Liebe Leserin, lieber Leser,
vor einigen Wochen gestaltete ein bekannter Modeschöpfer die Sonntagsausgabe einer Wochenzeitung. Auf einer Seite formulierte er handschriftlich: „The best things in life are free“ (Die besten Dinge des Lebens sind kostenlos) – und listete dann fünf Punkte auf: 1. guter, fester Schlaf 2. Lesen 3. Sonne 4. Mondnacht im Süden 5. Zeit für sich selbst. Unschwer erkennen wir darin Grundprinzipien der klassischen Naturheilkunde, insbesondere die sogenannte Ordnungstherapie. Gleichwohl könnte man sich die Reihenfolge auch umgekehrt vorstellen.
Was käme wohl heraus, würde im Auftrag der Bundesregierung und der „Spitzenverbände“ der Krankenkassen ein Expertengremium einberufen, um die fünf wichtigsten Dinge herauszufinden? Mit Sicherheit würde man keinen gestandenen Landarzt fragen und ebenso wenig einen Krankenhaus-Arzt im Notdienst. Und schon gar nicht einen naturheilkundlich ausgerichteten Therapeuten. Nein, in einem solchen Fall müssten andere „Experten“ her, am besten solche, die die praktische Medizin nur vom Hörensagen kennen. Zum Beispiel Gesundheitsökonomen. Das ist eine Spezies, die in jüngster Zeit z. B. den Krankenhausärzten vorschreibt, welche Diagnosen sie zu stellen haben, damit das Krankenhaus optimiert im Sinne der Fallpauschalenregelung abrechnen kann.
Möglicherweise wäre aber auch der Gesundheitsökonom nicht ausreichend. Es braucht ein weiteres Kaliber von Experten. Hier fällt mir eine Gruppe ein, deren Existenz der Mehrheit der Bevölkerung nicht bekannt sein dürfte: die Epidemiologen. Schon der Begriff ist irgendwie zum Fürchten. Ihr Tätigkeitsfeld hat – frei übersetzt – mit der Lehre von seuchenhaft verbreiteten Erkrankungen zu tun. Welche fünf wichtigsten Ratschläge könnte nun ein Epidemiologe geben? Ich unterstelle mit ironischem Augenzwinkern einmal folgendes:
1. Kontrollieren Sie regelmäßig Ihren Impfausweis und lassen Sie alle erforderlichen Impfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) durchführen!
2. Gehen Sie regelmäßig zur Krebsvorsorgeuntersuchung, insbesondere Mammographie.
3. Ernähren Sie sich ausgewogen: „Von allem etwas – es gibt keine guten und keine schlechten Nahrungsmittel.“ Eine Auffassung, die lange Zeit auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) mit Penetranz vertreten hat, die bei genauerer Betrachtung unsinnig und fachlich verkehrt ist.
4. Rauchen Sie nicht und trinken Sie höchstens ein Glas Wein pro Tag. (Wenn man schon genau sein will, müsste man sagen: höchstens 3–4 Gläser pro Woche. Denn so zeigen es jedenfalls Metaanalysen, d. h. zusammenfassende Auswertungen verschiedenster Studien.)
5. Sorgen Sie für einen normalen Cholesterinspiegel. Dieser sollte „so niedrig wie möglich“ sein.
Wie gesagt – diese Auflistung ist natürlich nicht ganz ernst gemeint. Ich könnte sie mir aber durchaus als realistischen Kontrast zu den Vorschlägen des Modedesigners vorstellen. Wenn ich beides gegeneinander abwäge, kann ich nur sagen: Karl Lagerfeld ist mir als „Gesundheitsexperte“ lieber als manch humorloser Wissenschaftler. Dabei fällt mir noch ein Ausspruch des englischen Arztes Tomas Sydenham aus dem 17. Jahrhundert ein: „Für die Gesundheit der Stadt ist die Ankunft eines Clowns ungleich wertvoller als 30 mit Medikamenten beladene Esel.“
In diesem Sinne
grüße ich Sie herzlich
Ihr Dr. med. Rainer Matejka