einem positiven Selbstwertgefühl aussehen? – So tun als ob: Selbstwert-Gefühl entsteht dadurch, daß wir jetzt bereits das tun, was wir tun würden, wenn wir es besäßen. Tun Sie die Dinge, die Sie als richtig und wichtig erkannt haben jetzt! ? Erkennen Sie, daß Eigensinn Spaß macht. Versuchen Sie nicht, konform zu sein, sondern öfters mal etwas anderes auszuprobieren, sich von anderen zu unterscheiden – und merken Sie, daß Sie dadurch erst Respekt gewinnen. – Übernehmen Sie Verantwortung für sich selbst: Ihre Bedürfnisse sind genauso wichtig wie die von anderen Menschen. Seien Sie sich selbst ein guter Freund und fairer Partner. Durch Eintreten für eigene Ziele, Gefühle, Wünsche, Bedürfnisse und Wertvorstellungen wird das eigene Selbstwertgefühl erhöht. Besuchen Sie eine Selbsterfahrungsgruppe, um sich und Ihr Rollenverhalten besser kennenzulernen oder bemühen Sie sich um Psychotherapie, zum Beispiel kognitive Verhaltenstherapie. Weiterführende Literatur: – Ch. P. Dogs/W. Maurer: Naturheilverfahren und Psychosomatik, Hippokrates, Stuttgart, 1998 – M. Jung: Das häßliche Entlein, emuverlag, Lahnstein, 2001 – G. Butler: Schüchtern: na und? Huber, Göttingen, 2002 Dr. med.Wolf-Jürgen Maurer Jahrgang 1961, Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapeutische Medizin, systemischer Paar- und Familientherapie sowie Arzt für Naturheilverfahren, Sportmedizin und Chirotherapie. Dr. Maurer ist leitender Oberarzt einer Fachklinik für Psychosomatik, Psychotherapeutische Medizin und Naturheilverfahren im Allgäu. Das "Tonnenballett" oder wie man Selbstvertrauen lernen kann Auch die Wurzel der meisten Eßstörungen liegt in einem Minderwertigkeitsgefühl begründet. Gerade übergewichtige Menschen können sich meist selbst nicht leiden, schämen sich und vermeiden deshalb häufig Dinge zu tun, die sie gerne tun würden, wenn sie erst schlank wären. Sie geraten in eine soziale Isolation und füllen die Leere wiederum mit Essen als Ersatzbefriedigung. Drei sehr massiv übergewichtige Damen befanden sich zur gleichen Zeit in unserer psychosomatischen Klinik. Sie waren frustriert, niedergeschlagen, wirkten oft auch mürrisch und verbittert und hatten kaum Kontakt zu anderen Mitpatienten. Durch ihre Therapiegruppe wurden die drei "Dicken" aufgefordert, sich ihren Schamängsten zu stellen und nicht weiter zu versuchen, sich nur ja nicht lächerlich zu machen. Die drei heckten gemeinsam folgendes aus: Sie zwängten sich in enge Ballettkostüme und führten ein satirisches Ballett zu der Musik "Schwanensee" auf. Sie gaben sich selbst in der Vorankündigung den humorvollen Namen: "Das Tonnenballett". Sie ernteten frenetischen Beifall, der sie ermutigte, dies noch öfters aufzuführen. Da sie aus der gleichen Gegend stammten, führten sie auch öffentliche Auftritte nach Entlassung aus der Klinik durch. Ebenso mit großem Erfolg. So lernten sie viele neue Menschen kennen, lernten zu sich zu stehen, und ihr Selbstwertgefühl verbesserte sich massiv. Das Ganze hatte nur einen Haken: Das Tonnenballett existiert nicht mehr. Sie konnten ihr Gewicht nicht halten. Schreiben Sie uns Ihre Meinung! Wer verbirgt sich hinter der Maske? Viele Menschen haben Angst, ihr wahres Gesicht zu zeigen. Sie fragen: Bin ich gut genug für die anderen? Statt zu fragen: Sind die anderen gut genug für mich?
Dr. rer. soc. Thea Weinbuch-Pfeifer

Der Ackerschachtelhalm als Heilpflanze – Zinnkraut – zu wertvoll, um damit nur zu putzen

Was für den Landwirt und Gärtner ein Ärgernis ist, offenbart sich mitunter dem Heilkundigen als Hinweis für die tiefverborgenen Heilkräfte: So unscheinbar die blütenlose Sporenpflanze über der Erde aussieht, dem unter der Erde verborgenen weitverzweigten, tiefliegenden Wurzelwerk ist kaum beizukommen. Vielleicht ist dies auch ein Zeichen – die alten Heilkundler sprachen von "Signaturenlehre" – für die zwar im Verborgenen wirkende, aber eben darum um so tiefgreifendere Heilwirkung des Ackerschachtelhalms, der im Volksmund besser als Zinnkraut bekannt ist. Neben leicht sandigem bis lehmigem Ackerland besiedelt der Ackerschachtelhalm Wald, Wiesen und Grabenränder, Ödland, Böschungen und zuweilen auch Gärten. Er gilt als Zeigerpflanze für Grundwasser, doch er saugt nicht nur Wasser: Der Ackerschachtelhalm holt lebenswichtige Mineralien aus der Tiefe, er gehört zu den mineralstoffreichsten Heilpflanzen. Wichtigste Heilsubstanz ist die Kieselsäure, von der die Pflanze bis zu zehn Prozent enthält. Ihre Abkömmlinge – die Silikate – werden heute in der Vollwerternährung als essentielle Vitalstoffe sehr geschätzt. Hauptlieferant sind hierfür vor allem Hafer, Gerste und alle grünen faserreichen Gemüse. Rund ein Prozent der im Ackerschachtelhalm enthaltenen Kieselsäure-Verbindungen sind wasserlöslich und können nicht nur über den Mund, sondern auch über die Haut aufgenommen werden. Dem hohen Gehalt an Kieselsäure ist auch die wohltuende Wirkung der Heilpflanze auf das Bindegewebe zu verdanken. Durch Einlagerungen von Kieselsäure wird es gefestigt. Egal ob als Tee oder Badezusatz verwendet, die Widerstandskraft des gesamten Organismus wird gesteigert. Während bereits im Altertum eine blutstillende, harntreibende und hustenlindernde Wirkung des Ackerschachtelhalms bekannt war, geriet mit Beginn der Neuzeit, Mitte des 15. Jahrhunderts, der Wert dieser Heilpflanze zunehmend in Vergessenheit. Kneipp schwor darauf bei Blutungen und Blasenleiden Der Ackerschachtelhalm wurde lange Zeit in Haushalten lediglich als Putzmittel eingesetzt. Dank des hohen Mineralgehaltes und besonders wegen der Kieselsäure läßt sich mit dem Kraut nachgedunkeltes Zinn oder trüb gewordenes Glas wieder hell und strahlend scheuern. Die Namen Zinn, Kannen, Fege und Scheuerkraut weisen noch heute auf diese Verwendung hin. Pfarrer Sebastian Kneipp (1821 bis 1897) entdeckte die heilenden Wirkungen des Zinnkrauts wieder neu. Bei Blutungen, Blasen- und Nierenbeschwerden, bei Steinleiden und Harngrieß sowie bei "faulenden Wunden" pries er den Ackerschachtelhalm als "unersetzbar und unschätzbar". Die moderne Phytotherapie hat manches davon aufgenommen. Da die Kieselsäure nachweislich die Elastizität des Gewebes erhöht, Haare und Nägel stärkt sowie die Heilung von Knochenbrüchen beschleunigt, wird Ackerschachtelhalm sogar bei Knochenbrüchen empfohlen. Anderes ist wieder in Vergessenheit geraten: Früher wurde der Ackerschachtelhalm erfolgreich bei der Behandlung von Lungentuberkulose unterstützend eingesetzt, um das Lungengewebe nach und nach widerstandsfähiger zu machen. Chemische Medikamente haben inzwischen dieses altbewährte Heilmittel verdrängt. Dennoch bleibt Zinnkraut nach wie vor ein gutes Lungenheilmittel. Bei Husten, Asthma und Bronchitis leistet der Tee – oder das Kraut innerhalb einer Teemischung (z.B. mit Wegerich, Fenchel, Thymian) – gute Dienste. Die Kieselsäure steht zudem im Ruf, die weißen Blutkörperchen – die "Bodygards" unseres Körpers – zu aktivieren und Entzündungen zu hemmen. So kann der Ackerschachtelhalm auch bei rheumatischen Bindegewebs- und Gelenkserkrankungen angewendet werden. Bei Entzündungen der Mundschleimhaut (Stomatitis) und bei Zahnfleischbluten ist ein Absud zum Gurgeln sehr empfehlenswert. Die entzündungshemmende Wirkung kann noch verstärkt werden, wenn zusätzlich Tee getrunken wird. Wirkungsvoller Bestandteil von harntreibenden Tees Ackerschachtelhalm regt die Ausscheidung von Wasser an, ohne das Gleichgewicht der ausgeschiedenen und zurückgehaltenen Mineralien zu verändern. Er eignet sich daher sehr gut zur Durchspülungstherapie bei Erkrankungen der Nieren und der Harnwege. Für die harntreibende (diuretische) Wirkung ist vor allem der Gehalt an Saponin verantwortlich. Saponine (lat. sapo "Seife") schäumen in wässriger Lösung. Darüber hinaus schützen gleichzeitig die Flavone des Heilkrauts die empfindlichen Harnwege vor Entzündungen. Ackerschachtelhalm (medizinisch: Equisetum arvense) ist neben Schafgarbe und Brennessel fester Bestandteil vieler harntreibender Tees. Wirkungsvoll unterstützt werden kann eine solche Trinkkur durch warme Zinnkraut-Sitzbäder. Äußerlich wird Zinnkraut in Form von Kompressen bei äußeren Hämorrhoiden, Krampfadern und Nasenbluten (als Tamponade) angewendet. Bewährt hat sich der Tee zwar auch bei Magenblutungen, Bluterbrechen oder Harnblutungen. Bei allen genannten Erkrankungen muß jedoch auf jeden Fall ein Arzt befragt werden! Die nachfolgenden Rezepte stammen zum großen Teil aus der Volksmedizin und sind nicht samt und sonders wissenschaftlich oder behördlich bestätigt. Nach der Erfahrung von Heilpflanzenkundigen scheint aber in vielen Fällen zumindest die unterstützende Behandlung mit dem Zinnkraut einen Versuch wert. Das Kraut ist in Apotheken und Reformhäusern erhältlich. Von Mai bis Juli können Sie die grünen Sommertriebe auch selbst sammeln. Dabei ist zu beachten, daß der Ackerschachtelhalm mit giftigen Arten verwechselt werden kann. Sumpf und Teichzinnkraut sind meist von einem Pilz befallen, der vermutlich bei der Bildung eines giftigen Alkaloids, dem Equistin, eine wichtige Rolle spielt. Wer selbst sammelt, sollte daher immer ein gutes Pflanzenbestimmungsbuch zu Rate ziehen. Da der unerwünschte Pilz jedoch vorwiegend im Spätsommer (September) auftritt, kann man der Gefahr allein schon dadurch begegnen, daß man sich beim Sammeln auf die Zeit von Mai bis Ende Juli beschränkt. Gesammelt werden nur die grünen, bis zu 40 Zentimeter hohen Sommertriebe mit ihren schuppenartig in Quirlen angeordneten Blättern. Knapp zehn Zentimeter über dem Boden werden die Triebe abgeschnitten. Die Trocknung erfolgt im luftigen Schatten bei hohen Sommertemperaturen. Am besten geschieht dies auf Papier, da das getrocknete Heilkraut sehr leicht in viele kleine Teile zerbricht. Tee zur Nierenspülung, Bäder für straffere Haut Tee-Zubereitung: Etwa ein Eßlöffel Kräuter mit einer Tasse Wasser einige Minuten aufkochen und den Tee 15 Minuten ziehen lassen. Zum Harntreiben täglich mindestens zwei Tassen dieses Tees trinken. Bei Lungenbeschwerden sollte er schluckweise den ganzen Tag über eingenommen werden. Der Zinnkraut-Tee kann auch aus einem Kaltauszug hergestellt werden, den man zehn bis zwölf Stunden lang ziehen läßt. Sitz und Vollbäder: Für ein Bad nimmt man einen Eimer des frischen Krauts und setzt es mit kaltem Wasser 24 Stunden lang an. Dieser Sud wird leicht angewärmt, bevor er dem Sitzbadewasser zugegossen wird. Am wirkungsvollsten ist ein sogenanntes ansteigendes Sitzbad, bei dem die Wassertemperatur allmählich erhöht wird. Dabei wird in die Wanne langsam heißes Wasser zugeschüttet. Der Wasserstand muß so hoch sein, daß die Nieren beim Baden im Wasser sind, das Herz aber außerhalb. Ein solches Sitzbad wirkt besonders wohltuend bei Blasen-, Beckenboden- und Gebärmutterkrämpfen und den damit einhergehenden Rückenschmerzen. Empfohlen wird ein Zinnkraut-Bad auch zur Nachbehandlung von Erfrierungen oder bei funktionellen Störungen der Becken- und Geschlechtsorgane. Die Badedauer beträgt etwa 20 Minuten. Nach dem Bad sollten Sie sich mit noch feuchter Haut in einen Bademantel hüllen und eine Stunde im warmen Badezimmer oder im Bett "nachdünsten". Zinnkraut-Bäder festigen das Bindegewebe und aktivieren den Stoffwechsel. Bis zu einem gewissen Grad können sie erschlaffte und faltige Haut straffen. Tinktur gegen Schweißfüße: Zehn Gramm frisches Zinnkraut werden mit 50 Gramm Kornbranntwein in einem durchsichtigen SchraubGlas angesetzt und 14 Tage in die Sonne gestellt. Jeden Tag einmal das Glas schütteln. Die gut gewaschenen und abgetrockneten Füße werden damit täglich eingerieben. Zur wirksamen Unterstützung sollte morgens nüchtern eine halbe Stunde vor dem Frühstück eine Tasse Zinnkraut-Tee getrunken werden. Umschlag bei Hautgeschwüren: Für Umschläge können Sie entweder das feuchtwarme Zinnkraut in nasse Tücher hüllen oder aber die Tücher in einem Zinnkrautabsud anfeuchten und behutsam auf die entzündete Haut legen. Bei eitrigen Nagelbettentzündungen und offenen Füßen sind allerdings Zinnkrautwaschungen und -bäder den Umschlägen vorzuziehen. Dämpfe gegen Blasenbeschwerden: Bei Blasenkatarrhen und krampfartigen Schmerzen im Unterleib können Zinnkraut-Dämpfe sehr hilfreich sein. Dazu sollten Sie reichlich Ackerschachtelhalm in einer Schüssel mit kochendem Wasser übergießen und zehn Minuten in einen Bademantel gehüllt auf die Blase einwirken lassen. Diese Prozedur ist einige Male zu wiederholen. Ein solches Dampfbad kann auch alten Menschen helfen, die plötzlich ihre Blase nicht mehr entleeren können. Oftmals lösen die heißen Zinnkrautdämpfe ihre Schmerzen und Krämpfe recht schnell. Dr. rer. soc. Thea Weinbuch-Pfeifer, Jahrgang 1952, studierte Haushalts- und Ernährungswissenschaften. In Ihrer Promotion befaßte sie sich mit dem Problem der Ernährungs und Verhaltensumstellung bei Übergewichtigen. Danach lebte sie 10 Jahre in afrikanischen und arabischen Ländern. Seit 1991 gehört sie zum Naturarzt-Team.
Dr. med. Rainer Stange

Infektneigung, Schlafprobleme, niedriger Blutdruck? – Kneippen bei jeder Gelegenheit

