Liebe Leserin, lieber Leser,
Ich fahre durch die Wüstenstadt Beaufort West (Südafrika) und sehe im Augenwinkel ein kleines Schild. Ein weltberühmter Mediziner stammt von hier. Ich hatte es schon vor längerem in einem Reiseführer gelesen. Ich parke das Auto und finde mich kurze Zeit später in einem kleinen Museum wieder. Es besteht nur aus einem Raum. Dieser enthält eine Vielzahl von Anerkennungsurkunden, Preisverleihungen und Ehrenmitgliedschaften aus allen Kontinenten und diversen berühmten Universitäten. Viele dieser Urkunden wirken in ihrer Machart eigenartig schwulstig und altmodisch, so daß man sie auf das 19. Jahrhundert datieren würde. In Wirklichkeit sind viele nicht einmal 20 Jahre alt. Ein sehr naturalistisch gestaltetes Modell des Operationstisches mit Herz-Lungen-Maschine und Puppen als Operateuren in grüner OP-Kleidung beeindruckt mich besonders.
Zahlreiche Fotos zeigen den berühmten Arzt zusammen mit ebenfalls berühmten Berufskollegen aus aller Welt. Zeitungsausschnitte dokumentierten die Dramatik um die erste Herzverpflanzung im Jahr 1968: Richtig, der erste Patient hieß Louis Vashkansky und verstarb wenige Stunden nach der Operation. Der zweite, Philipp Bleiberg, lebte schon über ein Jahr. Ich kann mich – obwohl noch ein Kind – sehr genau an die damalige Zeit erinnern, als Abendnachrichten und teilweise Sondersendungen über diese Ereignisse berichteten – statt, wie heute, über
langatmige Tarifverhandlungen.
Neben dem Museum befindet sich eine kleine Kirche, in der der Vater des berühmten Mediziners als Pfarrer wirkte, daneben wiederum das Elternhaus. Es besteht aus mehreren großen hohen Räumen mit relativ kleinen Fenstern. Gleich rechts das Musik- und Empfangszimmer, links das Büro. Weiter hinten das Schlafzimmer mit Eisengitterbett, in dem er geboren wurde. Auf der Kommode steht eine große Schüssel mit mehreren Wasserkrügen. Schwere Holzmöbel, teilweise aus Ebenholz, hinterlassen bei mir einen etwas bedrückenden Eindruck. Rechts neben dem Schlafzimmer das Spielzimmer. Darin handgefertigtes Holzspielzeug: mehrere Puppen, eine Holzeisenbahn.
Auf die Frage, warum er Kardiologe geworden sei, soll er einmal geantwortet haben, weil er mehr verdienen wollte als andere. Sein Bruder war übrigens auch Kardiologe.
Im Garten vor dem Haus eine schlichte Grabplatte. Dort ist seine Urne begraben. Auf der Grabplatte steht sinngemäß: „Ich bin wieder nach Hause zurückgekehrt“ – Christiaan Nethling Barnard 1921–2001.
Auf der Weiterfahrt überlege ich: Wer redet eigentlich heute noch über Herztransplantationen? Schon lange habe ich in der ärztlichen Fachliteratur nichts mehr davon gehört. Macht man keine mehr oder ist alles Routine geworden? Auf Recherche finde ich heraus, daß in Deutschland derzeit gerade einmal 400 Herztransplantationen pro Jahr durchgeführt werden. Die Tendenz ist rückläufig, weil zunehmend neue technische Pumphilfen bei Herzschwäche eine Transplantation überflüssig machen.
Sicherlich könnte eine gesundheitsbewußte Ernährungsweise diese Zahl sogar bis nahe Null reduzieren – ein wünschenswertes Ziel. Trotzdem gestatten Sie mir heute diese medizingeschichtlichen Reflexionen: „Barnard“ statt „Besenginster“.
Mit besten Grüßen