Blaue Zonen, langes Leben

Blaue Zonen, langes Leben

Liebe Leserin, lieber Leser,
auf Gesundheitskongressen hört man aktuell häufiger Vorträge über „blaue Zonen“. Damit sind Regionen gemeint, in denen Menschen besonders alt werden. Der US-amerikanische Journalist Dan Buettner beschrieb vor einigen Jahren fünf solcher Regionen, in denen Menschen bei erstaunlich guter Gesundheit ein hohes Alter erreichen: Sardinien (die Dörfer Ogliastra/Barbagia), Griechenland (Insel Ikaria), Japan (Insel Okinawa), Costa Rica (Halbinsel Nicoya) und USA (Loma Linda/Los Angeles). Auch wenn die Methode der Datenerhebung mittlerweile von wissenschaftlicher Seite kritisiert wird (die Daten von Okinawa beispielsweise sollen von vor dem 2. Weltkrieg stammen und nicht mehr aktuell sein), sind die erhobenen Gemeinsamkeiten doch interessant.

Demnach kommt es für die Langlebigkeit („Longevity“) neben Genetik vor allem auf folgende Faktoren an: Die Ernährung sollte vorwiegend pflanzenbasiert sein mit wenig Fertignahrungsmitteln, leicht unterkalorisch, dazu weitgehender Verzicht auf Tabak und Alkohol. Regelmäßige, am besten tägliche körperliche Bewegung, zum Beispiel in Form von Gartenarbeit, ist wichtig. Soweit also klassische naturheilkundliche Leitmotive, wie wir sie von Hippokrates bis Kneipp kennen.

Weitere wichtige Faktoren sind starke soziale bzw. familiäre Bindungen. Sie bieten Stütze und Halt in schwierigen Lebenssituationen. Sinnstiftende Tätigkeiten und Spiritualität erfüllen dasselbe Bedürfnis. So lebt in Loma Linda mit rund 9000 Menschen eine der größten Gemeinden der Adventisten des siebenten Tages.

Auffallend bei diesen „Blue Zones“: Sie liegen alle in wärmeren Gefilden und in Nähe zum Meer. Regionen mit wochenlangem Schmuddelwetter weisen offenbar keine blauen Zonen auf. Trotzdem wäre natürlich die Frage interessant, ob es auch anderswo „blaue Zonen“ gibt. Tatsächlich sollen die Menschen in Baden-Württemberg im Durchschnitt älter werden als in den anderen Bundesländern. Mich würde interessieren, in welcher Region genau.

Immerhin wurde in der Literatur die Stadt mit den meisten Hundertjährigen in Deutschland erwähnt: Würzburg (Regierungsbezirk Unterfranken/Bayern). Und dazu kann ich etwas sagen: Zu meiner Studienzeit (ich habe die klinische Zeit dort studiert) gab es einen Ordinarius für Innere Medizin, der sich mit Langlebigkeit und speziell Hundertjährigen beschäftigte. Ab und an wurden solche Menschen in den Hörsaal eingeladen und erzählten aus ihrem Leben. Wir Studenten konnten sie befragen. Eine Botschaft dieser betagten Menschen ist mir in besonderer Erinnerung: „Maßhalten in allen Dingen“ sei das A & O – ansonsten eine eher einfache Lebensweise mit „einfacher Kost“ und körperlicher Arbeit und „nicht so viel ärgern“, aber nicht unbedingt radikale Askese.

Am Ende des Semesters lud uns der besagte Professor vor dem Hörsaal zu einem Umtrunk mit Frankenwein ein. Ich weiß nicht, ob es so etwas heute noch gibt, könnte mir aber vorstellen, dass das wegen „möglicherweise ungeklärte Haftungsfragen“ gar nicht mehr möglich wäre.

Mit besten Grüßen
Dr. med. Rainer Matejka