Wasser, Wärme, Licht und Luft – mit diesen natürlichen Mitteln zu heilen hat eine lange Tradition und geht bis in die Anfänge der Medizin zurück. Neben Vinzenz Prießnitz (1799-1851) zählt Pfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897) zu den bekanntesten Verfechtern einer Behandlung mit Wasser. Seit über 100 Jahren wird die Kneipp-Therapie von Ärzten und Heilpraktikern bei einer Vielzahl von Krankheiten erfolgreich angewandt. Sie eignet sich aber auch hervorragend zur Selbstbehandlung und Vorbeugung beispielsweise bei chronischer Infektneigung, Schlafproblemen und niedrigem Blutdruck. Die Hydrotherapie, bei der mit Wasser Krankheiten behandelt werden, bildet eine der fünf Säulen der Kneipp-Therapie neben Ordnungs-, Ernährungs-, Bewegungs- und Pflanzentherapie (Phytotherapie). Während sich Ernährungstherapie und Pflanzenheilkunde bis heute stetig gewandelt und erweitert haben, blieb die Hydrotherapie nach Kneipp seit über 100 Jahren fast unverändert. Heilen mit Wasser ist nicht nur eine natürliche, sondern auch recht einfache Behandlungsmethode. Sie kann von jedem medizinischen Laien erlernt und angewandt werden. Gerade in bezug auf Vorbeugung ist die Wassertherapie ein wertvolles Hilfsmittel. Zwar hat sie auch ihre Grenzen, vor allem dort, wo die Selbstheilungskräfte zu sehr geschwächt sind. Doch gerade bei der Vielzahl von chronischen Krankheiten, bei denen die herkömmliche Medizin oft nur kurzfristig die Symptome zu lindern vermag, ist Kneippsche Eigeninitiative der Betroffenen gefragt. Sehr gute Erfolge erzielt die Hydrotherapie bei Schlafstörungen, Erkältungskrankheiten wie Infekten der Atemwege und der Harnwege sowie bei Herz- und Kreislauf-Erkrankungen. Gerade Schlafstörungen sind heute zu einem wahren Massenleiden geworden. Ein Großteil des Gebrauchs und zum Teil auch des Mißbrauchs von Psychopharmaka ist darauf zurückzuführen. Doch schon zu Kneipps Lebzeiten muß dieses Leiden sehr verbreitet gewesen sein. So schreibt er in seinem Buch "Meine Wasserkur": "Die Schlaflosigkeit, diese aufsässige Verfolgerin vieler ...". Kalte Sitzbäder sorgen für einen erholsamen Schlaf Bei Schlafstörungen bieten sich drei verschiedene Anwendungsformen der Wassertherapie an. Wohl am leichtesten durchführbar und auch sehr weit verbreitet dürfte der Kneippsche Schlafstrumpf beziehungsweise die Schlafsocke sein, bei der ein dünner Strumpf, besser ein grobes Leinentuch, in kaltem Wasser ausgewrungen und um den Fuß geschlagen wird. Darüber wird eine kräftige Wollsocke gezogen. Diese Maßnahme kann bis zur Wade erweitert werden, wobei sich dann anbietet, feuchte Tücher in Form eines Wadenwickels anzulegen. Darüber wird eine dicke Wolldecke geschlagen. Einfach und bequem ist auch ein warmes Fußbad durchzuführen, das vor dem Schlafengehen sogar auf dem Bett sitzend genommen werden kann. Hierüber äußert sich Kneipp in seinem Buch "Meine Wasserkur": "Landleute hört man oft sagen: ein warmes Fußbad schließt die Augen, wenn Anstrengung und Müdigkeit nicht einschlafen lassen. Bei geistiger Ermüdung wird jenes kaum ausreichen." Auch er war sich der psycho-vegetativen sowie durch das Alter und die wechselnden Jahreszeiten hervorgerufenen Einflüsse auf das Schlafverhalten der Menschen bewußt. Kneipp selbst empfahl bei Schlaflosigkeit in erster Linie kalte Sitzbäder, die bei Bedarf nachts mehrmals wiederholt werden können. Dazu wird sich mit dem Gesäß für ein bis zwei Minuten in 12 bis 14 °C kaltes Wasser gesetzt. Da die klassische Kneippsche Sitzbadewanne heute kaum noch in einem Haushalt vorhanden sein dürfte, kann ersatzweise eine Duschwanne, eine Babybadewanne oder eine nur etwa 15 Zentimeter hoch gefüllte gewöhnliche Badewanne verwendet werden. Die Ganzkörperwaschung hat aber ähnliche Effekte. Sie ist ein hervorragendes Mittel bei Schlafproblemen, hilft aber auch allgemein bei nervöser Unruhe (vegetativer Dystonie), regt Haut und Kreislauf sowie das Immunsystem an und dient damit auch der allgemeinen "Abhärtung". Vor der Anwendung muß der Körper warm sein. Einen Waschlappen oder ein Leinentuch in ein Gefäß mit möglichst kaltem Wasser tauchen – anfangs kann das Wasser auch zimmerwarm sein – und die Körperteile einzeln abreiben. Mit dem rechten Arm beginnen, erst außen, dann innen. Genauso mit dem linken Arm verfahren. Es folgen Hals, Brust, Leib und Rücken. Danach werden nacheinander rechtes und linkes Bein außen, vorne, innen und hinten einschließlich Gesäß abgerieben. Zum Schluß kommen rechte und linke Fußsohle an die Reihe. Um die Reizwirkung durch Verdunstungskälte zu verstärken, wird nicht abgetrocknet. Nach der Waschung sich entweder ins Bett legen (eine halbe bis ganze Stunde oder zur Nachtruhe) oder anziehen und bewegen. Solche auf den ersten Blick sehr einfach wirkenden Maßnahmen erfreuten sich früher in der Medizin großer Beliebtheit. Ihnen gemeinsam ist die Vorstellung, daß sich durch die Hydrotherapie eine Verbesserung des Blutflusses und eine bessere Verteilung des Blutes erreichen läßt, um so die übermäßige Blutfülle des Kopfes abzubauen. Inhalation und Armbäder machen die Atemwege frei Bei Infekten der oberen Atemwege, die häufig mit Schnupfen, Husten, Schwellungen und starker Schleimbildung einhergehen, lassen sich mit der Wassertherapie insbesondere zwei Ziele verfolgen. Zum einen werden die Abwehrkräfte gegen Infekte allgemein gesteigert. Zum anderen wird bei einem akuten Infekt der krankhafte Schleim, der mit aggressiven, die Schleimhäute reizenden Abbauprodukten der Entzündungsprozesse beladen ist, gelöst und nach außen befördert. Der Gedanke, mit einer sogenannten unspezifischen Immunstimulation die Abwehr zu steigern, zieht sich quer durch die moderne Kneipp-Therapie. Sebastian Kneipp selbst benutzte übrigens Begriffe wie "Abwehr" oder gar "Immunsystem" nicht, vielmehr sprach er von "Abhärtung". Dieser Begriff trifft zwar besser den Kern der Sache, geriet aber durch seinen Mißbrauch im Zusammenhang mit fragwürdigen Erziehungsmethoden leider in Mißkredit. Die Wassertherapie eignet sich besonders bei folgenden Infekten der oberen Atemwege: – Schnupfen – Nasennebenhöhlenentzündung – Entzündung des Rachens – Entzündung des Kehlkopfes – Entzündung der Luftröhre In dieser Aufzählung fehlt bewußt die Bronchitis, bei der es sich um eine Entzündung der Luftröhrenäste handelt. Sie geht mit einem quälenden Husten über Tage, oft verbunden mit nächtlichen Luftnotattacken, zähem Auswurf, deutlicher Minderung des Allgemeinzustandes und der körperlichen sowie geistigen Leistungsfähigkeit einher. Da sie zu einer Verengung der Atemwege führen kann, gehört eine Bronchitis immer in die Hand eines Arztes. Bei Infekten der oberen Atemwege kommen folgende Behandlungsverfahren in Frage: – Kopfdämpfe mit und ohne Zusätze – Gesichtsgüsse – ansteigende Armbäder – Brustwickel mit und ohne Zusätze Nicht zu unterschätzen ist die Rolle des Fiebers bei der Ausheilung von Atemwegsinfektionen. Fieber sollte als Ausdruck einer intakten Abwehr angesehen und keinesfalls reflexartig mit Antibiotika bekämpft werden. Richtig angewandte Wassertherapie kann hier die Abwehrreaktionen des Organismus zusätzlich unterstützen, das heißt, als Folge davon kann die Körpertemperatur sogar zunehmen. Steigt die Fieberkurve jedoch zu stark an (auf über 40 °C), sollte mit Kaltwaschungen und kalten Wadenwickeln entgegengewirkt werden. Im Notfall, beim Auftreten von Fieberkrämpfen und drohender Bewußtlosigkeit, hilft das kurzzeitige Eintauchen in kaltes Wasser (Badewanne). Kurze, kalte Reize helfen dem Kreislauf auf die Sprünge Da es sehr viele verschiedene Herz- und Kreislauf-Erkrankungen gibt, muß nach der Art der Erkrankung unterschieden werden. Nicht jede Kneippsche Anwendung eignet sich für jedes Leiden. Auch hier sollte vor der Selbstbehandlung ein Arzt befragt werden. Mit Wasseranwendungen recht gut selbst zu behandeln ist die Neigung zum niedrigen Blutdruck (Hypotonie). Die Betroffenen klagen über Schwindel, Anlaufschwierigkeiten vor allem morgens sowie ständig kühle Arme und Beine. Blutdruckmessungen zeigen Werte unter 100 zu 60 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg). Die Beschwerden können durch große Hitze, Wetterwechsel, Streß und bei Frauen auch während der Regel verstärkt auftreten. Sie begleiten die Betroffenen meist das ganze Leben. Kalte Anwendungen nie auf einen kalten Körper! Bei niedrigem Blutdruck lautet die Grundregel: kalte Reize kurz, aber häufig einsetzen. Daneben helfen auch mechanische Anregungen des Blutkreislaufs beispielsweise durch Trockenbürstungen. Die bewährtesten Mittel sind: – Trockenbürstungen – kalte Abwaschungen – kaltes Wassertreten – kalte Kniegüsse – wechselwarme Beinbäder Bei allen Kaltanwendungen ist zu beachten, daß sie nie auf einem kalten Körper angewandt werden dürfen. Vorher ist immer für ausreichende Erwärmung, zum Beispiel durch Bewegung, zu sorgen. Die Behandlung des zu niedrigen Blutdrucks erfordert Geduld. Doch kombiniert mit ausreichender Bewegung – geeignet sind Laufen, Radfahren oder Schwimmen – kann die Wassertherapie langfristig zum gewünschten Erfolg führen. Darüber hinaus lassen sich folgende Herz- und Kreislauf-Erkrankungen ebenfalls gut mit der Wassertherapie nach Kneipp behandeln: – Bluthochdruck (Hypertonie) – arterielle Durchblutungsstörungen – koronare Herzkrankheit – Herzschwäche (Herzinsuffizienz) – Herzrhythmusstörungen Die Behandlung dieser Erkrankungen bleibt aber dem fachkundigen Arzt vorbehalten. Er sollte auch über den Einsatz von Kneippmaßnahmen entscheiden. Die Kunst besteht darin, die richtigen Reize zu wählen, die dem Schweregrad der Erkrankung und den konstitutionellen Eigenheiten des Erkrankten gerecht werden. Dabei müssen insbesondere das Alter und die Vorgeschichte des Kranken berücksichtigt werden, da dadurch das Regulationsvermögen möglicherweise entscheidend eingeschränkt ist. Eine Maßnahme, die normalerweise den Blutdruck senkt, kann dann sogar das Gegenteil bewirken. Sinnvoll eingesetzt, kann die Wassertherapie nach Kneipp bewirken, daß mitunter seit Jahren eingenommene Medikamente im Interesse des Patienten verringert oder gar ganz abgesetzt werden können. Weiterführende Literatur: – B. Uehleke, H.-D. Hentschel: Vorbeugen und heilen mit der Kneipp-Methode, Ehrenwirth, Bergisch-Gladbach 1998 – M. Fehrenbach: Kneipp von A-Z. Das Gesundheitsbuch für alle, Ehrenwirth, Bergisch-Gladbach 2001 – E. Tschebull, H. Krammer: Mit Kneipp vorbeugen, lindern, heilen, Kneipp-Verlag, Leoben 2001 Dr. med. Rainer Stange, geboren 1949, nach Physik- und Medizinstudium seit 1983 klinische Tätigkeit (Radiologie, Innere Medizin und Naturheilkunde), 1989 bis 1994 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Naturheilkunde der Freien Universität Berlin, seit 1992 Vorsitzender der Ärztegesellschaft für Naturheilverfahren (Physiotherapie) Berlin-Brandenburg e.V., seit 1994 Oberarzt der Klinischen Abteilung des Lehrstuhls für Naturheilkunde (seit 2001 im Immanuel-Krankenhaus, Berlin-Wannsee).
Dr. med. Thomas Schockert

Aus der ärztlichen Praxis – Mit Spitzwegerich gegen offene Diabetes-Wunden

Mein neuer Patient Peter Hertel (Name geändert) kam sehr unsicher und verängstigt ins Sprechzimmer. Noch bevor ich ihn begrüßen und nach seinem Befinden fragen konnte, platzte es aus ihm heraus: "Herr Doktor, glauben Sie wirklich, daß man mir meinen linken Fuß amputieren wird?" Ich bat ihn Platz zu nehmen. "Schon seit vielen Wochen habe ich diese Wunde am linken Fuß, die nicht abheilen will", und er zeigte mir eine tiefe offene Stelle in der Größe eines Fünfmarkstückes. "Mein Hausarzt, der meine Zuckerkrankheit seit langem behandelt, hat mich zum Chirurgen geschickt. Dieser stellte mir in Aussicht, daß er wahrscheinlich den Fuß abnehmen müsse, wenn die Wunde größer würde". Für einen Rettungsversuch seines linken Fußes wollte er jede Behandlung mitmachen, die eine Chance auf Heilung in Aussicht stellt: "Die Hauptsache, ich kann mit beiden Füßen die Hochzeit meiner Tochter in vier Monaten mitfeiern." ... im Wettlauf gegen eine Amputation des linken Fußes Ich untersuchte die Wunde. Sie war massiv in das umliegende Gewebe hinein entzündet, und der Wundgrund war eitrig belegt. Außerdem litt der Patient unter weiteren entzündeten Druckstellen im Bereich des ersten, dritten und vierten Zehs am selben Fuß. Beim Anblick der Entzündungen dachte ich an den Einsatz von Spitzwegerich, dessen enorm reinigende, entzündungshemmende und antibiotische Eigenschaften mich schon mehrfach überrascht hatten. Allgemein ist der Spitzwegerich in der Medizin weit besser bekannt wegen seiner schleimlösenden und hustenlindernden Heilwirkung. Herrn Hertel empfahl ich, zweimal täglich für 20 Minuten ein Fußbad in warmem Zinnkraut und Brennesseltee zu nehmen, denn sowohl Zinnkraut als auch die Brennessel reinigen und entgiften vereiterte und schwer heilende Wunden. So vorbereitet, sollte er nach dem Bad auf die entzündeten Wundstellen eine Auflage mit frischem zermustem Spitzwegerich aufbringen. Heilungsimpulse mit Laserlicht und Eigenblutbehandlung Mit großem Eifer bereiteten er und seine Frau nun täglich ein Mus aus frisch gesammelten Spitzwegerichblättern, welche sie weit weg von verkehrsreichen Straßen sammelten, um eine mögliche Schwermetallbelastung auszuschließen. Zum Zerkleinern des gewaschenen Krautes nahmen sie teils den Mörser oder auch einen kleinen Mixer. Jedenfalls kam dieser grüne Brei Tag für Tag in dicker Schicht direkt in einer dünnen Kompresse auf die entzündeten Wundstellen. Befestigt wurde er dann mit einer weiteren Kompresse und Mullbinde. Ganz langsam zeigte diese Medizin von der Wiese tatsächlich eine beruhigende Wirkung auf die nässende und aggressive Wunde und bestätigte die alte Aussage von Pfarrer Kneipp: "Wie mit Goldfäden näht der Wegerich den klaffenden Riß zu, und wie an Gold sich nie Rost ansetzt, so flieht der Spitzwegerich jede Fäulnis und faules Fleisch." Um dem kranken Gewebe Energie zur Ausheilung zuzuführen, habe ich die entzündeten Hautstellen am Fuß außerdem mit Laserlicht bestrahlt, zweimal pro Woche, über einen Zeitraum von sechs Wochen. Einen weiteren Heilungsimpuls versprach ich mir von der Eigenblutbehandlung mit UV-Licht. Dazu nahm ich meinem Patienten 50 Milliliter Blut ab und gab es wieder in die Vene zurück, nachdem es mit Natriumcitrat ungerinnbar gemacht und mit UVLicht behandelt wurde. Zur Stärkung des Immunsystems und zum Initiieren eines Heilungsimpulses gab ich Herrn Hertel außerdem eine sehr hohe Dosis an Vitamin C. Zunächst vier Infusionen mit je 15 Gramm Vitamin C im Abstand von wenigen Tagen und dazu täglich eine Kapsel mit je drei Gramm Vitamin C. Grundsätzlich unterstützt auch jede Maßnahme, welche die Ausscheidung von Körpergiften fördert, eine Wundheilung. Deshalb verordnete ich Herrn Hertel zusätzlich das anthroposophische Heilmittel Hepatodoron® sowie die homöopathischen Lymphomyosot®-Tabletten. So wurden Leber und Lymphentgiftung unterstützt. Beide Mittel nahm er über einen Zeitraum von vier Wochen ein. Das A und O einer Ausheilung: gute Blutzuckereinstellung Offene Wunden, die ihren Ursprung in der Zuckerkrankheit haben, können nur erfolgreich ausheilen, wenn der Blutzucker gut eingestellt ist. Mit großer Sorgfalt achteten deshalb der Patient und seine Frau auf eine Vollwertkost, die fettarm und reich an Gemüse war. Zucker in jeder Form war tabu. Mit dieser konsequenten Diabetesdiät, die sie auf drei Mahlzeiten aufteilten, und der disziplinierten Einnahme der verordneten Insulindosis blieb der Blutzucker im erwünschten Bereich. Tatsächlich schrumpfte der Entzündungsherd langsam zusammen. Nach vier Monaten war die tiefe offene Wunde ganz geschlossen und die massive Rötung, die die Wunden umgeben hatte, vollständig verschwunden. Pünktlich zur Hochzeit seiner Tochter konnte Herr Hertel geschlossene schwarze Schuhe tragen und mit der Braut einen Walzer tanzen.
Eva Aschenbrenner/W. P.

Tip des Monats – Hustenelexier aus Löwenzahn und Fichtenspitzen

Gegen Husten und Bronchitis können Sie jetzt aus den jungen weichen hellgrünen Fichtenspitzen und Löwenzahnblüten ein wirkungsvolles Hustenelixier herstellen. So wird's gemacht: Geben Sie in einen Kochkopf je zur Hälfte frisch gepflückte Löwenzahnblüten und Fichtenspitzen. Bedecken Sie diese mit kaltem Wasser und lassen das Ganze zugedeckt über Nacht ziehen. Am nächsten Tag wird die Mischung eine Stunde lang gekocht und erneut über Nacht stehen gelassen. Nun den Ansatz wie einen rohen Kartoffelknödelteig in ein Tuch gegeben und fest ausdrücken. Ein Liter des milchigen Saftes wird mit 400 Gramm braunem Kandiszucker vermischt und dann fünf bis sechs Stunden lang geköchelt, bis die Mischung dickflüssig ist. Diesen heilkräftigen Hustenhonig nun heiß in saubere Gläser füllen und sofort verschließen. Die Medizin hält sich jahrelang.
Erika Koll

Was mir geholfen hat – Nadeln gegen den Arthroseschmerz

Nicht nur Teufelskralle und Arnika können Arthrose-Schmerzen lindern – wie im letzten "Naturarzt" beschrieben – sondern auch Akupunkturnadeln. Das hat Erika Koll eindrucksvoll erlebt. Eine ausgetüftelte Schädelakupunktur soll das Schmerzgedächtnis löschen und in Folge auch ungünstige Bewegungsmuster. Wer schmerzfrei ist, bewegt sich geschickter, verkrampft die Muskeln weniger und schont die Gelenke. Etwa im Alter von fünfzig Jahren spürte ich erstmals Schmerzen in beiden Knien. Mit Umschlägen und schmerzlindernden, antirheumatischen Salben suchte ich damals vor 15 Jahren erste Linderung. Als sich außerdem Flüssigkeit in den Gelenken ansammelte, wurden beide Knie punktiert. Das brachte zunächst Erleichterung. Doch schnell bildeten sich erneut Flüssigkeit und unerträgliche Druckschmerzen. Innerhalb von zwei Jahren mußten meine Kniegelenke zehnmal punktiert werden. Eine Besserung war nicht in Sicht, da sich die Kniescheiben an den "Arthrosespitzen" des Unterschenkelknochens immer wieder aufrieben und den Flüssigkeitsaustritt auslösten. Bei einer Operation wurde deshalb die Lage meiner Kniescheiben verändert (Methode von Elmsie-Vierstein). Das brachte Ruhe in meine Gelenke – doch die Schmerzen blieben. Mit diversen Salben und Tabletten, mit Kortison, Ultraschall und Strombehandlungen, kühlen Umschlägen und Gelenkbandagen konnte ich meine Beschwerden über die Jahre erträglich halten. Eine wohltuende Wassergymnastik gehörte in mein Wochenprogramm. Ich mußte mit meiner Arthrose leben lernen. Vor zwei Jahren kamen außerdem Schulterschmerzen hinzu. Mein Orthopäde sprach von einem Schulter-Arm-Syndrom. So gut es ging, trotzte ich der Erkrankung und frönte weiterhin meinen Hobbys, dem Wandern, Tennis, Rad und Skifahren. Nach einem Ski-Urlaub im Januar 2002 waren meine Schmerzen allerdings kaum mehr zu ertragen, obwohl ich nur auf einfachen Pisten fuhr. Mein Arzt empfahl eine "Kur" mit knorpelaufbauenden Substanzen. Die sechs Spritzen halfen tatsächlich. Gleichzeitig wurde jedoch mein rechtes Knie aufgrund einer Zyste immer steifer. Dagegen spritzte mein Arzt Thuja und Teufelskrallenpräparate in Gelenknähe. Der Teufelskreis: Schmerzen verkrampfen und verstärken Eine Bekannte litt unter vergleichbaren Arthrosebeschwerden. Sie meldete sich im August 2000 auf einen Aufruf im "Naturarzt", wo Teilnehmer für eine Studie zur Schädelakupunktur an der Universität Bonn gesucht wurden. "Gleich nach der ersten Nadelung waren meine Knieschmerzen erträglicher, und nach vier Sitzungen waren sie fast verschwunden" erzählte sie begeistert. Mein Interesse war geweckt, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, daß mit Akupunkturnadeln auf Arthrose Einfluß genommen werden könnte. Der "Akupunktur-Arzt" erklärte mir, daß die Technik auf die traditionelle chinesische Medizin zurückgehe, doch vor 30 Jahren von dem japanischen Arzt Dr. Toshikatsu Yamamoto weiterentwickelt worden sei (siehe "Naturarzt" 8/2000). Er fand jene Punkte am Kopf, über die Dauer-Schmerzen und Störungen am Bewegungsapparat behandelt werden können. Bei mir suchte sie der Arzt mit einem leichten Druck seines Fingernagels. Dort wo es schmerzte, setzte er eine Nadel. Bei manchen Nadeln pulsierte es regelrecht. Sie verblieben etwa 20 Minuten lang. Wenn sie jedoch sehr fest auf der richtigen Stelle saßen, konnte es sein, daß sie schon mal eine ganze Stunde lang einwirkten. Komischerweise lösten sich viele Nadeln selbstständig. Das Geheimnis: Akupunktur löscht Schmerzgedächtnis Gleich nach der ersten Behandlung waren meine Schmerzen fast komplett weg. Doch dieses Wunder hielt nur vier Stunden an. Nach der dritten Sitzung bemerkte ich einen Durchbruch. Beide Kniegelenke knackten zwar wie ein altes Scharnier, ließen sich aber fast schmerzfrei bewegen. Das steife Gefühl von der Zyste verflüchtigte sich zusehends. Mit der sechsten Akupunktursitzung war die Behandlungsserie abgeschlossen. Die Schulterschmerzen hatten sich um etwa 60 Prozent verringert, die Schmerzen im linken Knie um 90 Prozent und die im rechten Knie, meinem "Sorgenkind", um 70 Prozent. Im Januar 2003 wagte ich mich erneut auf die Skipiste. Nach vielen Jahren war es endlich einmal wieder das reinste, fast schmerzfreie Vergnügen.
Dr. med. Rainer Matejka

