Die 23-jährige Barbara L. (Name geändert) berichtete, seit mehr als einem halben Jahr stark erschöpft zu sein. „Ich habe mehrere Ärzte konsultiert. Sie fanden nur einen niedrigen Hämatokritwert. Serumeisen und Ferritin sind im unteren Normbereich. Meine Schilddrüse war unauffällig.“ Der Hämatokritwert besagt etwas über die Fließfähigkeit des Blutes. Steigt er über die Norm, kann das Blut leichter verklumpen. Bei einem erniedrigten Wert lag bei Frau L. also keine Thrombose-Gefahr vor. Die weißen Blutzellen (Leukozyten) und der Hämoglobinwert lagen im Normbereich. Offenbar schien auf der zellulären Ebene alles in Ordnung zu sein. Dennoch fühlte sie sich nicht fit. Eine depressive Verstimmung konnte durch einen Test (Fragebogen PHQ-9) ausgeschlossen werden.
Bei der Erstbefragung fanden sich Bauchschmerzen zu unterschiedlichen Tageszeiten, teils gepaart mit Kopfschmerz. Dieser zeigte sich meist an der Stirn, ab und zu an der rechten Schläfe. Beim Bücken wurde alles schlimmer. Sie hatte keinen Schwindel, beklagte aber Appetitlosigkeit ohne Übelkeit.
Bei der Inspektion des Mundraums fiel eine sehr breite Zunge auf, die am Rand deutliche Zahneindrücke aufwies. Nach der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) deutete das auf eine Milzschwäche hin. Die Milz hat gemäß der Lehre der TCM als Hauptaufgabe die Energiegewinnung aus der Nahrung und deren Umwandlung in körpereigene Energie (Qi). Liegt eine Milzschwäche vor, läuft dieser Prozess ungeordnet, und der Patient fühlt sich erschöpft, obwohl die Laborparameter in Ordnung sind. Deshalb wurde bei Frau L. ein Aufbau der Milz nach chinesischer Ernährungslehre angestrebt.