Liebe Leserin, lieber Leser,
von den 1990ern bis in die Nullerjahre hinein gab es in der Politik das Dauerthema „Kostendämpfung im Gesundheitswesen“. Bis dahin zahlten die Kassen fast alles, was der Arzt machte oder veranlasste und Patienten einforderten. Das führte zu „hemmungslosen Leistungsausweitungen“. Ich habe es Ende der 1980er-Jahre selbst in den Landpraxen erlebt: Routinemäßig wurden z. B. eine ganze Reihe von Patienten bis zu zweimal wöchentlich besucht, um zu fragen, ob sie ein Rezept brauchen, den Blutdruck zu messen und ein wenig zu „tratschen“. Das mag für viele ältere und alleinstehende Patienten ein Segen gewesen sein, geht aber über den Auftrag der Krankenkassen hinaus.
In deutschen Krankenhäusern war die durchschnittliche Verweildauer dreimal so lang wie im europäischen Ausland. Dann kam, was kommen musste: Beitragserhöhungen, zunehmend Pauschalierungen und Leistungsausschlüsse, Regressdrohungen für niedergelassene Ärzte. Davon hat sich etwa die Hausarztmedizin nie mehr erholt. Mit steigenden Lohnsummen seit den späten Nullerjahren war das Thema Kostendämpfung dann etliche Jahre aus den Schlagzeilen heraus. Die gesetzlichen Krankenkassen verzeichneten erhebliche Überschüsse.
Aktuell geht das Gejammere wieder los. Ein Experte warnte kürzlich vor einem Kassendefizit von mindestens 27 Milliarden Euro. Interessanterweise wird dieses Mal (noch) nicht – wie früher – eine Ausweitung des Beitragsaufkommens diskutiert („auch Ersparnisse sollen für die Beitragsbemessung relevant sein“), sondern man schlägt erhöhte Steuerzuschüsse vor. So läuft es ja seit Jahren auch bei der gesetzlichen Rente, deren Bezuschussung ein Drittel des Bundeshaushaltes verschlingt. Die Politik kennt nur ein „Weiter so“.
Ich hätte einen anderen Vorschlag: eine Kombination von Rationalisierung (weniger Kassen = weniger Verwaltung) und Ausschluss sachfremder Leistungen, die von der Politik aufgehalst wurden.
Vor ein paar Jahren gab es im Deutschen Ärzteblatt die Serie „Klug entscheiden“. Dabei wurden Checklisten erarbeitet, welche Leistungen in bestimmten Situationen erbracht werden sollten und welche komplett überflüssig sind.
Zusätzlich sollte ein gesundheitsbewusster Lebensstil durch Beitragsentlastungen belohnt werden. Damit würden nicht alle Probleme gelöst, aber es gäbe weniger schwere Erkrankungen. Dann müssten Gesundheitspolitiker und Funktionäre nicht papageienartig den Satz wiederholen: „Wer medizinischen Fortschritt wolle, müsse steigende Beiträge akzeptieren.“ Fortschritt durch Weglassen des Unnötigen, mehr Effizienz und bessere aktive Prävention sind nachhaltiger!