Naturheilärztlicher Rat – Scheidenentzündung

Ich bin 63 Jahre alt, sehr schlank und sportlich. Seit mehreren Jahren leide ich unter einer weitgehend symptomfreien Scheidenentzündung (Kolpitis), die nur bei der Untersuchung auffällt. Ich nehme täglich das pflanzliche Mittel Klimaktoplant® gegen Wechseljahresbeschwerden und dreimal das homöopathische Hormonpräparat Oestrogesta-Comp®, Globuli, D 12. Abends führe ich im Wechsel Calendula-Tabletten, D1, Hydrastis-Tabletten D6 und Oestrogesta-Comp-Tabletten, D5 ein. Die Kolpitis heilte leider trotzdem nie ganz aus. Können Sie mir einen anderen Weg zur Ausheilung aufzeigen, oder ist diese chronische Entzündung eine Nebenwirkung der Wechseljahre, womit ich leben muß? Sind auch Fußbäder und Reibesitzbäder in meinem Fall geeignet? So ohne weiteres würde ich die Kolpitis nicht hinnehmen. Die Ursache Ihrer Beschwerden ist meiner Meinung nach sicherlich nicht nur auf die Wechseljahre zurückzuführen. Sie deutet auf eine Terrainschwäche im Unterleibsbereich hin. Deshalb sind durchblutungsverbessernde und lymphentlastende Maßnahmen auf jeden Fall richtig, um die Ver- und Entsorgung im Gewebe zu verbessern. Ansteigende Fußbäder (bis 42 °C) und das Reibesitzbad (22 bis 30 °C) nach Kuhne (vorgestellt in Heft 2/2003) kann ich deshalb nur ausdrücklich empfehlen. Die beiden Maßnahmen werden täglich abwechselnd jeweils abends über mehrere Wochen durchgeführt. Durch ständiges Reiben des Unterleibes im kühlen Wasser wird der Kreislauf belebt und die Entgiftungsfunktionen von Darm, Nieren, Lunge und Haut aktiviert. Hilfreich könnte in Ihrem Fall auch eine Enzymbehandlung (siehe auch Beitrag im Heft 3/2003) mit Bromelain über acht bis zehn Wochen sein. Neben frischer Ananas können Sie auch täglich nach Anweisung Enzymtabletten einnehmen, zum Beispiel Bromelain-POS®, Regazym plus® oder Aniflazym®. Die Enzyme können im Blut großmolekulare Stoffe und Gerinnungsprodukte auflösen und damit das Entzündungsgeschehen verringern. Mit homöopathischen Komplexmitteln wie etwa Derivatio ® oder Toxex® können Sie parallel den Heilungserfolg unterstützen. Auch Heilfasten, Mayr- und Schroth-Kur, Schwitzpackungen, Sauna, Aderlaß und Blutegeltherapie sind als entgiftende, blutreinigende und entzündungshemmende Verfahren in Erwägung zu ziehen.
Dr. med. Rainer Matejka

Gichtanfall – Plötzlich schmerzt der Zeh

Ursache eines Gichtanfalles ist die Ablagerung von Harnsäurekristallen im Gelenk. Der Harnsäurespiegel im Blut gilt bei Männern als normal, wenn er unter sieben Milligramm pro Deziliter liegt, bei Frauen unter 5,7. Erhöhte Werte führen nicht unbedingt zu Beschwerden. Andererseits können selbst bei normalen Werten Gichtanfälle auftreten. Wird allerdings bei einer Laboruntersuchung ein zu hoher Wert festgestellt, sollte das ein Warnsignal sein, endlich seine Ernährungsgewohnheiten zu ändern. Peter K. ist 34 Jahre alt und deutlich übergewichtig. Seine Ernährung ist unregelmäßig. Regelmäßig dagegen ist ein abendlicher Alkoholkonsum von 12 Flaschen Bier. Im Anschluß an eine Silvesterfeier stellt sich plötzlich ein heftiger Schmerz im Bereich der rechten Großzehe ein. Das Zehengrundgelenk wirkt deutlich geschwollen und gerötet. Wegen anhaltender Schmerzen sucht er die Krankenhausambulanz auf. Diagnose: Gichtanfall. Die Symptomatik entsteht, wenn im Organismus zu viel Harnsäure produziert wird, beziehungsweise die vorhandene Harnsäure nicht mehr ausreichend über die Nieren ausgeschieden werden kann. Fleisch und Wurstwaren steigern Harnsäurespiegel Harnsäure ist ein Stoffwechselprodukt, welches der menschliche Organismus im Gegensatz zu zahlreichen Tieren nicht mehr weiter abbauen kann. Die Hauptursachen liegen in einer Fehlernährung mit einem zu hohen Maß an harnsäurefördernden Nahrungsmitteln. In diesem Zusammenhang spricht man von einer purinreichen Nahrung. Besonders purinreiche Lebensmittel (Puringehalt in mg/%) sind: – Fleischextrakt 3500 – Bries 1030 – Ölsardinen 560 – Räucherlachs 240 – Huhn 170 – Schweinekotelette 120 Auch einige pflanzliche Lebensmittel verfügen über einen beträchtlichen Puringehalt: – Linsen 190 – Erbsen 150 – Bohnen (weiß) 130 zum Vergleich: – Kartoffeln 5 – Öle und Fette 0 Besonders vorteilhaft ist somit lactovegetabile Kost mit reichlich Gemüse und Kartoffeln. Die Auflistung zeigt, daß entgegen landläufiger Meinung pflanzliche Nahrungsmittel nur in unbedeutendem Maße für gichtische Prozesse verantwortlich sind. Entscheidend ist das zu hohe Maß tierischer Nahrungsmittel, insbesondere Innereien so wie stark verarbeitete Fleischprodukte und Wurstwaren. Neben Fehlernährung und konstitutionellen Voraussetzungen können verschiedene Medikamente und andere dem Organismus zugeführte Substanzen den Harnsäurespiegel beeinflussen. Die Harnsäureproduktion erhöhen z.B.: – Zytostatika (stark wirksame Pharmaka, die beispielsweise bei Krebserkrankungen eingesetzt werden) – Präparate für die Bauchspeicheldrüse – Alkohol – Vitamin B12 Zu einer Erhöhung der Blutharnsäure durch reduzierte Ausscheidung über die Nieren führen: – fast sämtliche Entwässerungsmittel – Tuberculosemittel – Abführmittel – einige Parkinsonmittel – Alkohol Alkohol erhöht also die Harnsäureproduktion und hemmt gleichzeitig auch noch die Harnsäureausscheidung. Deswegen ist für eine ursächliche Therapie der Gicht die konsequente Meidung von Alkohol erste Voraussetzung! Bier ist besonders ungünstig. Neben den schädlichen Auswirkungen des Alkohols enthält es eine bestimmte Substanz, das Guanosin, welches seinerseits den Harnsäurespiegel stark erhöht. Wer also glaubt, er könnte gerade mit Bier eine effektive Nierendurchspülung betreiben, irrt. Bier erzeugt eine sogenannte osmotische Diurese, entwässert den Körper insgesamt und verschlechtert die Stoffwechselbilanz nachhaltig. Auch Nierensteine können Ausdruck von Gicht sein Unter einer Gicht werden verschiedene Symptome verstanden. Neben typischem Gelenkbefall (vorzugsweise im Großzehenbereich) können sogenannte Gichtknötchen (Tophi) sich auch im Bereich der Weichteile (zum Beispiel Ohrmuschel) zeigen. Auch Nierensteine können – wenn es sich um Harnsäuresteine handelt – Ausdruck einer Gichterkrankung sein. Typischerweise tritt die Gelenkentzündung anfallsartig auf, vor allem nach festlichen Gelagen, die die Harnsäurebelastung des Organismus erhöhen. Durch eine Blutuntersuchung kann festgestellt werden, wie hoch der Harnsäurespiegel liegt. Bei Frauen gilt eine Obergrenze von 5,7 mg/dl, bei Männern 7,0 mg/dl. Werte knapp darunter schließen allerdings Gichtanfälle nicht aus. Einige Mediziner vertreten die Ansicht, daß erst bei Werten unter 5,0 bei Männern sicher davon ausgegangen werden kann, daß es nicht mehr zu Gichtanfällen kommt. Im Fall von Peter K. geht es zunächst einmal darum, die akute Schmerzsymptomatik zu lindern. Harnsäuresenkende Medikamente reichen nicht aus, da ihr Wirkeintritt zu langsam erfolgt. Deswegen müssen akut entzündungslindernde Maßnahmen eingesetzt werden. Rasche Hilfe bieten Antirheumatika (zum Beispiel Diclofenac). Meist genügt es, wenn man sie ein bis zwei Tage nimmt. Zusätzlich wird der Heilungsverlauf durch Kühlung und Ruhigstellung des betroffenen Gelenkes entlastet. Auf Dauer hilft nur strikte Ernährungsumstellung Die Ernährung sollte konsequent auf purinarme und somit vegetarische Kost umgesetzt werden. Parallel dazu ist die Flüssigkeitsaufnahme zu steigern, um die Ausscheidung der Harnsäure über die Niere zu aktivieren. Besonders geeignet hierfür sind mineralarme Wässer und Kräutertees. Für die Langfristbehandlung kann der Einsatz harnsäuresenkender Medikamente notwendig sein. Meist kommt die Substanz Allopurinol zum Einsatz. Sie ist unter zahlreichen Handelsnamen im Handel. Sie reduziert die Anflutung der Harnsäure im Blut, so daß die Niere nicht plötzlich überfordert wird und es zu spontanen Ablagerungen der Harnsäure im Gewebe kommt. Der Einsatz derartiger harnsäuresenkender Maßnahmen kann bei Patienten, die anlagebedingt zu erhöhter Harnsäure neigen oder auch wiederholt Nierensteine und Gelenkentzündungen hatten, dauerhaft notwendig sein. Für die meisten Betroffenen ist es aber möglich, bei konsequenter Ernährungsumstellung und Verzicht auf Alkohol die Symptomatik mittelfristig auch ohne Arzneien zu bessern oder zu heilen. Gicht ist eine typische Wohlstandskrankheit. Sie traf schon immer Menschen, die im "Schlaraffenland" leben. Auch Übergewicht begünstigt, neben zahlreichen anderen Zivilisationserscheinungen, die Gicht. Deswegen sind eine Gewichtsnormalisierung und die damit einhergehende Verbesserung des Stoffwechsels bereits die entscheidende Basisbehandlung. Gicht befällt vorzugsweise Männer. Sie sind im Verhältnis 20:1 häufiger als Frauen davon betroffen.
Dr. med. Werner Frase

Periphere Polyneuropathie – Mit Kribbeln in den Beinen fängt es oft an

Unter einer peripheren Polyneuropathie versteht man die Schädigung derjenigen Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks verlaufen. Das Problem ist alles andere als selten – Diabetes oder Alkoholkonsum sind in den meisten Fällen die Ursache. Die Polyneuropathie entwickelt sich oft über viele Jahre unerkannt. Dies kann sogar zu einem – unbemerkten ! – Herzinfarkt führen. Das Wort "peripher" im Begriff "periphere Polyneuropathie" (PNP) bezieht sich auf das periphere Nervensystem im Gegensatz zum Zentralnervensystem (Gehirn und Rückenmark). Es bedeutet nicht, daß das Problem "peripher" im Sinne von randständig oder unwichtig wäre. Die PNP ist eine ziemlich gefährliche Erkrankung bzw. eine gefährliche Folge verschiedener Erkrankungen. Tückischerweise beginnt sie schleichend, und es lassen sich lange keine auffälligen Symptome erkennen. Die ersten wahrnehmbaren Symptome zeigen sich meist als Mißempfindungen (Kribbeln) an den Beinen. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei einer peripheren Polyneuropathie grundsätzlich alle peripheren Nerven betroffen sein können, also auch an inneren Organen! Das ist besonders gefährlich, da sich eine PNP über viele Jahre entwickelt und eventuelle Funktionsstörungen der inneren Organe leider nur allzu oft als "altersbedingt" abgetan werden. Obwohl in der medizinischen Literatur bis zu über 150 verschiedene Ursachen aufgelistet werden, kann man im großen und ganzen fünf Gruppen erkennen: – Diabetische Polyneuropathie – Alkoholische Polyneuropathie – Toxische Polyneuropathie (Vergiftung, zum Beispiel durch Blei, Thallium, aber auch Medikamente) – Infektiöse Polyneuropathie – Sonstige Ursachen, zum Beispiel Mangel an Vitamin B12 und Folsäure Am häufigsten sind mit jeweils einem Drittel die diabetische und die alkoholische Polyneuropathie. Toxische Formen haben zusammen mit den infektiösen einen nicht unerheblichen Anteil, beide haben in den letzten Jahren zugenommen. Früherkennung des Diabetes ist für die Vorbeugung wichtig Bei der diabetischen PNP liegt meist ein mangelhaft eingestellter Blutzuckerwert vor. Das bedeutet: ganz entscheidend ist die Früherkennung des Diabetes und daran anknüpfend die richtige Therapie unter regelmäßiger Kontrolle des Blutzuckerspiegels. Die alkoholische PNP ist im Grunde genommen auch eine toxische Polyneuropathie, sie beruht auf Schädigungen, die durch regelmäßigen Alkoholkonsum hervorgerufen werden. Es liegt also nicht nur an der absoluten Menge des Alkohols, sondern am regelmäßigen Konsum. Bei der toxischen Polyneuropathie entstehen die Schädigungen der peripheren Nerven durch verschiedene Gifte (Toxine), die entweder von außen zugeführt werden (exogen) wie Medikamente, Gewerbegifte und Schwermetalle oder im Inneren des Körpers entstehen (endogen). Endogene Toxine entstehen beispielsweise bei einer Porphyrie (Enzymdefekt im blutbildenden System) oder bei einer Harnvergiftung (Urämie). Die infektiösen Polyneuropathien können sich als Begleiterscheinung bei den verschiedensten Infektionserkrankungen wie Masern, Herpes und Diphtherie entwickeln. Sehr häufig beobachten wir eine infektiöse Polyneuropathie bei einer Borreliose, einer durch Zecken übertragenen Erkrankung. Zeckenimpfungen helfen, wenn überhaupt, nur bei der Zeckenmeningitis, bei der Borreliose nützen sie nichts. Die Infektion mit den krankheitsverursachenden Bakterien (Borrelia burgdorferi) kommt aber sehr viel häufiger vor als die Zeckenmeningitis. (Siehe den Beitrag zur Borreliose in der NaturarztAusgabe 4/2002.) Wie kommt es nun zu dieser Zerstörung der Nerven? Alle genannten Ursachen führen zu dem gleichen Ergebnis: einer mangelhaften Energie und Nährstoffversorgung der Nervenzellen. Dieser Energiemangel zerstört zunächst die empfindlichsten und energiebedürftigsten Teile der Nerven, die Nervenscheiden, die für eine schnelle Reizweiterleitung verantwortlich sind. Sie bestehen aus ringförmig um den Nerv gelegten Zellen (Schwannsche Zellen), allerdings gibt es nichtumhüllte "freie" Abschnitte. Der Nervenreiz überspringt diese Lücken, die sogenannten Ranvierschen Schnürringe, "hüpft" von Ring zu Ring und leitet sich dadurch sehr schnell weiter. Fehlt einer dieser Ringe, muß der Reiz entlang der Nerven kriechen. Je nachdem, wie viele Ringe schon fehlen, kann dies sehr lange dauern oder gar aufgehoben werden. Das Ödem in der Umgebung des Nervs ist das Problem Beim Diabetes kommt es im Verlauf der Erkrankung – vor allem, wenn der Blutzucker schlecht eingestellt ist – zur Entstehung von bestimmten Zuckerverbindungen: Advanced Glycosilation Endproducts (AGE). Diese führen zu "Verklebungen" der feinen Blut und Lymphgefäße, die die peripheren Nerven ent und versorgen. Außerdem blockieren Ketonkörper, die im Rahmen der fehlerhaften diabetischen Fett-Verstoffwechslung entstehen, einen Multienzymkomplex. Fehlt dieser, kommt es durch Bindung der alpha-Liponsäure zur Einlagerung von Sorbitol, eines Zuckeralkohols, in die Zellen. Im Bereich der Nervenscheiden führen diese beiden Vorgänge zur Bildung eines Lymphödems (Wasseransammlung) und in der Folge zu einer Sauerstoffunterversorgung (Hypoxie) und zu Energiemangel, der in einer Zerstörung der Ranvierschen Ringe mündet. Daher zielt die naturheilkundliche Therapie (siehe unten) darauf, das Bindegewebe zu entschlacken und die Ödeme aufzulösen. Vor allem in Veröffentlichungen in der Laienpresse wird in der Regel nur auf die Beinsymptome hingewiesen. Die Gefährlichkeit der peripheren Polyneuropathie geht aber gerade von dem Befall der inneren Organe aus: Im Magen-Darm-Bereich treten vor allem Störungen der Motorik auf. Völlegefühl, Aufgeblähtsein und zunehmende Verstopfung resultieren daraus. Störungen der mit den Nieren verbundenen Nerven bewirken eine verminderte Durchblutung, weshalb die Nieren den Harn nicht mehr so richtig ausscheiden können. Häufige Harnwegsinfekte kommen hinzu, oftmals schmerzlos als "stumme" Harnwegsinfekte. Dies kann wiederum durch eine aufsteigende Infektion zu weiteren Störungen der Niere führen. Tritt eine periphere Polyneuropathie bei jungen Frauen auf, kann dies zu Störungen in der Produktion und Freisetzung von Eizellen führen. Bei Männern wirkt sich eine periphere Polyneuropathie durch Erektionsstörungen aus. Besonderes Augenmerk sollten wir auf das Herz legen. Im Verlauf einer PNP werden auch die Nerven, die zum oder vom Herzen führen, angegriffen. Die Betroffenen merken nichts von ihren belastungsabhängigen Durchblutungsstörungen – der typische Schmerz, der sonst bei Angina pectoris oder Herzinfarkt auftritt, wird nicht wahrgenommen. Der Patient bemerkt seinen "stummen Infarkt" nicht. Immerhin die Hälfte der Diabetiker stirbt an Herzinfarkt. Nach und nach stirbt der Fuß, und der Patient merkt nichts Wie gesagt, die ersten wahrnehmbaren Symptome oder Hinweise, zeigen sich meist an den Beinen: ein Ameisenkribbeln und ein Taubheitsgefühl an den Unterschenkeln. Mißempfindungen an den Füßen kommen hinzu, oft wird ein Kältegefühl in den Füßen angegeben, obwohl beim Tasten die Fußpulse kräftig sind und der Fuß sich eher warm anfühlt. Im weiteren Verlauf entwickelt sich eine Gangunsicherheit. Man hat das Gefühl, wie auf Watte zu gehen. Der Patient kann nicht mehr empfinden, wie er wo auftritt. Da gerade die Nervenleitung der Beine für das Gleichgewichtszentrum im Kleinhirn wichtig ist, führt dies zu Gleichgewichtsstörungen. Die Patienten schlagen sich die Füße an irgendwelchen Kanten und Ecken wund oder fallen auch des öfteren hin. Die Gefahr eines Schenkelhalsbruches ist vor allem bei älteren Patienten sehr groß. Brennende Schmerzen kommen hinzu, die vor allem in Ruhe und nachts auftreten. Dieses Brennen wird typischerweise erträglicher, wenn sich der Patient bewegt oder seine Füße abkühlt (z.B. indem er sie unter der Bettdecke hervorstreckt). Im fortgeschrittenen Stadium einer peripheren Polyneuropathie werden Schmerzen immer weniger wahrgenommen. Dies ist auch in der Betreuung der Patienten ein besonderes Problem. Verletzungen jeglicher Art, wie sie beim Zehnagelschneiden oder durch zu enges Schuhwerk entstehen können, werden nicht mehr bemerkt. Die Heilungsmöglichkeiten sind aufgrund der schlechteren Stoffwechselsituation (Gefäßschäden) im betroffenen Gebiet deutlich herabgesetzt. Dagegen ist das Risiko einer Infizierung mit Bakterien und Pilzen besonders groß. Wenn diese nicht in den Griff bekommen werden können und damit eine Vergrößerung der Wundfläche verbunden ist, steigt die Gefahr, daß amputiert werden muß. Wenn der Verdacht besteht, läßt er sich leicht bestätigen Die Diagnostik einer peripheren Polyneuropathie ist einfach, sofern überhaupt einmal der Verdacht auf PNP geschöpft wurde. Untersuchungen, die das Berührungs und Schmerzempfinden testen, weisen den Weg: Stimmgabelversuch (Vibrationsempfinden), Zahlenschreiben (auf die betroffenen Areale werden mit einem Stift Zahlen in verschiedenen Größen geschrieben, der Patient sagt, was er davon entziffert), Nadeltestung (stumpf-spitz-Empfinden) und die Wärme-Kälte-Testung sind die gängigsten Verfahren. Hinzu kommt, daß bei einer peripheren Polyneuropathie die Muskelreflexe deutlich herabgesetzt bis aufgehoben sind, und auch das Schweißverhalten (Sudomotorik) ist gestört. Weiterführende Untersuchungen sind die Elektromyographie (EMG), d.h. die Aufzeichnung von Nervenimpulsen im Muskelgewebe, und die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG), die dann die Diagnose absichern. Wurde eine PNP festgestellt, ist es empfehlenswert, auch festzustellen, inwieweit schon innere Organe betroffen sind. Leider wird dies zu wenig beachtet, wobei die Folgen, wie bereits beschrieben, recht dramatisch sein können. Diabetische Polyneuropathie: Die richtige Diät entscheidet Hauptziel in der Behandlung aller Formen der PNP ist es, die Ursache zu beseitigen: z.B. Alkoholentzug, Giftausleitung, sofern möglich. Die diabetische Polyneuropathie ist allerdings schwierig anzugehen. Mehr als 30 Prozent aller Diabetiker weisen schon kurze Zeit nach der Diagnose "Diabetes" eine periphere Polyneuropathie auf, nach fünfjähriger Krankheitsdauer ist sie bereits bei etwa 60 Prozent nachweisbar, wobei die Entwicklung wesentlich davon abhängt, ob der Blutzucker gut eingestellt ist oder nicht. Grundsätzlich ist daher eine strenge Blutzuckerkontrolle und einstellung das wichtigste. Die Mehrheit der Diabetiker könnte durch angepaßte Diät und Bewegung die Krankheit weitgehend selbst in den Griff bekommen und den schwerwiegenden Folgen vorbeugen. Auch wenn es mancher Diabetiker nicht mehr hören bzw. lesen mag: isolierte Kohlehydrate, vor allem Zucker, schaden ihm. Beim Abbau von Kohlehydraten entsteht ein saures Milieu. Allerdings kann auch Fleisch, vor allem Schweinefleisch, zur Übersäuerung führen. Das saure Milieu bewirkt eine Reaktionsstarre im Organismus, das bedeutet, der Stoffwechsel und auch die Ausscheidung von Schadstoffen funktioniert nicht mehr richtig, Medikamente jeglicher Art wirken nicht mehr richtig bzw. werden in ihrer Wirkung unberechenbar. Es gilt also, den Organismus zu "alkalisieren". Am besten geht dies mit einer pflanzlich betonten Ernährung, vor allem Gemüse wirkt basisch. Über die Wirkung von Vollgetreide gehen die Meinungen auseinander. Sicher ist: Wenn es nicht bekömmlich zubereitet und/oder sehr gut gekaut wird, gärt es im Verdauungstrakt und führt zur Übersäuerung. Der naturheilkundliche Therapeut wird die "Alkalisierung" zumindest in der Anfangsphase einer Behandlung durch Gabe von Basensalzen (Bullrich's Vital®, Alkala N®) unterstützen. Die Schulmedizin ist in der Behandlung der diabetischen Polyneuropathie recht hilflos. Obwohl man annehmen könnte, daß die Gabe von alpha-Liponsäure den blockierten Multienzymkomplex (siehe oben) wieder aktiviert, sind Infusionen mit alpha-Liponsäure (Tioctan®, Thioctacid®) selten zufriedenstellend, auch nicht mit nachfolgender Langzeitbehandlung in Tablettenform. Gegen die brennenden Schmerzen werden verschiedene Schmerzmittel eingesetzt, mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen. Die paradoxeste ist die, das sich die PNP dadurch verschlimmern kann. In einigen Fällen zeigen sich positive Effekte durch eine transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS). Bei dieser Methode werden niederfrequente Ströme über Klebeelektroden an den Nerv geleitet und führen zu einer verstärkten Reizleitung. Naturheilkunde versucht das Bindegewebe zu entschlacken Die Naturheilkunde kennt einige Methoden, die eine PNP günstig beeinflussen können. Kneippsche Verfahren wie kalte/warme Wickel, Wechselbäder oder Güsse wirken direkt auf die Blutgefäße und führen zu einer verstärkten Durchblutung (auch der inneren Organe) und zu einem "Gefäßtraining". In der Akupunktur gibt es auch Möglichkeiten, mit denen ein erfahrener Akupunkteur Einfluß auf eine Entschlackung des Bindegewebes nehmen kann: die Punkte MP 3 und 6 (Milz-Pankreas-Meridian), Gb 34 (Gallenblasenmeridian), Ma 36 und 40 (Magenmeridian) sowie der Sonderpunkt PaM 62, der sich nicht in den traditionellen Systematiken findet, aber mittlerweile als Zustimmungspunkt für den Pankreas (Bauchspeicheldrüse) gilt. Er liegt etwas unterhalb von Bl 17 (Blasenmeridian). Die Bindegewebsentschlackung führt zu einem verstärkten Abtransport der durch den Zucker gebildeten AGE über die Lymphe und zur Abnahme der Wasseransammlungen um den Nerven. Der Nerv kann wieder besser ernährt werden und die weitere Zerstörung der Nervenscheiden kann verlangsamt werden. In der Homöopathie gibt es Mittel, die einen Bezug zur typischen PNP-Symptomatik haben: Unter anderem können Plumbum metallicum D20 und Secale cornutum D6 in manchen Fällen helfen. Im großen und ganzen ist aber auch hier die Entschlackung des Bindegewebes erfolgversprechender. Wichtige Bindegewebsmittel sind Silicea und Graphites. Während Silicea seinen Einfluß mehr auf die Struktur des Bindegewebes ausübt, aktiviert Graphites die Ausscheidung der Schadstoffe. Diese Kombination – die Struktur verbessern und die Ausscheidung steigern – kann durch die Gabe von Acidum fluoricum und Equisetum verstärkt werden. Diese Homöopathika werden in der Regel in einer Potenz zwischen D4 und D6 gegeben. Eine Wirkungsverstärkung sieht man, wenn diese Mittel in Form homöopathischer Komplexmittel gegeben werden. Präparate wie Solidago compositum SN®, Graphites Homaccord®, Lymphomyosot N®, Silicea Similiaplex®, Lymphaden®-Hevert und Steirocall®N seien hier erwähnt. Neueste Studien mit Lymphomyosot N haben ergeben, daß es zu einer deutlichen Verbesserung der Beschwerdesymptomatik bei der diabetischen Polyneuropathie gekommen ist. Weiterführende Literatur: – E. Standl/H. Mehnert: Das große TRIAS-Handbuch für Diabetiker, Trias, Stuttgart 1998 – K.H. Nedder: Diabetes im Alter – Informationen für Senioren, Trias, Stuttgart 2002 – H.H. Jörgensen: Säure-Basen-Haushalt: Ein Drahtseilakt des Körpers, in: Naturarzt, 6/2001 Dr. med. Werner Frase, Jahrgang 1947, studierte Medizin und Mathematik/Informatik. Zunächst chirurgische Ausbildung, danach Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren. Niederlassung in eigener Praxis 1981. Seit 1994 Leitung der Geschäftsstelle und seit 1998 Vizepräsident der Internationalen Gesellschaft für Homotoxikologie e.V.
Dr. med. Volker Schmiedel

