Gedanken für ein mieses Leben
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Bewusstsein

Gedanken für ein mieses Leben

Dr. jur. Thomas Hartl

Die Hirnforschung erklärt uns, dass wir pro Tag rund 60.000 bis 80.000 Gedanken kreieren. Die allermeisten Gedanken, die uns heute durch den Kopf gehen, hatten wir gestern auch schon. Ebenso wie vorgestern und vorvorgestern … Unser Gehirn strebt nämlich danach, im Gewohnheitsmodus zu arbeiten, weil es dabei weitaus weniger Energie verbraucht.

Das ist auch ein wesentlicher Grund dafür, warum sich vieles in unserem Leben immer wiederholt. Tag für Tag rufen wir die gleichen Geschichten und Bewertungsmuster ab. Wenn wir also unser Gehirn täglich mit negativen oder belanglosen Bildern füttern und überfluten, dann bilden sich im Gehirn dementsprechende neuronale Netzwerke, die quasi diese „Realität“ in unserem Gehirn abbilden. Sie brauchen sich bloß klarzumachen: Die Welt ist ein böser, gefährlicher, bedrohlicher Ort – Ihr Mantra. Alles andere macht Ihr Gehirn dann ganz automatisch. Toll, nicht wahr?

Doch es kommt nicht nur auf den Inhalt der Gedanken an, die wir uns angewöhnen, sondern auch auf die Tonlage und das Tempo, wie wir denken. Unser Körper arbeitet und reagiert immer noch auf die gleiche Art und Weise wie die des guten alten Neandertalers. Weil jener verblichene Zeitgenosse des Öfteren mit Säbelzahntigern zu tun hatte, war seine Programmierung auf Kampf oder Flucht ziemlich vorteilhaft. Unsereiner, der dagegen bloß auf seinen Boss oder die Schwiegermutter trifft, muss den altehrwürdigen Reflex des Kampfes oder der Flucht unterdrücken und wird seine Stresshormone folglich körperlich nicht los. Laut kreischend vor der Schwiegermama davonzulaufen oder dem Chef die Fäuste zu zeigen, würde evolutionär eher unserem Naturell entsprechen, doch wir behalten die Stresshormone unverarbeitet in uns, was nicht das Gesündeste ist, aber ja nicht schlecht sein muss für den, der langfristig leiden will.

Sie fragen sich vielleicht, warum Ihnen noch nie aufgefallen ist, dass Ihr Denken eine bestimmte Tonlage und ein eigenes Tempo besitzt. Nun, das kommt so: Wenn wir etwas sehr lange, also über Jahre oder Jahrzehnte praktiziert haben, merken wir dies längst nicht mehr, eben weil wir es andauernd tun. Wenn Sie ohnehin die meiste Zeit im Kampf- oder Fluchtmodus durch Ihr Leben hetzen, brauchen Sie sich gar nicht um Tempo und Frequenz Ihres Denkens kümmern. Das ist dann ohnehin schnell und schrill. Und schnell und schrill macht Angst. Gedanken werden zu Gefühlen.

Die ständig wiederkehrenden Gedanken und Gefühle rufen allmählich auch körperliche Entsprechungen hervor. Ein saurer Magen durch viel Zorn oder muskuläre Verhärtungen und Zähneknirschen durch Verbissenheit und Starrsinn sind mehr die Regel denn die Ausnahme. Alle psychosomatischen Wehwehchen und Krankheiten beruhen auf diesem Prinzip. Unsere körperlichen Sensationen wiederum stimulieren erneut entsprechende Gedanken. Und diese wiederum Gefühle. Sie kennen das? Dann verfügen Sie ja bereits über elementares Grundwissen, wie man ein wirklich mieses Leben führt. Sehr schön! Es kann gar nichts mehr schiefgehen.

Weiterführende Literatur
W. Pichler, T. Hartl: Aus die Maus. Ratgeber für ein richtig mieses Leben, Wien, Gold­egg, 2022.

Autor
Dr. jur. Thomas Hartl ist Schriftsteller, Autorencoach und Journalist mit den Schwerpunkten Gesundheit, Medizin und Psychologie. Er hat an die zwanzig Bücher (Sachbücher und Literatur) veröffentlicht und hilft anderen dabei, sich ihren Traum vom Buch zu erfüllen. Weitere Informationen unter https://thomas-hartl.at