Magen-Darm-Geschwüre: Wer ist der Magenfeind?

"Kein Geschwür ohne Säure!" lautete das Dogma bis vor wenigen Jahren. Dann wagte es ein australischer Arzt zu behaupten, daß das Geschwür eine Infektionskrankheit sei. Er erntete Spott und beißende Kritik. In einem heroischen Selbstversuch konnte er jedoch durch die Einnahme von Bakterien bei sich selbst ein Magengeschwür erzeugen und so den eindeutigen Beweis für seine Theorie erbringen. Helicobacter pylori, so der Name des säureliebenden Bakteriums, ist jedoch bei weitem nicht für alle Magengeschwüre verantwortlich. Bei jedem Geschwür entsteht ein Defekt der Schleimhaut und im Falle tieferliegender Geschwüre auch einer Verletzung der darunter liegenden Bindegewebsschicht (Submucosa). Reicht das Geschwür bis zur mit Blutgefäßen versorgten Muskelschicht, so kann es zu – mitunter lebensgefährlichen – Blutungen kommen. Im Extremfall kommt es zu einem Durchbruch der gesamten Wand des Magen-Darm-Traktes. Dann kann sich Magen oder Darminhalt in die Bauchhöhle ergießen, was wiederum eine – mitunter auch lebensgefährliche – Bauchhöhlenentzündung (Peritonitis) zur Folge hat. Muß immer bedacht werden: Das Zwölffingerdarmgeschwür Bei den Symptomen muß man zwischen denen des Magengeschwüres (Ulcus ventriculi) und denen des Dünndarm oder Zwölffingerdarmgeschwüres (Ulcus duodeni) unterscheiden: Während beim Magengeschwür die Beschwerden jahreszeitenunabhängig sind und mit Appetitlosigkeit und Sofortschmerz nach dem Essen einhergehen, treten beim Zwölffingerdarmgeschwür eine Häufung im Frühjahr und Herbst sowie Nüchternschmerz (zwischen und vor den Mahlzeiten, eher im rechten Oberbauch) auf. Die aufgeführten Symptome sind zwar hinweisend, aber nicht beweisend für ein Geschwür. So können sich auch ganz andere Erkrankungen dahinter verbergen, z. B. Magenschleimhautentzündungen (quasi die Vorstufe des Geschwüres), Speiseröhrenentzündungen und Erkrankungen anderer Oberbauchorgane wie Galle oder Bauchspeicheldrüse. Sogar eine Verengung der Herzkranzgefäße bis hin zum Herzinfarkt kann sich ähnlich wie ein Magengeschwür äußern. Die Symptome sollten also in jedem Fall durch eine angemessene Diagnostik auf die zugrundeliegende Erkrankung abgeklopft werden. Gemeinsam sind dem Magen und Zwölffingerdarmgeschwür die Schmerzen unterhalb des Brustbeines, sofern die Erkrankung nicht – wie in beiden Fällen häufig – schmerzfrei verläuft. Bei Verdacht auf ein Magen oder Darmgeschwür sollte unbedingt eine Magenspiegelung (Gastroskopie) durchgeführt werden – schon um einen Magenkrebs auszuschließen, der auch einmal die Ursache für die Beschwerden sein kann. Bei der Spiegelung werden meist Gewebeproben (Biopsien) entnommen, die dann auf bösartige Zellen, vor allem aber auf das Bakterium Helicobacter pylori, untersucht werden. Liegt tatsächlich dieser Keim vor, wird er schulmedizinisch mit Antibiotika und Säureblockern bekämpft. Eine solche Therapie ist in über 90 Prozent der Fälle erfolgreich und führt dann auch zu einem Abheilen des Geschwüres. Vom Säure-Dogma zur Infektionshysterie? Liegt weder eine Helicobacter-Besiedelung noch ein Geschwür vor, handelt es sich bei den Beschwerden häufig um einen sogenannten Reizmagen (keine Schleimhautschädigung), welcher gänzlich anders behandelt werden muß. Nicht selten liegt allerdings trotz des Nachweises von Bakterien ein Reizmagen vor, der sich jedoch auch dann nicht bessert, wenn diese ausgerottet werden. Während früher das "Säure-Dogma" die Therapie des Magengeschwüres beherrschte, ist es nun die "Helicobacter-Hysterie". Zweifelsohne hat die Behandlung des Helicobacter vielen Patienten geholfen und sie von teilweise jahrelangen Beschwerden befreit, so daß der Erreger als Ursache stets bedacht werden sollte. Daß aber das Bakterium nicht alles sein kann, beweisen folgende Überlegungen: Etwa 50 Prozent aller Deutschen sind Helicobacterpositiv (in Entwicklungsländern sind es sogar 90 Prozent). Nicht jeder von diesen weist aber Magenbeschwerden, geschweige denn ein Geschwür auf. Helicobacter führt also nicht zwingend zu einer Erkrankung. Es muß also auch Schutzfaktoren für den Menschen geben (oder zusätzliche Risikofaktoren, die den Helicobacter in Kombination erst "scharf" werden lassen). Es gibt außerdem auch Geschwüre, bei denen sich keinerlei Beteiligung des "bösen" Helicobacter nachweisen läßt. Auch dies macht deutlich: Es muß noch andere Ursachen jenseits der Bakterien geben. Rauchen und Medikamente sind Magenfeinde erster Güte Und damit kommen wir zu den Genußmitteln: An erster Stelle stehen hier die Zigaretten. Raucht ein Patient nach einer erfolgreichen Behandlung eines Magengeschwüres weiter, hat er eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, innerhalb des nächsten Jahres ein neues Geschwür zu bilden. Ein Magendurchbruch durch ein Geschwür ist bei Rauchern zehnmal häufiger als bei Nichtrauchern. Jeder Raucher mit Magengeschwür sollte also dringend seine Sucht beenden. Kaffee und Alkohol sollten höchstens in geringen Mengen konsumiert werden. Welche Medikamente nehmen Sie ein? Sind darunter solche, die die Magenschleimhaut schädigen können? An erster Stelle sind hier die NSAR, dies sind nichtsteroidale Antirheumatika, z.B. Diclofenac® oder Ibuprofen®, zu nennen, insbesondere wenn sie zusammen mit einem Kortisonpräparat eingenommen werden. Schauen Sie bitte in den Beipackzettel Ihrer Medikamente. Sind dort magen oder darmschleimhautreizende Wirkungen beschrieben, so sollten Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt besprechen, ob das Medikament durch ein nebenwirkungsärmeres ersetzt werden kann oder ein Magenschutzpräparat zusätzlich gegeben werden sollte. Was Sie an Streß schlucken, landet buchstäblich im Magen Der Volksmund sagt, daß einem etwas auf den Magen schlägt, einem etwas sauer aufstößt oder man einfach nur sauer ist. Hier spiegelt sich das alte erfahrungsheilkundliche Wissen wider, daß die Psyche und der Magen sehr wohl etwas miteinander verbindet. Patienten mit Geschwüren entstammen oft aus Familien mit engen, starren Beziehungen. In der Familie wurden sie oft zu "braven Kindern" erzogen, die ihre eigenen Aggressionen unterdrücken. Patienten mit Magen-Darm-Geschwür sind oft sehr ehrgeizig und erfolgsorientiert und streben nach Anerkennung. Ein Geschwür entwickelt sich besonders dann, wenn die Betroffenen sozial isoliert sind, wie zum Beispiel bei einer Trennung oder Problemen im Beruf. Nicht bei jedem Patienten sind diese Faktoren bedeutsam. Wenn Sie aber betroffen sind und sich in den obigen Beschreibungen wiederfinden, sollten Sie gegebenenfalls Ihre Einstellungen und Verhaltensweisen überdenken. Unter Umständen sollte sogar eine verhaltenstherapeutisch orientierte Psychotherapie erwogen werden. Auch wenn die "Säure-Theorie" heute als überholt gilt, Sie werden von einer basenüberschüssigen Kost immer noch profitieren. Bevorzugen Sie also basenreiche bzw. basenbildende Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Kartoffeln. Kaffee, schwarzer Tee, Alkohol und stark zuckerhaltige bzw. eiweißhaltige Nahrung sollten Sie eher meiden, da sie die Säurebildung im Magen anregen. Als besonders günstig hat sich der Brokkoli erwiesen, der nicht nur basisch wirkt, sondern auch noch Stoffe beinhaltet, die das Wachstum von Helicobacter beeinträchtigen. Kamille lindert Entzündungen und regeneriert die Schleimhaut Kamille hat eine entzündungswidrige und schleimhautregenerierende Wirkung. Es dauert zwar länger als mit den modernen Säureblockern ("Protonenpumpenhemmern"), Sie können mit viel Geduld und Konsequenz aber immer noch ein Geschwür mit pflanzlichen Maßnahmen zum Abheilen bringen. Die Beschwerden sollten allerdings nicht zu stark sein, es sollten keine Komplikationen vorliegen (z. B. Blutungen). Nach vier Wochen sollte außerdem eine deutliche Besserung eingetreten sein. Sie können Kamille als Tee verwenden (stark, 23 TL Kamille pro Tasse, mehrmals täglich), der auch zur Rollkur gut geeignet ist. Fertigpräparate sind Chamo® S Bürger Lösung, Eukamillat® Lösung oder Kamille Spitzner® N Lösung. Rollkur und Süßholz: Balsam für die Magenschleimhaut Für die Kamillenrollkur trinken Sie eine große Tasse Kamillentee auf leeren Magen. Dann legen Sie sich jeweils 5 bis 10 Minuten auf den Rücken, anschließend auf die linke, dann auf die rechte Seite und zum Schluß auf den Bauch. So ist gewährleistet, daß die gesamte Schleimhaut guten und ausgiebigen Kontakt mit der heilenden Kamille erhält. Führen Sie die Rollkur zweimal täglich über vier Wochen durch. Sie wird verstärkt, wenn Sie in der Ruhezeit meditieren, positive Dinge visualisieren oder Entspannungsmusik hören. Auch die Süßholzwurzel hat sich bewährt (1 TL pro Tasse, einige Minuten kochen lassen). Fertigpräparate sind hier Ulgastrin® Neu oder Suczulen® Kps. Bei Neigung zu Bluthochdruck oder bei Kaliummangel ist allerdings Vorsicht geboten. Die hochdosierte Zufuhr bestimmter Nährstoffe unterstützt den Heilungsprozeß und sollte bei jedem Geschwür zusätzlich zu schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Therapie angewandt werden: – Vitamin C, 12 g täglich: Wegen der säuernden Wirkung sollten Sie retardiertes oder gepuffertes Vitamin C verwenden (z. B. Cetebe® Kapseln). – Zink, 2030 mg täglich: Zink ist unser bestes Spurenelement bei gestörter Wundheilung: nüchtern eine halbe Stunde vor der Mahlzeit (z.B. Cefazink®, 1 Tabl. 23 x täglich oder Zinkotase® einmal täglich). – Pantothensäure: Dieses Vitamin hilft ebenfalls, Wunden besser zum Abheilen zu bringen, z. B. Bepanthen® Lutschtabletten dreimal täglich. Homöopathie bei Magen-Darm-Geschwüren Unter den zahlreichen möglichen homöopathischen Mitteln sollte das ausgewählt werden, welches den unten beschriebenen Symptomen am ehesten entspricht. Die Beschwerden sollten sich dabei rasch bessern. Wenn nicht, war das Mittel falsch gewählt. Bei nur geringer Besserung sollten Sie auch nicht zu lange warten, bis weitere diagnostische und therapeutische Maßnahmen veranlaßt werden. Acidum nitricum D4 oder D6: 3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei saurem, bitterem Geschmack, Übelkeit, Magendruck besser durch Essen, stechendem Leibschmerz mit Blähungen, Splitterschmerz, Kälte, Verschlechterung durch Nässe oder Wetterwechsel. Anacardium D3, D4 oder D6: 3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei Verschwinden der Beschwerden während des Essens, etwa zwei Stunden danach Auftreten von Übelkeit, Aufstoßen und krampfartigen Schmerzen. Argentum nitricum D4 oder D6: 3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei drückendem brennendem Magenschmerz, Splitterschmerz, Blähungen mit Aufstoßen, Gähnzwang, Verlangen nach Süßem, welches nicht vertragen wird, Verschlechterung durch Aufregung, Besserung durch Essen. Belladonna D4 oder D6: 3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei krampfartigem Schmerz mit berührungsempfindlicher Magengegend, plötzlichem Kommen und Gehen der Beschwerden, Verbesserung durch Rückwärtsbeugen. Ignatia D3, D4 oder D6: 3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Magen fühlt sich schwach und leer an, Schmerzen und Brechreiz stärker durch Essen, Schwerverdauliches wird schlechter vertragen als leichte Kost, Seufzen, Gähnzwang. Mandragora e radice D12: einmal täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei weiß belegter Zunge, krampfartigem Nüchternschmerz, muß alle zwei Stunden ein wenig essen, Völlegefühl nach jedem Bissen, Magen sehr druck- und berührungsempfindlich, Fett, Kaffee, Süßes verschlechtern, Rückwärtsbeugen, Besserung durch Essen. Nux vomica D12: einmal täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei belegter Zunge, eine Stunde nach dem Essen Völlegefühl, Magendruck wie ein Stein, Verlangen nach Genußmitteln (Tabak, Alkohol, Kaffee), die aber nicht vertragen werden, reizbar, streitsüchtig, Verschlechterung durch frische Luft, Besserung durch warmes Zimmer, Verschlechterung durch langen Schlaf, Besserung durch kurzen Schlaf. Phosphorus D4 oder D6: 3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei druckempfindlichem Magen, wie wund, brennend, Verlangen nach kalten Getränken, die aber verschlechtern, Hungerschmerz, Besserung durch etwas Essen und Ruhe, Nervosität, Verschlechterung nachts und durch Kälte. Wenn die Wahl aufgrund einer nicht eindeutigen Symptomatik schwerfällt, kommen auch Kombinationspräparate in Frage wie Duodenoheel: 3 x 1 Tabl. bei Zwölffingerdarmgeschwür Gastricumeel: 3 x 1 Tabl. bei Magengeschwür Spascupreel: Zäpfchen oder Tabl. bei Bedarf (Krämpfe) Jsostoma S Tabl. 3 x 1 Tabl. Cankerol: 20 Tr. 2 x täglich in 40 Tr. Wasser Zur Behandlung von Magengeschwüren (siehe Pfeil) steht eine ganze Reihe homöopathischer Präparate zur Verfügung. Streß und hektisches, fettes Essen zählen zu den häufigen Ursachen von Magen-Darm-Geschwüren. Dr. med.Volker Schmiedel, Jahrgang 1958, ist Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin mit den Zusatzbezeichnungen Naturheilverfahren und Homöopathie. Seine wissenschaftliche Arbeit konzentriert sich auf die Gebiete Fettstoffwechselstörungen und Ernährung. Dr. Schmiedel ist Chefarzt der Inneren Abteilung der HabichtswaldKlinik in Kassel.
Christoph Wagner

Drei Schwestern helfen der Blase

Preiselbeere, Bärentraube, Cranberry Eine Mehrheit der Frauen und schon viele Mädchen haben Erfahrung mit Blasenentzündungen: Brennen beim Wasserlassen, ständiger Harndrang, häufige Entleerung sehr geringer Harnmengen. Hauptsache es kommt nicht noch schlimmer, denn die Entzündung kann sich ausweiten. Spätestens wenn Fieber auftritt, raten Ärzte zur Einnahme von Antibiotika, manche aber auch schon früher. Doch die Entzündungen kehren häufig wieder. Was dann? Vielleicht können die Preiselbeere und ihre Schwestern helfen. Die Verwandtschaftsverhältnisse der Preiselbeere sind verwirrend. Sie gehört zur Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae), und davon wiederum zur Gattung der Heidelbeeren (Vaccinium), die alleine etwa 450 Arten umfaßt. Zu ihr gehören unter anderem – die Heidelbeere (Vacc. myrtillis) – die Preiselbeere (Vacc. vitisidaea) – die Moorbeere (Vacc. uliginosum) – die hiesige Moosbeere (Vacc. oxycoccus), – die amerikanische Moosbeere (Vacc. macrocarpon), genannt "Cranberry". Dieser Name wiederum wird gelegentlich als "Preiselbeere" übersetzt. Cranberry-Extrakte werden in Deutschland daher teils als "Preiselbeerextrakt", teils als "Moosbeerenextrakt" verkauft. Und um die Verwirrung komplett zu machen: Was die Amerikaner als Highland Cranberry (Hochland-Moosbeere) bezeichnen, ist unsere Bärentraube (Arctostaphylos uvaursi). Sie ist nicht nur die große Heilpflanze für die Blase, sondern auch mit der Preiselbeere sehr eng verwandt. Die Preiselbeere ist ein 10 bis 30 cm hoher Halbstrauch, sie blüht hellrosarot von Mai bis Juli. Ihre festen, glänzenden, immer grünen Blätter haben umgekehrte Eiform. Sie sind an der Unterseite braun punktiert – und das ist der entscheidende Unterschied zur Bärentraube. Als typische Wildfrucht gedeiht die Preiselbeere am besten an ihren natürlichen Standorten – in Nadelwäldern, Hochmooren, Heiden –, das heißt: in Deutschland kaum noch. Bis vor 50 Jahren war sie zahlreich verbreitet, heute findet man sie fast nur noch in Naturschutzgebieten. Nicht nur als Marmelade zu Wild, Forelle oder Camembert Wir kennen die Preiselbeere als Marmelade zu Wild, Forelle oder überbackenem Camembert. Im Reform- und Naturkosthandel sind diverse Muse und Marmeladen zu bekommen, auf einem Produkt steht werbend "pflegt Magen und Darm". Solche Hinweise finden sich auch in älteren Kräuterbüchern, leider aber nichts Näheres dazu. Apotheker Mannfried Pahlow empfahl den Kompott als appetitanregendes Mittel, vor allem für Kinder: 1 bis 2 Teelöffel etwa eine halbe Stunde vor den Hauptmahlzeiten. Der Blättertee galt vor allem als wirksames Mittel gegen Blasenentzündungen. Für etwa 80 Prozent der Harnwegsinfekte sind Escherichia coli-Bakterien verantwortlich. Diese Darmbakterien sind im Kot enthalten, "wandern" vom After zur Harnröhrenöffnung und dann die Harnröhre hinauf. Da bei Mädchen und Frauen zum einen der Abstand zwischen After und Harnröhrenausgang geringer, zum andern die Harnröhre selbst kürzer ist als bei Männern, haben sie häufiger unter dem Problem zu leiden. Pflanzenheilkundler empfehlen dann antibiotisch wirkende Pflanzen: – Kapuzinerkresse und "Gewürzdrogen" wie Meerettich oder Liebstöckel – Bärentraubenblätter. Bei der Kapuzinerkresse haben sich Fertigarzneimittel bewährt: Angocin AntiInfekt® Filmtabletten (hier ist sie mit Meerettich kombiniert) oder Nephroselect® (mit Liebstöckel sowie mit harntreibenden Pflanzen). Bärentraubenblätter sind ebenfalls in standardisierter Form verfügbar: zum Beispiel Cystinol® akut oder Uvalysat® Bürger-Dragees. Doch auch heute noch ist durchaus der Tee zu empfehlen: 1 bis 2 Teelöffel Blätter werden mit 1/4 l Wasser 12 bis 24 Stunden kalt ausgezogen. Mit heiß aufgebrühtem Kamillentee zusammengegossen ergiebt sich ein trinkfertiges entzündungshemmendes, entkrampfendes und antibakterielles Getränk. In vielen typischen Blasentees sind die Bärentraubenblätter mit wassertreibenden Pflanzen wie Birke, Schachtelhalm oder Brennessel kombiniert. Der Arzt und Botaniker Rudolf Fritz Weiss, eine Art "Vater" der modernen deutschen Phytotherapie, hatte sich Gedanken über Alternativen zur Therapie mit Bärentraubenblättern gemacht. Zum einen, weil diese Droge überwiegend importiert wurde – bei uns ist sie geschützt –, zum anderen, weil nicht alle Patientinnen sie vertrugen. Dies lag vor allem am starken Kochen der Blätter, wobei zuviele Gerbstoffe frei wurden. Jedenfalls entdeckte Weiss die Blätter der Preiselbeere. Sie enthalten zwar vom eigentlichen Wirkstoff Arbutin nur etwa zwei Drittel soviel wie die Bärentraubenblätter, und müssen daher höher konzentriert werden. Dafür sind sie besser verträglich und schmecken weniger unangenehm, denn sie enthalten 70 Prozent weniger Gerbstoffe. Auch wenn die Frage der Verträglichkeit zufriedenstellend geklärt wurde: Arbutinhaltige Drogen, also auch Preiselbeerblätter, sollten nicht länger als acht oder zehn Tage genommen werden. Schwangere, Stillende und kleine Kinder müssen auf arbutinhaltige Drogen verzichten, beziehungsweise dürfen sie nur auf ausdrückliche Verordnung des behandelnden Arztes einnehmen. Für sie scheint die amerikanische Schwester der Preiselbeere Hilfe zu bieten: die Cranberry. Die Beere enthält kein Arbutin, ihr antibiotisches Wirkprinzip ist ein anderes. Substanzen im Cranberry-Saft, sogenannte Anthocyane oder Proanthocyanidine, hindern die Bakterien daran, "Häkchen" auszubilden, mit denen sie sich an Zellen des Harntrakts hängen. Diese Anti-Adhärenz-Wirkung führt dazu, daß die Keime leichter mit dem Urin ausgespült werden können. Cranberry unterstützen eine antibiotische Therapie Cranberry-Saft, Konzentrat oder Tabletten können in der akuten Phase begleitend zu den vom Arzt verschriebenen Medikamenten genommen werden. Sie ergänzen und unterstützen die Wirkung von Antibiotika. Besser noch: Saft oder Extrakt der Cranberry könnten, zum Beispiel in Kombination mit Angocin oder Nephroselect, einen Weg bieten, durch Nachbehandlung und Vorbeugung die wiederholte Anwendung synthetischer Antibiotika zu vermeiden. Nach wiederholter Zystitis wird eine drei bis sechswöchige Kur als Schutz vor Reinfektion empfohlen. Die Mengenangaben schwanken von 50 bis 400 ml Saft täglich. Für Lutschtabletten machen die Hersteller Angaben, die sich am Gehalt an Anthocyanen orientieren. Säfte und Tabletten sind in Reformhäusern, Apotheken und im Versandhandel (auch Internet) zu bekommen. Die Indinianer Nordamerikas sollen Cranberry-Saft vielfältig genutzt haben, zum Beispiel zum Auswaschen von Wunden. Die Einwanderer haben sich dieses Wissen zunutze gemacht. Und mehr als 300 Jahre später, als die modernen Goldgräber auf Nahrungsergänzungsmittel als Einnahmequelle stießen, begann auch die Wissenschaft sich mit der Cranberry zu beschäftigen. Aber nicht nur aus den USA, sondern auch aus Skandinavien, wo Preiselbeeren und Moosbeeren noch weit verbreitet sind, stammen Studien – und Präparate.
Dr. med. Rainer Matejka

Das Hautleiden mit Ernährung bessern

Die Naturheilkunde betrachtet Neurodermitis nicht als Hauterkrankung, sondern als Hinweis auf einen überlasteten Stoffwechsel und ein gestreßtes Immunsystem. In der Ernährung als Quelle für Allergene liegt daher ein naheliegender Therapieansatz. Dabei muß der Neurodermitiker längst nicht auf alle tierischen Nahrungsmittel verzichten und nur bestimmte Obstsorten meiden. Lesen Sie, wie eine einfach zusammengestellte Kost hilft, die Entzündungsreaktionen zu mindern. Erkrankungen des "atopischen Formenkreises" nahmen in den vergangenen 25 Jahren stetig zu. Diese Erkrankungen können im weiteren Sinn dem allergischen Formenkreis zugeordnet werden. Die bloße Testung, auf welche Substanzen oder Stoffe der einzelne reagiert, mag dann zum Ergebnis führen, wenn nur wenige Einzelstoffe als Symptomauslöser in Frage kommen. Bei den meisten Patienten liegt jedoch die Problematik tiefer. Werden die üblichen Allergietests durchgeführt, ergibt sich oft ein Sammelsurium stark und schwach positiver Reaktionen, von den fast schon standardmäßig auftauchenden Hausstaubmilbenallergien über Frühblüher, Roggen, Gräser, Katzenhaare, bis hin zu "Scheuermittelessenzen". Alles zu vermeiden ist unrealistisch. Die Situation wird noch verwirrender, wenn Testwiederholungen abweichende Ergebnisse zeitigen. Hinzu kommen zahlreiche "Pseudoallergien". Überlasteter Stoffwechsel, überfordertes Immunsystem Die Naturheilkunde setzt daher tiefer an. Sie fragt nicht primär nach dem einzelnen Auslöser, sondern möchte wissen, warum der betroffene Mensch allergisch beziehungsweise "atopisch" reagiert. Obwohl die klinische Medizin behauptet, die genauen Ursachen der Neurodermitis seien noch nicht erforscht, hat die Naturheilkunde eine treffende und plausible Erklärung parat: Die Neurodermitis ist keine Hauterkrankung, sondern Hinweis auf einen überlasteten Stoffwechsel und ein überfordertes Immunsystem. Der Einsatz von verschiedenen Salben und Lotionen kann bei schwerwiegendem akutem Ekzem notwendig werden. Oft helfen auch Klimakuren, zum Beispiel am Toten Meer. Langfristig muß der maßgebliche Therapieansatz jedoch zuallererst die Frage klären, mit welchen Verfahren der Stoffwechsel entlastet und das Immunsystem unterstützt werden können. Im Naturarzt wurde bereits mehrfach über die breitgefächerte Vorgehensweise der Naturheilkunde mit ihren ausleitenden Verfahren berichtet. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Ernährung. "Nichts essen, wofür Werbung gemacht wird!" Der Ansatz über die Ernährung erscheint deswegen besonders nachhaltig, weil durch nichts anderes derart viele Allergene und damit Belastungsfaktoren für Stoffwechsel und Immunsystem zugeführt werden können. Neben "schon immer" unter allergischen Aspekten als problematisch eingestuften Lebensmitteln wie beispielsweise Kuhmilch und Sojaprodukten, Ei, Wurst und Fleischwaren, Weizen und Nüssen, kommen in den letzten Jahrzehnten besonders Farbstoffe und Konservierungsstoffe hinzu. Der hohe Gehalt an derartigen Zusatzstoffen in "westlicher Supermarktkost" wird auch als Grund für die starke Zunahme allergischer Erkrankungen auf dem Gebiet der früheren DDR seit der Wende angesehen. Welche Empfehlungen lassen sich daraus für den Neurodermitiker ableiten? Konsequenter Verzicht auf farb- und konservierungsstoffhaltige Nahrungsmittel. Beachten Sie den Spruch des bekannten Ernährungsarztes Max-Otto Bruker: "Nichts essen, wofür Werbung gemacht wird"! Weichen Sie stattdessen auf Lebensmittel aus ökologischem Landbau aus. Die Aussage von Bruker ist auch deshalb treffend, weil die Deklarierungspflicht von Fertignahrungsmitteln lückenhaft ist. Deshalb führen zahlreiche Betroffene ungewollt oft doch Allergene zu, und die Ernährungsumstellung verläuft womöglich enttäuschend. Auf Kuhmilcheiweiß testweise verzichten Mit tierischem Eiweiß und überhaupt tierischen Nahrungsmitteln ist Zurückhaltung geboten. Dies gilt besonders für Kuhmilch- und Kuhmilchprodukte. Zwar bewirkt der Verzicht auf diese Lebensmittel nicht bei jedem Betroffenen eine Besserung. Dennoch empfiehlt sich eine testweise Kuhmilcheiweißkarenz über wenigstens vier Wochen. Ergeben sich darunter keine spürbaren Besserungen kann durch einen "Belastungstest" (erneuter Konsum von Kuhmilchprodukten) herausgefunden werden, ob sich nicht doch eine weitere Verschlechterung einstellt. Die Behauptung zahlreicher Ernährungswissenschaftler, ein Verzicht auf Kuhmilchprodukte gefährde die Kalziumzufuhr ist nicht plausibel. Es gibt genügend gute alternative Kalziumquellen, beispielsweise Mandeln, Sesam und grüne Gemüse (besonders die "dunklen"). Außerdem: Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlenen Kalziummengen sind keineswegs das Ergebnis fundierter wissenschaftlicher Untersuchungen, sondern allenfalls Richtwerte. Ein Ausweichen auf Sojamilch ist beim Allergiker nicht empfehlenswert, da Soja ebenfalls ein erhebliches Allergenpotential aufweist. Wer meint, unbedingt "Milch" trinken zu müssen, kann auf Mandel- oder Reismilch ausweichen. Auf Schweineprodukte sollte in jeglicher Form verzichtet werden. Sie enthalten zum einen Histamine, also jenen Stoff, der allergische Reaktionen vermittelt, zudem reichlich Arachidonsäure, die Entzündungsreaktionen fördert und deswegen sowohl beim Neurodermitiker als auch beim Rheumatiker konsequent vermieden werden sollte. Ähnliches gilt auch für Wurstwaren. Ein völliger Verzicht auf tierisches Eiweiß ist allerdings in der Regel nicht dauerhaft notwendig und bei Kindern auch nicht empfehlenswert. Schonend zubereitete Fleischsorten wie Lamm oder Geflügel in begrenztem Umfang – möglichst aus artgerechter Tierhaltung. Fischöl liefert die auch für den Neurodermitiker wertvollen Omega-3-Säuren. Bei allen im Grunde begrüßenswerten Kampagnen für Obst und Gemüsemahlzeiten zeigt die Erfahrung, daß gerade Obstsäuren, vor allem auch aus sauren Äpfeln, Zitrusfrüchten und Trauben, Neurodermitissymptome verstärken können. Deswegen: Meiden Sie diese Obstsorten! Dies gilt auch für "saure" Teesorten wie Früchtetees oder Hagebuttentee. Die Angst, bei einem Verzicht zu wenig Vitamine zu erhalten, ist unbegründet. Gemüse können in jeder Beziehung einen vollwertigen Ausgleich darstellen. Selbstverständllich "säuert" auch Zucker. Deswegen gilt: Süßigkeiten so weit wie möglich einschränken, gegebenenfalls Zwischenmahlzeiten einlegen. Glutamin mindert die Entzündungsreaktion Gleichzeitig sollten diejenigen Nahrungsmittel verstärkt zugeführt werden, die die Darmschleimhäute stabilisieren und entzündungshemmend wirken. Dies sind vor allem Omega-3-Fettsäuren (in bestimmten Ölen wie Leinöl, Sojaöl und Seefischen), ferner lösliche Faserstoffe (Pektin zum Beispiel in Gemüse und teilweise in Hülsenfrüchten) und glutaminsäurereiche Rohstoffe. Glutaminsäuren werden im Rahmen von Entzündungsreaktionen von den Immunzellen vermehrt verbraucht. Der Körper kann nicht genügend nachproduzieren. Deswegen kann die zusätzliche Glutamingabe sinnvoll sein. Dies mindert Entzündungsreaktionen und "dichtet" die Darmschleimhaut, so daß weniger Allergene in den Körper gelangen. Verwendet werden sollten "Dipeptide", also die Bindung des Glutamins an eine andere Aminosäure. Freies Glutamin ist instabil und schlecht löslich. Generell ist die Glutaminzufuhr durch eine pflanzlich betonte Kost wesentlich günstiger als bei einer mehr "tierisch" ausgerichteten Ernährung. Darüber hinaus hilft vermutlich Gamma-Linolensäure, weil diese beim Neurodermitiker meist vermindert ist. Deshalb bildet der Körper mehr Entzündungsstoffe. Die zusätzliche Zufuhr von Gamma-Linolensäure in Form von Nachtkerzensamenöl (z. B. Epogam® oder Neobonsen®) entlastet daher den Stoffwechsels des Neurodermitikers. Entzündungsfördernd wirkt dagegen die Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure. Sie ist in tierischen Fetten enthalten. Allein dies legt bei allergischen Erkrankungen nahe, sich bei Tierprodukten zurückzuhalten. Heute wird auch bei entzündlichem Rheumatismus eine weitgehende Einschränkung der Arachidonsäurezufuhr empfohlen. Man könnte also zugespitzt sagen: Moderne Rheumadiät ist auch Neurodermitisdiät! "Ernähren Sie sich möglichst vielseitig" – auch diese Empfehlung aus dem Bereich der Ernährungswissenschaft kann nicht ohne weiteres akzeptiert werden. Gerade das vielfältige Durcheinander bewirkt eine hohe Allergenzufuhr. Sinnvoller ist stattdessen eine eher einfach zusammengestellte Kost aus hochwertigen Produkten und die Beachtung jahreszeitentypischer Besonderheiten: Essen Sie Produkte, die die Jahreszeit hergibt. Dies vermindert den Allergendruck, weil es eine natürliche Rotationsdiät darstellt. Diese werden ansonsten in der Allergologie häufig durchgeführt, um Allergien besser diagnostizieren und behandeln zu können. Die Effekte einer Ernährungsumstellung bei Neurodermitis sind mittlerweile durch verschiedene Studien dokumentiert worden. Ein Präventionsprogramm einer Krankenkasse im Raum Pforzheim in Zusammenarbeit mit Ernährungsexperten und Medizinern zeigte eine deutliche allgemeine Befindens und spezielle Besserung der Hauterscheinungen sowohl bei an Neurodermitis leidenden Kindern als auch Erwachsenen. Die Umstellung der Ernährungsweise beinhaltete vor allem eine deutliche Einschränkung von Wurstprodukten, Nüssen, Zitrusfrüchten, Süßigkeiten, Milch und Molkereiprodukten sowie Fleisch. Tropfen für Tropfen mit eigenem Blut Ein hervorragendes Beispiel für wirksame Erfahrungsheilkunde bei Neurodermitis und Allergien ist die Eigenblutimmunisierung nach Imhäuser! Dieses von der Kinderärztin Hedwig Imhäuser entwickelte Verfahren wird folgendermaßen durchgeführt: 12 Fläschchen mit je 99 Tropfen Spiritus dilutus (25 Prozent) werden (in der Regel von der Apotheke) vorbereitet. In das erste Fläschchen wird ein Blutstropfen des Patienten gegeben und nach homöopathischer Art und Weise (zehnmal) verschüttelt. Es entsteht die Potenz C1. Aus diesem Fläschchen wird dann ein Tropfen entnommen und in das nächste Fläschchen gegeben und ebenfalls verschüttelt: C2. Aus diesem Fläschchen wird wiederum ein Tropfen in das dritte gegeben und verschüttelt und so fort bis zum 12. Fläschchen. Man erhält auf diese Weise die Potenzen C1 bis C12. Die Einnahme erfolgt, indem von dem Fläschchen C5 täglich (am besten gleich morgens vor dem Frühstück) 5 Tropfen über eine Woche hinweg.auf die Zunge gegeben werden. Auch wenn noch ein Rest im Fläschchen C5 übrigbleiben sollte, wird jetzt auf C7 übergewechselt und ebenso verfahren, in der dritten Woche wird C9 verwendet, dann C11. Jetzt sind vier Wochen vergangen, und man macht eine Bestandsaufnahme. Hat sich die Situation bereits spürbar gebessert, kann eine ein bis mehrwöchige Pause eingelegt werden. Hat sich noch kein Effekt eingestellt, kann direkt im Anschluß an C11 mit der Benutzung der Fläschchen C6, C8, C10, C12 – ebenfalls jeweils über eine Woche/täglich 5 Tropfen fortgefahren werden. Erklärungsmodell für die Wirksamkeit: In dem Blutstropfen ist die gesamte (gestörte) Immunologie gespeichert. Deren homöopathische Aufbereitung und Rückführung "moduliert" gleichsam das überlastete Immunsystem. Die Eigenblutimmunisierung nach Imhäuser ist in der Fachliteratur zum Teil geringfügig modifiziert beschrieben. Dies gilt besonders für die Einnahmemodalitäten. Am grundsätzlichen Wirkprinzip ändert dies aber nichts. Stop! Saure Äpfel, Zitrusfrüchte und Weintrauben sind tabu für den Neurodermitiker. Obstsäuren können die Symptome verstärken.
Dr. med. KarlHeinz Friese

Zehn effektive Hilfen gegen Heuschnupfen

Heuschnupfen und allergische Reaktionen allgemein nehmen immer mehr zu. Was tun, wenn die Augen sich röten, die Nase zugeht, der Niesreiz immer stärker wird, Husten auftritt und die Atemnot kommt? Es gibt keine Therapie, die jedem Betroffenen garantiert hilft. Die hier vorgestellten Verfahren führen aber häufig zur Linderung der Beschwerden und nicht selten auch zur Heilung. Heuschnupfen (Pollinosis) ist eine allergische Reaktion auf die männlichen Samenzellen verschiedener Pflanzen. So reagieren die Frühblüherallergiker auf Hasel (Februar), Erle (März) und Birke (April). Sehr viele Menschen leiden unter allergischen Reaktionen gegen Gräser und Getreide (Mai/Juni), seltener gegen Spätblüher wie Brennessel (Juli) und Beifuß (August). Die Betroffenen bekommen rote Augen, müssen häufig niesen, bekommen nachts schlecht Luft durch die Nase, dann tritt Husten auf und gelegentlich auch Atemnot (vor allem bei Birken). Die Patienten fühlen sich ständig müde, schlapp und krank. Die Beschwerden treten nicht jedes Jahr gleich auf, dies hängt vielmehr von der allgemeinen Witterung ab. Je regnerischer es ist, desto geringer sind die Beschwerden. Naturheilkundliche Ansätze tragen dazu bei, die manchmal qualvolle Zeit besser zu überstehen. 1. Heilpflanzen: Von Echinacea bis Löwenzahn und Ginseng Echinacea-Präparate, z.B. Echinacin®, in hohen Dosen über die Zeit des Pollenfluges können die allergische Symptomatik deutlich lindern, auch in Kombination mit Calciumlactat (z.B. Ermsech®). Allerdings kann Echinacea bei längerem Gebrauch auch immunhemmende Effekte haben. Da bei der Pollinosis häufig ein gestörtes Milieu der Schleimhäute von Nasenrachenraum und Verdauungssystem zu finden ist, empfiehlt sich als Schleimhautsanierende Maßnahme die Einnahme von Knoblauch. Dieses hat neben den bekannten antiarteriosklerotischen Wirkungen auch Wirkstoffe gegen Bakterien und Pilze mit normalisierenden Effekten auf ein durch Pilzbefall des Darms gestörtes Schleimhautmilieu. Am wirkungsvollsten ist der Verzehr von frischem Knoblauch, zwei bis vier Zehen jeden Tag. Günstig wirkt auch Löwenzahntee. Er enthält Bitterstoffdrogen (Amara), die sowohl reflektorisch über die Geschmacksknospen der Zunge als auch direkt auf die Sekretion von Speichel, Magensaft, Pankreas, Leber und Galle einwirken. Dies hat eine verstärkte Sekretion von Enzymen und Verdauungssäften, eine Anregung der gesamten Verdauungsmotorik und einen stärkeren Effekt auf die Schleimhaut zur Folge. Man holt sich 100 Gramm Löwenzahntee (Wurzel und Kraut gemischt) und nimmt davon 1-2 Teel. auf 1/4 l Wasser, kurz aufkochen, 10 Minuten ziehen lassen; morgens und abends je 1-2 Tassen über 6 Wochen. Daneben kommen noch weitere Pflanzen, je nach Beschwerdebild und Konstitution des Patienten, in Frage, unter anderem die folgenden: – Ginseng Stärkungsmittel – Brennessel blutreinigend – Zinnkraut gewebestärkend – Salbei antientzündlich – Eibisch reizlindernd Mittel wie Echinacea können in Einzelfällen auch zur Verschlimmerung von Allergien führen. Dies gilt ebenso für das folgende Verfahren, das andererseits vielen gute Hilfe leistet. 2. "Desensibilisierung" mit Pollen und Propolis Als eine Art "Desensibilisierungsmaßnahme" kann man im Frühjahr Blütenpollen der Region anwenden. Die Schleimhäute und der Organismus insgesamt werden durch die Auslöser der Allergie "trainiert", allerdings gelangen diese – im Unterschied zur schulmedizinischen Desensibilisierung (siehe Kasten, S. 12) – auf natürliche Weise in den Organismus. Man besorge sich Pollen und Propolis vom örtlichen Imker und bereite eine Tropfflasche aus: 1 Messerspitze Pollen, 2 ml Schnaps, 98 ml Wasser. Morgens und abends jeweils 5 Tropfen. Jeweils vier bis acht Wochen vor der erwarteten Symptomatik sollte man mit der Kur beginnen. Im Anschluß daran nehme man für einige Wochen eine Zubereitung aus: 2 g Propolis, mit 100 ml Schnaps auffüllen. Täglich zur Mittagszeit 5 Tropfen einnehmen. Möglich ist auch die Gabe von Pollinose®S Kapseln Ronneburg, dabei handelt es sich um fermentativ aufgeschlossene Blütenpollen. Vor der Blütezeit morgens vier Kapseln unzerkaut einnehmen. 3. Homöopathie: Tuberkulinum wird häufig vorgeschaltet Bei einer klassischhomöopathischen Behandlung von Heuschnupfenpatienten kommen häufig Lycopodium, Sulfur, Natrium muriaticum oder auch Causticum zum Einsatz. Einmalig wird bei vielen Patienten Tuberkulinum D200 (5 Globuli) vorausgeschickt. Günstig sind vor der erwarteten Symptomatik (etwa vier Wochen zuvor) Injektionen mit Acidum formicicum D200 im Abstand von zwei Wochen. Symptomatische Mittel, die einige typische Beschwerden bei Heuschnupfen abdecken, sind folgende: Symptomatik Medikament Augensymptomatik Euphrasia D2 Starker Niesreiz Allium cepa D6 Juckreiz im Hals Wyethia D6 Heuhusten Kalium phos. D6 Heuasthma Jodum D12 alles gleichzeitig Galphimia gl. D4 In der Regel werden mehrmals täglich – bis zu stündlich – 1 Tablette oder 5 Tropfen gegeben. 4. Akupunktur: Gallenblase 20 und Dickdarm 4, 10, 11, 20 Die Akupunktur bietet die Möglichkeit, bei akuten Beschwerden schnell die Symptomatik zu reduzieren. So kann man durch "Nadeln" schnell dafür sorgen, daß der Betroffene wieder wesentlich besser Luft bekommt. Durch eine langfristige Behandlung kann man die Beschwerden in den Griff bekommen. Die einzelnen Punkte, die in Frage kommen, hängen von der individuellen Diagnose ab, die der erfahrene Akupunkteur anhand der Symptomatik, aber auch mittels Zungen und Pulsdiagnostik erstellt. So kann eine Diagnose oder ein Syndrom beispielsweise lauten "Wind-Kälte-Invasion in die Lunge" oder "Energie-Stagnation" oder "Lungen- und Milz-Energiemangel". Dementsprechend variieren die Akupunkturpunkte. Häufig werden allerdings bei Heuschnupfen der Punkt 20 auf dem Gallenblasenmeridian (Gb 20), verschiedene Punkte auf dem Dickdarmmeridian (Di 4, 10, 11, 20), auf dem Lungenmeridian (Lu 7) und auf dem Milz-Pankreas-Meridian (MP 9, 10) genadelt. Wirksam ist auch die Ohrakupunktur, wie sie detailliert in der Naturarzt-Ausgabe 2/2002 beschrieben wurde (Hartmut Dorste witz: Ohrakupunktur bei Heuschnupfen). 5. Anthroposophie: Gute Abgrenzung mit der Zitrone Die Anthroposophie behandelt den Heuschnupfen als "Abgrenzungsproblematik": Die Grenzfunktion der Schleimhaut ist gestört. Daher dringen vermehrt Allergene ein – und der Organismus reagiert mit Entzündung und dem Versuch, den Reizauslöser auszuscheiden. Basismittel der anthroposophischen Behandlung ist Gencydo®. Sein Hauptwirkstoff stammt aus der Zitrone, einer Frucht, die durch eine ledrige Schale eine besonders gute Abgrenzung zwischen dem wässrigen Innen und dem luftigen Außen zustandebringt. Außerdem enthalten sind Stoffe aus dem Quittensamen, dessen Schleim traditionell als Hustenmittel angewandt wurde. Einige Monate vor Beginn der Allergiezeit wird Gencydo in zweiwöchigem Abstand unter die Haut gespritzt, bevorzugt zwischen den Schulterblättern oder auch in den Oberarm. Bei beginnenden Beschwerden kann das Präparat auch täglich gespritzt werden. Je nach Patient und Stadium kommen dabei Gencydo 0,1%, 1% oder 3% zum Einsatz. Für die Lokalbehandlung bei Augenreizung eignen sich Gencydo 0,1% Augentropfen oder Euphrasia D3 Tabletten. Zusätzlich kommen möglicherweise Plumbum metallicum praeparatum D8 Ampullen (8 x je 1 Ampulle) in Frage, wenn der Patient grundsätzlich zu überschießender Stoffwechselreaktion neigt. Bei asthmaartiger Bronchitis, die im Gefolge eines Heuschnupfens auftreten kann, zusätzlich Quercus, äthanolisches Decoctum D1 Dil. (morgens 10 Tropfen) oder Veronica officinalis, äthanolisches Decoctum D1 (abends 10 Tropfen). 6. Klimatherapie: Auf den Nordseeinseln beschwerdefrei Völlig beschwerdefrei wird man während einer Heuschnupfensaison, wenn man irgendwo hinfährt, wo es nur wenige oder keine Pollen gibt. Die Pollenbelastung ist sehr hoch an Seen, in Flußtälern und südlich der Alpen; sie ist jedoch während "unserer" Blütezeit gering in anderen Klimagebieten, z.B. außerhalb Europas, auf den Kanarischen Inseln oder in Amerika. Gering ist sie auch an der Küste in Europa, z.B. an der Nordseeküste, Atlantikküste oder auch an der Mittelmeerküste, noch geringer auf den Nordseeinseln. Dies liegt vor allem am Seewind: das Klima auf den Inseln ist von feuchter, salzwasserhaltiger Meeresluft bestimmt, die sehr allergenarm ist. Heuschnupfen läßt sich so zwar nicht heilen, doch wenn man eine zeitlang den Pollen ausweicht, wird man wieder unempfindlicher und verträgt die Pollen bei der Heimkehr besser. Der Effekt einer solchen Kur ist oft noch ein Jahr später spürbar. Alternativ ist die Klimatherapie im Hochgebirge, wobei nicht nur die Höhenlage, sondern ebenfalls der Wind bzw. die Talöffnungen der Berge entscheidend sind: Werden Pollen durch die Tag-Nacht-Zirkulation von unten heraufgetrieben, nützt die höchste Höhe wenig. 7. Eigenbluttherapie: Impulse für Immunsystem Hierbei wird das eigene Blut homöopathisch verdünnt und potenziert und in verschieden hohen Potenzstufen wieder eingenommen, um das Immunsystem zur besseren Eigenregulation anzuregen. Man sollte das Blut am besten dann entnehmen, wenn die Pollenbelastung sehr hoch und die Beschwerden sehr stark sind: – C5 am 1. und 2. Tag 1 x tgl. 3 Tropfen – C7 am 3.9. Tag 1 x tgl. 3 Tr., dann – C9 über 3 Wochen 1 x 5 Tr. Die Eigenblutimmunisierung nach Imhäuser ist ebenfalls in Heft 2/2002 detailliert beschrieben ("Tropfen für Tropfen mit eigenem Blut", S. 14). 8. Ordnungstherapie: Nikotin und Alkohol meiden! Die Belastung eines Allergikers durch Zigarettenrauch ist enorm. Die häufige Ausrede, daß in Anwesenheit des Allergikers nicht geraucht werde, sondern nur auf dem Balkon, ist nicht stichhaltig. Der Zigarettenrauch hängt in den Haaren und Kleidern und reicht aus, die allergische Neigung zu verstärken. Zur Ordnungstherapie zählt auch die Untersuchung der täglichen Umgebung (Schule, Kindergarten, Arbeitsplatz, zu Hause) auf Reiz und Streßquellen. Ausschaltung soweit möglich. Weiterhin Gewichtsreduktion, reichliche Flüssigkeitszufuhr, geeignete Auswahl von Urlaubsort und Hobbys, Vermeidung von Überanstrengungen, Kälte und Nässe. Bei Allergien sollte unbedingt auch auf Alkohol verzichtet werden. 9. Umweltmedizin: Amalgam und Insektengifte sind riskant Allgemein sollten Gifte vermieden werden. Sehr negativ für Allergiker ist eine starke Quecksilberbelastung durch Amalgamfüllungen. Das Amalgam muß entfernt und anschließend ausgeleitet werden. Holzschutzmittel wie Lindan und PCP spielen zwar heutzutage keine große Rolle mehr – eine Belastung mit derart starken Giften kann die Heuschnupfensymptomatik verstärken. Das gleiche gilt aber auch für Pyrethroide (Chrysanthemengift), die heute noch oft eingesetzt werden. Sie finden sich häufig in Kleidung und auch in Teppichen; nach wie vor werden sie auch von Kammerjägern angewandt. Mit Insektenvernichtungsmitteln sollte man sehr vorsichtig umgehen. 10. Kneippsche Maßnahmen: Wassertreten leitet Energie ab Alle Verfahren aus der Naturheilkunde und der physikalischen Medizin, die mit warmem oder kaltem Wasser arbeiten bzw. andere Wärme oder Kälteträger verwenden (Moor, Lehm oder Quark), können einen wirkungsvollen Beitrag zur Vorbeugung gegen Heuschnupfen leisten. Die meisten der heute gebräuchlichen Verfahren werden heute kurz "Kneipp-Anwendungen" genannt. Wichtigstes Zielorgan ist die Haut, das Kontaktorgan zur Umwelt, das mit einer Unzahl von Rezeptoren, insbesondere Kalt und Warmrezeptoren ausgestattet ist. Im Zusammenhang mit der Behandlung des Heuschnupfens interessieren vor allem folgende Wirkungen: – die allgemeine Abhärtung und Gewöhnung an Reize, – eine gemeinsame Reaktion zwischen äußerer Haut und inneren Häuten, den Schleimhäuten; schließlich auch – energetische Vorgänge, Blut und Energie werden in andere Körperregionen umverteilt. Wird der Organismus auf einer Ebene seiner Reaktionsmöglichkeiten dahingehend trainiert, daß er sich ausgeglichener und weniger überschießend verhält, so wird sich diese Beruhigung auch auf anderen Ebenen wieder finden lassen. Der Körper lernt, ausgeglichener mit den angebotenen Reizen fertig zu werden. Als solche prophylaktische Maßnahme eignet sich z.B. die Sauna, aber auch die regelmäßige klassische – Kneippsche Waschung: Dabei wird der ganze Körper innerhalb einer halben bis einer Minute mit einem Waschlappen, der immer wieder in kaltes Wasser getaucht und ausgewrungen wird, abgewaschen. Idealerweise geschieht dies morgens, anderthalb Stunden vor dem Aufstehen. Anschließend geht man, ohne sich abzutrocknen, noch mal ins warme Bett. Diese Maßnahme wirkt erwärmend, entspannend, ableitend und – möglichst täglich angewandt – trainierend. Als hilfreich bei akutem Heuschnupfen hat sich die Inhalation mit Kochsalz (2 Eßlöffel Salz auf 1 l kochendes Wasser unterm Handtuch) erwiesen. Sehr gut "ableitend" – auch wenn der Heuschnupfen bereits eingetreten ist – wirkt das Wassertreten: Man steigt in eine Wanne möglichst kalten Wassers und tritt einige Minuten im "Storchenschritt" herum. Wichtig ist, daß die Füße vor Beginn warm sind. Nur solange treten, wie es nicht zu Kälte am Körper (Zittern) oder gar Schmerzen kommt. Auch hier wird nicht abgetrocknet. Man geht vielmehr nach dem Wassertreten umher und sorgt durch Bewegung für Wärme. Weiterführende Literatur: – K.H. Friese: Handbuch der Heuschnupfentherapie, Sonntag, Stuttgart 2000 Was macht die Schulmedizin? A) Antihistaminika Antihistaminika sind Medikamente, die dazu führen, daß letztlich kein Histamin ausgeschüttet wird. Dieser Botenstoff führt nämlich zu den geröteten Augen, den krampfenden Bronchien usw. Während früher die Antihistaminika müde machten, soll diese Nebenwirkung bei den heutigen Mitteln nicht eintreten. Dies wird allerdings gelegentlich bezweifelt. Moderne Antihistaminika wie Fexofenadin (z.B. Telfast®), Cetirizin (z.B. Zyrtec®), Loratidin (z.B. Lorano®) oder Desloratadin (Aerius®) werden im Regelfall über den Mund eingenommen, zum Teil gibt es sie auch in Form von Augen und Nasentropfen. B) Hyposensibilisierung Hierbei werden die Allergene, beginnend in sehr kleinen Dosen und dann in aufsteigender Dosis gespritzt. Durch die ständige Auseinandersetzung mit dem Allergen soll der Patient allmählich unempfindlich gemacht werden gegen den betreffenden Stoff. Eine Hyposensibilisierung kommt vor allem dann infrage, wenn eine Allergie gegen eine bestimmte Allergengruppe besteht, z.B. Frühblüher. Sie macht relativ wenig Sinn, wenn Allergien gegen Frühblüher, Mittelblüher und Hausstaubmilben gleichzeitig bestehen. Diese Methode hat zum Teil Erfolge, zum Teil ist sie nicht ganz unproblematisch. Bei den Injektionen können allergische Schocks auftreten, darum müssen die Patienten auch immer eine halbe Stunde nach der Injektion in der Praxis bleiben. Gelegentlich "verschiebt" sich die Allergieneigung auf andere Allergene: Ein hyposensibiliserter Gräserallergiker bekommt nach der Behandlung eine Frühblüherallergie oder umgekehrt. Die einfachen Maßnahmen – wie Wassertreten – führen manchmal zu erstaunlichen Erfolgen. Dr. med. KarlHeinz Friese, Jahrgang 1955, studierte Medizin und absolvierte seine klinische Ausbildung in einer Hals-Nasen-OhrenKlinik. HNO-Facharzt mit den Zusatzbezeichnungen Allergologie, Stimm- und Sprachstörungen und Homöopathie. Seit 1986 als Kassenarzt in Baden-Württemberg niedergelassen. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Naturheilbundes (DNB).
HansHeinrich Jörgensen, Heilpraktiker

Blutdruck senken – um jeden Preis?

Über die Gefahren des hohen Blutdrucks wird viel berichtet: Herzschwäche, Hirnblutungen, Arteriosklerose und Nierenschäden zählen zu den schwerwiegendsten Folgeschäden. Doch Bluthochdruck ist mittlerweile vor allem bei älteren Patienten zur Modediagnose geworden, die als pauschale Begründung für den Einsatz blutdrucksenkender Medikamente dient. Mitunter werden Gesunde damit nicht nur zu Kranken "diagnostiziert", sondern auch dem Risiko schwerer Durchblutungsstörungen ausgesetzt. Die "Hochdruckliga" (Deutsche Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdrucks) hat die Obergrenze für den oberen "systolischen" Wert im vorigen Jahr auf 140 mm/Hg festgelegt und hält alles, was darüber liegt, für behandlungsbedürftig. Neuerdings werden sogar Werte, die nicht über "120 zu 80" liegen, als erstrebenswert angesehen. Inzwischen werden allerdings auch immer mehr kritische Stimmen laut, die auf die Risiken einer unkritischen Absenkung der Blutdruckwerte auf statistische Normwerte hinweisen. Daß allzu abruptes Blutdrucksenken schädliche und mitunter lebensgefährliche Auswirkungen haben kann, wissen auch Schulmediziner. Ein anderes, heikleres Thema ist aber, ob eine Senkung überhaupt Sinnvolles bewirkt. So wies Professor Bulpitt vom National Heart and Lung Institute in London darauf hin, daß bei 80jährigen mit hohem Blutdruck die Sterblichkeit geringer ist als bei jenen mit niedrigem Druck. Er hält in diesem Alter eine antihypertensive Therapie erst ab den allgemein für "astronomisch hoch" gehaltenen Werten von 200/110 für geboten. Auf dem Kongreß der American Society of Hypertension im vergangenen Jahr berichteten israelische Forscher, daß Tests auf Gedächtnis und Konzentration bei älteren Patienten mit Normwerten bis maximal 140/90 deutlich schlechter abschnitten als bei Hochdruckpatienten. Wer kritisch in Studien hinein schaut, die den Nutzen einer Blutdrucksenkung beweisen wollen, wird feststellen: ältere Patienten sind in den geprüften Kollektiven kaum vertreten. Erst kürzlich wurde in der medizinischen Fachpresse eine große Auswertung von Studien aus den 90er Jahren breit diskutiert. Demnach sind erstens 55 Prozent der Deutschen Hypertoniker, worauf zweitens die im Vergleich zu anderen Ländern hohe Schlaganfallrate zurückzuführen sein soll. Allerdings ging es dabei um Patienten zwischen 35 und 64 Jahren! Die Mehrheit der Schlaganfälle jedoch findet im Alter statt – jeder dritte Deutsche ist betroffen –, und sie wird überwiegend (zu rund 80 Prozent) durch Mangeldurchblutung ausgelöst. Was für Jüngere gut ist, schadet vielleicht den Alten Es bleibt daher die Frage, ob der für Jüngere belegte Nutzen einer Blutdrucksenkung einfach auf ältere Menschen übertragen werden kann. Denn die Hypertonie des jungen Menschen hat andere Ursachen als die des alten: Ein bereits in jungen Jahren (vor dem 40. Lebensjahr) beginnender und jahrzehntelang andauernder Hochdruck schädigt die Gefäße und verlangt dem Herzen erhebliche Mehrarbeit ab. Das steht außer Frage. Dadurch kann es zu vorzeitigem Herzversagen kommen. Leider lassen sich die Ursachen der Blutdruckerhöhung beim jungen Menschen nicht immer klären. Aber die Suche nach den Ursachen, die oft im seelischen Bereich liegen, ist mindestens so wichtig, wie die vorschnelle Verordnung eines Blutdrucksenkers. Beim älteren Menschen besteht meist eine umgekehrte Situation: Geschädigte, sklerotisiertstarre Gefäße setzen dem fließenden Blut so viel Widerstand entgegen, daß das Herz mehr Druck aufwenden muß, um auch innere Organe und Extremitäten noch mit ausreichend Blut zu versorgen. Dadurch steigt der Druck. Typisch für verengte und verhärtete Gefäße ist die langsame Abflußgeschwindigkeit des Blutes, wodurch der gemessene diastolische Druck ansteigt. Im Gefolge davon kann dann auch der systolische Druck höher sein. Senkt man hier einfach per Tablette den Druck ab, ohne an der Durchlässigkeit der Gefäße etwas zu ändern, verschlechtert sich die Durchblutung in den Beinen und im Kopf. Die eintretende Mangeldurchblutung im Gehirnbereich (Ischämie) ist typisch für den "weißen" Schlaganfall. In der Tat häufen sich akute "weiße" Schlaganfälle ausgerechnet in jenen ruhigen Zeiten, in denen der Blutdruck – vom Streß des Tages befreit – absinkt: nachts, am Wochenende und im Urlaub. Herzentlastung ist das Ziel der Blutdrucksenkung Therapeutisch stellt sich also die Frage, ob das Herz gebremst werden soll, damit vor allem der systolische Druck fällt, oder ob die Gefäße geweitet werden sollen, damit vor allem der diastolische Druck sinkt. Ersteres macht man vorzugsweise mit Betablockern, die am Herzen jene Nerven blockieren, welche – vom Gehirn angeregt – die Pumpleistung des Herzens erhöhen. Um hingegen den Gefäßdruck (dem der zweite, diastolische Wert entspricht) zu senken, werden Medikamente zur Hemmung von Angiotensin eingesetzt. Angiotensin ist ein in der Niere produziertes Hormon, das den Spannungszustand der Arterien steuert. In der Mitte zwischen den beiden Möglichkeiten stehen Wirkstoffe (bestimmte Calciumantagonisten), die sowohl das Herz bremsen als auch die Gefäße erweitern. Und schließlich kann man den Druck auf die Gefäßwände vermindern, indem man das Flüssigkeitsvolumen durch Entwässerungsmittel (Diuretika) vermindert – und damit die Blutmenge, welche die Adern füllt. Allerdings verschlechtern entwässernde Medikamente die Fließeigenschaften des Blutes erheblich: Wenn aus sieben Litern Blut per Wasserentzug sechs gemacht werden, wird das Blut eingedickt wie beim Sirupkochen. Bei allen therapeutischen Prinzipien steht die Entlastung des Herzens im Vordergrund. Daß für die Durchblutung des Gehirns ein gewisser Mindestdruck erforderlich ist, der um so höher liegt, je enger die Adern sind, vernachlässigen die Mediziner dabei häufig. Erst wenn es zur Katastrophe kommt, dem "weißen Apoplex" – Schlaganfall durch Mangeldurchblutung –, wird plötzlich von einem "Erfordernishochdruck" gesprochen, damit die Randzonen des nicht durchbluteten Bereichs wenigstens gerettet werden können! Wenn das nach dem Schlaganfall sinnvoll ist, warum nicht auch vorher, um die Katastrophe zu verhindern? Die frühere Faustregel ist keineswegs "total überholt" Erhöhter Blutdruck erschöpft zwar auch das ältere Herz, und es droht aus dem Takt zu geraten oder ganz zu versagen. Ob es aber sinnvoll ist, dem Achtzigjährigen seine 180/80 mmHg Blutdruck mit drei verschiedenen Medikamenten mit Gewalt in den Keller zu zwingen, darüber läßt sich trefflich streiten. Die früher übliche Faustregel "Lebensalter plus 100", die den noch akzeptablen systolischen Blutdruck umschrieb, wurde von jener Philosophie, die den Blutdruck so niedrig wie möglich sehen will, verdrängt. Man kann jedoch nicht umhin, der früheren Version eine beachtenswerte Logik zuzusprechen. Nicht zuletzt bestätigen die meisten Patienten, daß sie Bäume ausreißen könnten, wenn der Arzt wegen des Blutdrucks bedenklich mit dem Kopf schüttelt – dagegen hängen sie nur so in den Seilen, wenn er ihnen zufrieden ob der niedrigen Werte auf die Schulter klopft. Antihypertensive Medikamente können Lebenskraft bremsen Zu bedenken ist auch, daß der Blutdruck keine gleichbleibende Größe ist, sondern sich von Minute zu Minute der Notwendigkeit anpaßt. Körperliche Anstrengung treibt ihn hoch, um das Blutangebot in der arbeitenden Muskulatur zu erhöhen. Gefahr, Streß, psychische Belastung – auch der Besuch beim Arzt ("Weißkittel-Effekt") – treiben den Druck ebenfalls hoch. Wir sollten uns hüten, moderate tagesübliche Schwankungen des Blutdrucks schon als krankhaft anzusehen und vorschnell zur senkenden Tablette zu greifen. Jedes blutdrucksenkende Medikament kann auch die Aktivität und Lebenskraft bremsen. Blutdruckmessungen sowohl beim Arzt als auch zu Hause sind ziemlich fehleranfällig. Gute Aussagen liefert im Zweifelsfall die Langzeitblutdruckmessung über 24 Stunden. Nun stehen Sie als Leser vor der Frage, ab wann Ihr Blutdruck denn behandlungs und kontrollbedürftig ist: ab 140, 160 oder 180 oder diastolischen Werten von 90, 95 – und in welche Bereiche er gesenkt werden müßte? Die antihypertensive Therapie verringert bei vielen Hypertonikern das Risiko für einen Herzinfarkt, aber sie führt leider bei viel weniger Patienten zu einer Lebensverlängerung. Und sie geht eventuell auf Kosten der Lebensqualität. Ein guter Ratgeber für die richtige Therapieentscheidung ist das Befinden des Patienten: 170/80 bei einem 70jährigen mit guter Fitneß ist sicher sinnvoller, als unbedingt die neuen Normwerte von 120/80 durch Einsatz blutdrucksenkender Medikamente anzustreben, mit der Folge, daß der Betroffene sich vielleicht dramatisch schlechter fühlt. Sollten Sie nach dem Lesen dieses Beitrags Zweifel an Ihrer Behandlung bekommen haben, schmeißen sie das Medikament nicht einfach in den Müllschlucker! Diskutieren Sie das Für und Wider mit Ihrem Hausarzt – auch wenn er dreimal schlucken muß. ? "120 zu 80" – was bedeuten die beiden Blutdruckwerte? Was besagen eigentlich die beiden Werte "120 zu 80" oder "160 zu 95"? Zunächst einmal handelt es sich dabei um Angaben der Millimeter, die eine Quecksilbersäule unter diesem Druck steigt (mmHg). Der "systolische" erste Wert beschreibt den höchsten Druck während der Pulswelle, also der Pumpphase des Herzens. Der niedrigere zweite "diastolische" Wert beschreibt die Druckverhältnisse in der Ruhephase zwischen den Pulswellen. Stellen Sie sich vor, wir würden einen Druckmesser direkt in der Hauptschlagader installieren und dort unmittelbar den im Gefäß herrschenden Druck messen. Mit jedem Herzschlag kommt eine kräftige Blutwelle und treibt den Druck nach oben: je kräftiger das Herz pumpt, desto höher. Damit wird schon einmal deutlich, daß der obere Wert, der systolische Druck, vor allem Ausdruck der Herzkraft ist. Allerdings steigt der Wert auch durch eine vorübergehende Gefäßverengung als Reaktion auf Streß und bei "verkalkten" starren Gefäßen. In der Pause zwischen zwei Herzschlägen fließt dann das Blut in die Peripherie ab, und die Meßkurve sinkt. Je schneller das Blut abfließt, desto schneller und tiefer sinkt der Druck, ehe der nächste Herzschlag ihn wieder in die Höhe jagt. Fließt das Blut infolge geschädigter oder verengter Arterien oder einer zu großen Blutmenge nur langsam ab, liegt der untere Wert, der diastolische Druck, entsprechend höher.
Dr. med. Hartmut Dorstewitz

Welche Impfungen sind nötig – und wann?

In Deutschland besteht kein Impfzwang. Eltern müssen sich entscheiden, ob und wann und gegen welche Krankheiten sie ihre Kinder impfen lassen. Die Entscheidung fällt nicht leicht, denn Impfbefürworter wie Kritiker fahren oft schwerstes Geschütz auf: Die einen warnen vor gefährlichen Folgen von Kinderkrankheiten, die andern vor bleibenden Impfschäden. Dr. med. Hartmut Dorstewitz, Präsident des Deutschen Naturheilbundes, hat sich in seiner langjährigen Hausarzt-Praxis mit kinderheilkundlichem Schwerpunkt immer wieder mit diesen Fragen befaßt. Er entschied sich für ein differenziertes und individuelles Vorgehen. Zunächst einmal scheint es ganz selbstverständlich, einem Kind Krankheiten ersparen zu wollen. Verschnupft, verheult, verquollen, stark fiebrig und mit Ausschlag übersät – wer ein Masernkind gesehen hat, möchte den Impfbefürwortern sofort zu stimmen: "Das muß nicht sein." Zumal, wenn durch Vermeiden der Krankheit auch deren manchmal gefährlichen Folgen ausgeschlossen werden können. Doch so einfach ist die Entscheidung nicht. Denn es sind auch folgende Zusammenhänge zu bedenken: – Während die durchgemachte Krankheit tatsächlich und in der Regel lebenslang Immunität sichert, schützt die Impfung nicht garantiert und erst recht nicht auf Dauer. – Geimpfte können Erkrankungen, die im Kindesalter meist harmlos verlaufen, als Erwachsene bekommen; dann treten häufiger Komplikationen auf. – Mit dem Impfen wird dem Immunsystem die Chance genommen, sich an den natürlichen Krankheiten abzuarbeiten und zu trainieren. Möglicherweise treten deshalb heute so viele Immunstörungen (z. B. Allergien) auf. Nicht nur Eltern, sondern auch gutwillige, verantwortungsbewußte Ärzte finden sich im Dschungel der Meinungen und Studien oft nicht mehr zurecht. Sie haben Angst davor, etwas zu übersehen oder versäumen – und womöglich später zur Verantwortung gezogen zu werden. Laut Empfehlungen der offiziellen "Ständigen Impfkommission" (STIKO) sollen Säuglinge ab vollendetem 2. Lebensmonat gegen Diphterie (D), Keuchhusten (P), Tetanus (T), Haemophilus influenzae b (Hib), Hepatitis B (HB), Poliomyelitis (IPV) geimpft werden, ab vollendetem 11. Monat gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR). Mit den verschiedenen nötigen Wiederholungen käme das Kleinkind nach diesem sogenannten "Impfkalender" innerhalb der ersten 14 Monate mit mehr als 25 Impfstoffen (Vakzinen) in Kontakt. Die kombinierten Impfungen DPT (Diphterie, Polio, Tetanus) und MMR sind seit Jahren üblich. Gerade die frühsten Impfungen wurden in den letzten Jahren zu Vierer- und sogar Sechserkombinationen ausgebaut. Diese seit Oktober 2000 zugelassenen "hexavalenten Impfstoffe" (D, P, T, Hib, HB und IPV) haben nach fünf gemeldeten Todesfällen in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Kombi-Impfung für Unruhe gesorgt. Diese Vorgänge werfen erneut die Frage auf, ob Ärzte und Eltern nicht selbst über die Notwendigkeit jeder einzelnen Impfung entscheiden sollten – statt zwangsweise Kombinationen zu akzeptieren. Im folgenden sollen daher Impfnutzen und Impfrisiko für jede Kinderkrankheit einzeln bewertet werden. Diphterie und Tetanus ja, Keuchhusten eventuell Diphtherie ist eine Infektion der Nase und des Rachens, typisch sind grauweißliche Beläge der Mandeln mit fauligem Mundgeruch und Schluckbeschwerden. Durch die Verengung der Atemwege bekommt das Kind Atemnot und Husten (Krupphusten). Diphterie ist hochansteckend und wird durch Bakterien verursacht, deren Giftstoffe sich über den ganzen Körper verbreiten können. Im Falle einer toxischen Diphterie kann es zu schweren Schäden kommen. Die Krankheit kann schwerwiegende Komplikationen nach sich ziehen, vor allem Herzmuskel-, Nerven- und Nierenentzündungen. 10 bis 20 Prozent der Diphterien verliefen früher tödlich. Bei Verdacht auf Diphterie werden heute Antitoxine gegeben, außerdem Antibiotika. Meine Entscheidung: Die Diphterie-Impfung halte ich für geboten, zumal es sich um eine der wenigen Kinderkrankheiten handelt, bei der das Durchlaufen der natürlichen Erkrankung nicht zu einer lebenslangen, sondern nur zu einer sehr kurzen Immunität führt. Keuchhusten (Pertussis) fängt wie eine normale Erkältung an. Erst nach etwa zwei Wochen beginnen die typischen abgehackten Hustenanfälle (Stakkatohusten). Der heftige, manchmal über Monate anhaltende anfallsartige krampfartige Husten behindert Essen, Trinken und Atmen. Normalerweise kommt er im Säuglings- und Kleinkindesalter nur sehr selten vor. Gerade in dieser Zeit kann er aber eine ernste Erkrankung sein: In sehr seltenen Fällen kommt es zu Atemstillstand. Nach dem 9. Lebensmonat ist diese Gefahr in der Regel gebannt. Meine Entscheidung: Gegen Keuchhusten impfe ich nur, wenn ältere, ungeimpfte Geschwister im Kindergarten oder hort eine Ansteckung des Neugeborenen oder Säuglings einschleppen können. Tetanus (Wundstarrkrampf) ist keine Kinderkrankheit. Er wird durch Bakterien hervorgerufen, die vor allem in Erde und Staub vorkommen. Sie gelangen über offene Wunden in den Körper und bilden dort ein Gift, das Krämpfe der Körpermuskulatur hervorruft. Nach Verletzungen kann noch geimpft werden; außerdem wird versucht, die Wunde (Eintrittspforte) baldmöglichst, eventuell chirurgisch zu sanieren. Wenn die Erkrankung zum Ausbruch kommt, verläuft sie sehr schwer, in 30 Prozent der Fälle tödlich. Meine Entscheidung: Die Tetanus-Impfung halte ich für wichtig, da die Erkrankung zwar sehr selten, aber eine der gefährlichsten und schwersten ist und häufig tödlich verläuft. Haemophilus influenzae b (Hib): Dieses Bakterium, das früher fälschlich als Erreger der Grippe galt (daher der Name), sorgt bei Erwachsenen für manche harmlose Sekundärinfektion im Atemtrakt. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann der Typ b schwere Erkrankungen auslösen, gefürchtet sind vor allem Gehirnhaut- oder Kehldeckelentzündung. Die Erkrankung spricht meist gut auf rechtzeitige Antibiotikagabe an. In sehr seltenen Fällen verläuft sie allerdings "galoppierend" und kann dann schnell zum Tode führen. Meine Entscheidung: Die Hib-Impfung empfehle ich nicht generell. Eltern, die ihre Kinder gesund ernähren (auch ausreichend Stillen) und ein gesundes Umfeld bieten, rate ich eher von einer Impfung ab. Bei Kindern, die "schwächeln", häufig krank sind oder bereits viel antibiotisch behandelt werden mußten, rate ich eher zu. Auch Eltern mit erhöhtem Sicherheitsbedürfnis sollte man nicht abraten. "Schluckimpfung ist süß ..." – trotzdem wird heute gespritzt Polio (Kinderlähmung) wird durch Viren übertragen. In der Regel verläuft die Erkrankung harmlos und unbemerkt oder kommt nicht über ein grippeartiges Stadium hinaus und wird dann auch nicht als Polio erkannt. Sie kann in etwa 0,1% der Fälle zu bleibenden Lähmungen oder gar zum Tod führen. Die Polio ist in Deutschland sehr selten geworden. Seit 1962 wurde in Deutschland zur Prophylaxe gegen die Kinderlähmung die "Schluckimpfung" verabreicht. Es handelte sich um einen Lebendimpfstoff, der unkompliziert zu verabreichen war, aber eine schwerwiegende Komplikation aufwies: Es kam wiederholt zu Impfinfektionen z. B. von den geimpften Kindern zu den nicht geschützten Eltern, die dann in einigen Fällen selber mit Bleibeschäden erkrankten. Die dadurch registrierten Fälle waren fast ausnahmslos Impffolgeerkrankungen! Deshalb wird seit 1998 in Deutschland von der "Stiko" die sogenannte "Inaktivierte Polio-Vakzine" (IPV) empfohlen. Sie wird heute fast ausschließlich angewendet. Meine Entscheidung: Von der Polio-Impfung rate ich nicht generell ab, ängstlichen Eltern rate ich eher zu. Viele Eltern schieben die Polio-Impfung aus guten Gründen auf ein Alter von drei Jahren (vorher tritt die Krankheit kaum auf). Das unterstütze ich. Die Masern-Impfung führt zu paradoxen Ergebnissen Die Masern werden durch ein Virus übertragen. Bis vor 25 Jahren war diese akute Erkrankung durch die hohe Ansteckungsfähigkeit weltweit verbreitet. Die Durchseuchungsrate bestand zu fast 100 Prozent. Sie ist eine typische Kinderkrankheit des Kleinkindes bis Schulkindalters und hinterläßt eine lebenslange Immunität. In der Regel verläuft diese Erkrankung ganz harmlos. In 10 bis 20 Prozent der Fälle treten zwar Komplikationen auf, vor allem Masernotitis (Mittelohrentzündung) und Masernpneumonie (Lungenentzündung), die aber auf Antibiotikatherapie gut ansprechen. In solchen Fällen sind Antibiotika voll gerechtfertigt. In etwa 1 von 1000 Erkrankungen tritt die gefürchtete Masernencephalitis, eine Gehirnentzündung, auf. Dann muß in einem Teil der Fälle mit bleibenden Schäden oder sogar mit tödlichem Ausgang gerechnet werden. Nach den Vorstellungen der WHO (Weltgesundheitsbehörde), sollen die Masern durch eine hohe weltweite Durchimpfungsrate ausgerottet werden. Die Masern-Impfung ist jedoch eine von jenen, die sehr wohl überdacht werden könnten. Nach einer Untersuchung, die in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift "Lancet" veröffentlicht wurde, sollen geimpfte Kinder weitaus häufiger an allergischen Krankheiten wie Ungeimpfte erkranken. Trotz hoher Impfrate in den Industrieländern zirkuliert das Masernvirus weiterhin in der Bevölkerung. Erstaunlich ist, daß die Durchseuchung bei den unter 5-Jährigen infolge der Impfungen vermutlich unter 10 Prozent liegt, hingegen bei den über 30-jährigen bei über 95 Prozent. Fast ein Drittel aller Masernfälle, so wird berichtet, treffen heute Jugendliche und Erwachsene. Komplikationen treten in diesem Alter doppelt so häufig auf wie bei Kleinkindern. In den USA, einem Land mit der höchsten Durchimpfungsrate gegen Masern, tritt die Krankheit immer wieder in großen Epidemien auf und verläuft sehr schwer. Masern treten trotzdem auf, aber viel früher und viel später Wie kann man die Verschiebung der Erkrankung in das Erwachsenenalter erklären? Der Impfstoff verursacht eine Schutzwirkung von 90 bis 95 Prozent. Doch nach 1 Jahr weisen 16 Prozent keinen Impfschutz mehr auf! Aus diesen Gründen wird heute eine schon baldige Auffrischungsimpfung von der Stiko (ständigen Impfkommission) empfohlen, was wiederum sehr fragwürdig ist, da nach der Auffrischungsimpfung die Abwehrstoffe gegen Masern erneut sehr schnell absinken, so daß am Ende wieder kein Impfschutz mehr besteht. Dies hat bedenkliche Konsequenzen: Schwangerschaften treten heute im Durchschnitt zu einem späteren Zeitpunkt auf als früher. Die geimpften werdenden Mütter haben zu diesem Zeitpunkt häufig schon keinen genügenden Schutz mehr. Gegen viele Krankheiten sind Säuglinge für die erste Zeit geschützt durch mütterliche Antikörper, die sie vor der Geburt erhalten haben oder über die Muttermilch aufnehmen. Wenn aber die Mütter nicht ausreichend immun sind, so genießen auch die Neugeborenen nur einen schwachen Nestschutz gegen die Masern. Das Erkrankungsalter verschiebt sich somit nicht nur nach oben, sondern zusätzlich nach unten, was wiederum mit der Gefahr erhöhter Komplikationen einhergeht. Der Impfstoff wird aus lebenden, abgeschwächten Masernviren hergestellt. Diese werden auf Hühnereiern und menschlichen Krebszellen gezüchtet und mit Antibiotika versetzt. Die Impfung birgt ein Allergierisiko gegen Hühnereiweiß und menschliches Eiweiß in sich: Wenn Kinder so früh mit fremdem Eiweiß konfrontiert werden, dazu noch nicht einmal über den Verdauungstrakt, sondern direkt im Blut, deutet ihr Immunsystem diesen Stoff möglicherweise als Angreifer. Entscheidender aber ist eine gefürchtete Impfkomplikation: die Encephalopathie (Gehirnerkrankung), die zu Entwicklungsstörungen führen kann, aber zum Zeitpunkt der Impfung oft unbemerkt bleibt. Sie ist zwar juristisch als Impfschaden anerkannt, doch häufig läßt sich ein Zusammenhang mit der Impfung nicht nachweisen. Meine Entscheidung: Die Masernimpfung empfehle ich wegen der häufigen Impfreaktionen und möglichen lebenslangen Folgen nicht. Röteln für jugendliche Mädchen, Mumps für Jungs Die Röteln gehören im Kindesalter zu den harmlosesten Viruserkrankungen. Wenn überhaupt Beschwerden auftreten, so sind dies leichtes Fieber und schmerzhaft geschwollene Lymphknoten im Nackenbereich. Sehr gefährlich dagegen werden die Röteln für schwangere Frauen bzw. für die ungeborenen Kinder: Wenn die Mutter während der ersten drei Monate der Schwangerschaft an Röteln erkrankt, können schwere Mißbildungen am Embryo entstehen. Dies wird als Impfargument angeführt. Doch im Falle der Röteln verhält es sich ähnlich wie bei den Masern: Das frühe Impfen bewirkt im Gegensatz zur durchgemachten echten Infektion keine anhaltende Immunität. So kommt es, daß gerade Frauen in der Frühschwangerschaft nicht mehr genügend gegen eine Infektion geschützt sind. Meine Entscheidung: Rötelnimpfungen empfehle ich nur für Mädchen, und dann erst, wenn die natürlichen Röteln bis zum 13. oder 14. Lebensjahr noch nicht durchgemacht wurden. Auch hier empfiehlt sich zu Beginn der Pubertät eine Titerbestimmung im Blut: dabei wird die Anzahl der Antikörper festgestellt. Auch Mumps ist eine typische Kinderkrankheit. In diesem Alter verläuft sie in der Regel unkompliziert. Typisch für diesen "Ziegenpeter" ist die dicke Backe: die einseitige Schwellung der Speicheldrüsen im Kieferwinkel. Auch andere Drüsen oder Gewebe können befallen sein (daher z. B. Bauch- oder Kopfschmerzen). Eine gefürchtete Komplikation tritt bei Männern im Erwachsenalter auf: die Unfruchtbarkeit nach Hodenbeteiligung. Meine Entscheidung: Die Mumpsimpfung kommt für Buben in Frage, wenn der Mumps nicht bis zum 9. oder 10. Lebensjahr durchgemacht wurde. MMR: fragwürdige Kombinationsimpfung In der Regel wird heute gleichzeitig gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft (MMR-Impfung). Da alle drei Impfungen, zumindest als Pauschalimpfung für alle in früher Kindheit, von zweifelhaftem Nutzen sind, fällt es leicht, auch die Kombination abzulehnen. In letzter Zeit wird im Zusammenhang mit der Masern-Mumps-Röteln-Impfung das Auftreten von Autismus, einer tiefgreifenden kindlichen Verhaltensstörung diskutiert. Es gibt Wissenschaftler, die von einer Art "Epidemie" seit den 80er Jahren sprechen, was in England zu einem drastischen Rückgang der Impfraten geführt hat. Auch Morbus Crohn und ähnliche Darmentzündungen sollen vermehrt nach MMR-Impfungen aufgetreten sein. Viele "Störfälle" nach Hepatitis-Impfungen Die Hepatitis B (Serumhepatitis) ist eine Virusinfektion der Leber. Der Name Serumhepatitis stammte noch aus der Zeit, als diese Infektionskrankheit nicht selten durch Bluttransfusionen infizierter Spender übertragen wurde. Heute stehen sichere Nachweismethoden zur Verfügung, so daß dieser Infektionsweg nicht mehr auftreten sollte. Sie wird in aller Regel von Blut zu Blut, sowohl durch direkten Kontakt (auch beim Geschlechtsverkehr) als auch indirekt durch kontaminierte Gegenstände verschiedenster Art übertragen. Eine Wunde als Eintrittspforte wird, allerdings nicht einheitlich, als Voraussetzung angesehen. Auch infizierte Mütter können das Virus bei der Geburt auf das Neugeborene übertragen. Chronische, also nicht ausgeheilte Verlaufsformen sind nicht ganz selten. Die Erkrankung kann zur Leberzirrhose führen, die wiederum in einem Prozent der Fälle mit Leberkrebs endet. Ohne Zweifel sind die verschiedenen Virusinfektionen der Leber immer sehr ernst zu nehmen. Zur Grundimmunisierung werden heute ab dem 2. Lebensmonat drei Impfungen im Abstand von je 4 bis 8 Wochen durchgeführt. Danach folgen weitere Auffrischungsimpfungen zwischen dem vollendeten 12. und dem vollendeten 18. Lebensmonat. Der Impfstoff wird gentechnisch hergestellt, weil sich Viren nur schwer anzüchten lassen. Wie anderen Impfstoffen auch werden zumeist eine Aluminiumverbindung (Aluminiumhydroxid), eine Quecksilberverbindung (Thiomersal), das berüchtigte Formaldehyd und Antibiotika als Konservierungsstoffe zugefügt. Der Impfschutz ist nicht 100prozentig. Es gibt Untersuchungen, die davon sprechen, daß bei jedem dritten Erwachsenen ein Impfversagen vorkommt. Vor allem bei den Impfversagern wurden vermehrt Autoimmunerkrankungen (Krankheiten, bei denen das Abwehrsystem körpereigene Zellen angreift) gefunden. Einer Untersuchung zufolge wurden in den USA zwischen 1990 und 1998 24.775 Fälle von Impfreaktionen nach HepatitisB-Impfung gemeldet. Davon waren 9.673 sehr ernst, 439 Kinder starben. Besonders schwerwiegend sind Hinweise auf Fälle von Nervenentzündungen, Multipler Sklerose und Gehirnentzündung. Einer anderen amerikanischen Untersuchung zufolge wurde festgestellt, daß nach der Impfung im 2. Lebensmonat das Risiko für Diabetes um das Doppelte ansteigt. In Frankreich wurde die HepatitisB-Impfung wegen schwerer Nervenerkrankungen 1998 ausgesetzt. Meine Entscheidung: HepatitisB-Impfung führe ich im Kindesalter nicht durch. Sie kommt nur für Risikogruppen in Frage – für Jugendliche und Erwachsene, die häufigen Partnerwechsel haben, drogenabhängig sind, die in Sozial- und Heilberufen tätig sind, oder "Rucksackreisen" in Ländern mit erhöhtem Hepatitisrisiko durchführen. Das Immunsystem fordern, jedoch nicht überfordern Ohne Impfungen geht es in unserer heutigen Zeit nicht mehr. Aber man kann sie auf ein sinnvolles Maß reduzieren. Viele Ärzte – und ich handhabe es auch so – impfen nicht vor dem 6. Lebensmonat. Das Immunsystem eines Säuglings ist erfahrungsgemäß in den ersten sechs Monaten noch längst nicht ausgereift; deshalb genießt der Säugling ja zum Teil Schutz durch mütterliche Antikörper. Und nicht ohne Grund hat es die Natur offenbar so eingerichtet, daß das Kind erst nach dieser Zeit zu krabbeln anfängt, dadurch seinen Aktionskreis erweitert und vermehrt mit "Dreck" in Berührung kommt. Nach einer Grundimmunisierung wird in späteren Jahren nur dann eine Auffrischimpfung durchgeführt, wenn die Bestimmung des Impftiters für die jeweilige Krankheit zu niedrige Werte ergibt. Als Titer bezeichnet man die feststellbare Menge der Antikörper gegen den bestimmten Erreger. Ist er zu gering, steigt das Risiko für die entsprechende Krankheit. Diese sinnvolle und sichere Kontrolle wird leider auch heute noch von Ärzten und Patienten viel zu wenig genutzt. Impfärzte beobachten bei mehr als jeder dritten Impfung grippeartige Allgemeinreaktionen, wie Rötung, Schwellung und Schmerzen. Häufig treten auch Fieber, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Gelenkbeschwerden auf. Sicher heißt das nicht, daß schwerwiegende Impffolgen zu befürchten sind. Dennoch zeigt es, daß es beim Impfen nicht nur um einen "harmlosen Pieks" geht. ? Was hat die Grippe-Impfung mit der "Grippe" zu tun? Die "echte" Grippe hat nichts mit dem zu tun, was der Volksmund "Grippe" nennt und auch im ärztlichen Jargon als "grippaler Infekt" (Erkältungen) bezeichnet wird. Sie wird von Influenza-Viren ausgelöst, die die Schleimhaut des Atemtrakts angreifen und dadurch anderen Erregern (z. B. Haemophilusinfluenza oder auch Pneumokokken) die Möglichkeit zu Sekundärinfektionen bieten. Die Grippe tritt gehäuft in Wintermonaten auf, in manchen Jahren als regelrechte Epidemie. Gefürchtet ist sie wegen ihrer Komplikationen bei sehr alten und geschwächten Patienten. Rund 90 Prozent der Grippe-Todesfälle werden durch die als Sekundärinfektion entstehenden Lungenentzündungen oder Bronchitiden verursacht. In der Regel handelt es sich dabei um Patienten, denen es ohnehin sehr schlecht ging. Auf diese Risikogruppen – hierzu können z. B. auch schwer an Diabetes Erkrankte gehören – sollte sich der Versuch, mit Impfung vorzubeugen, konzentrieren. Die "Ständige Impfkommission" (Stiko) empfiehlt jedoch, alle Personen über 60 Jahre gegen Grippe zu impfen; und zwar jährlich, denn die Grippe-Viren verändern sich schnell. Jeden Sommer versucht die Weltgesundheitsorganisation WHO einen neuen Impfstoff zu bestimmen, der wahrscheinlich die Grippe-Viren des nächsten Winters beinhaltet. Meine Entscheidung: Die Grippe-Impfung kommt nur bei sehr alten, hinfälligen oder schwerkranken Personen in Frage. Sie bietet im übrigen keinerlei Schutz gegen einen "grippalen Infekt"; es wäre eine Illusion anzunehmen, man könne so vor Erkältung verschont bleiben. Im Gegenteil, es werden nach der Impfung vermehrt Infekte beobachtet. Eine gesunde, das Immunsystem stärkende Ernährung und Lebensweise sowie "abhärtende" Maßnahmen (z. B. Kneippen) ist die beste Prophylaxe.

Vorschau 8/2005

Im diesem Heft lesen Sie:

Naturheilwissen Herzstolpern – harmlos oder gefährlich? Fast alle Menschen leiden von Zeit zu Zeit unter Herzrhythmusstörungen, die jedoch meist nicht behandelt werden müssen. Gleichzeitig bleiben ernsthafte Herzprobleme häufig unentdeckt – oder Betroffene werden mit ihren Beschwerden alleingelassen. Richtungsweisend ist die Art der Symptome: Handelt es sich um Stechen, Stolpern, Enge, Belastungsschmerz, Angst oder Schwindelgefühl? Wie welche Herzbeschwerden zu deuten sind und welche Behandlung dann angezeigt ist, erklärt Dr. med. Rainer Matejka. Wenn das offene Bein nicht heilt „Ulcus cruris“ werden … weiterlesen

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Naturarzt 7/2005

Die Naturarzt-Ausgaben sind durch die nebenstehenden Rubriken gegliedert. Klicken Sie auf den Rubrikbalken, so erhalten Sie Kurzinformationen über die Artikel, die seit 2001 in diesem Ressort erschienen sind. Wenn Sie den vollen Text lesen möchten, bestellen Sie das jeweilige Heft online oder Kopien einzelner Artikel über den Leserservice (nur gegen Vorkasse). Der Naturarzt ist eine populärwissenschaftliche Fachzeitschrift mit dem Themenspektrum Naturheilkunde. Die Zeitschrift erscheint im Jahr 2004 bereits im 144. Jahrgang. Für den Naturarzt schreiben erfahrene Ärzte und ausgesuchte Experten für Naturheilverfahren, ganzheitlich orientierte Mediziner und Therapeuten, die sich der Grenzen der Apparatemedizin bewusst sind. Sie berichten über naturgemäße Heil- und Lebensweisen, berücksichtigen aber auch schulmedizinische Aspekte, wo es notwendig ist.

Die Zeitschrift behandelt populärwissenschaftlich gesundheitlich relevante Themen – unter Einbeziehung altbewährter Naturheilverfahren und neuerer Erkenntnisse aus der ganzheitlichen Medizin – für Laien und Therapeuten. Der Naturarzt tritt ein für den weitgehenden Verzicht auf pharmazeutische Produkte mit ihren oft gefährlichen Nebenwirkungen. Er spricht die Sprache der Patienten, anders als bei einem Arztbesuch wird dem Leser verständlich, wie körperliche und seelische Befindlichkeiten zusammenhängen. Auch die Leser kommen zu Wort. Sie schildern ihre Erfahrungen auf der Suche nach der richtigen Therapie und berichten, … weiterlesen

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