Liebe Leserin, lieber Leser,
„Öffnungsdiskussionsorgien“ nannte die Kanzlerin die vielerorts durchgeführten Überlegungen, wie es nach den Coronabeschränkungen weitergehen soll. Das kommt davon, wenn man – nicht das erste Mal – Denkverbote erteilt und bis Ostern ständig verbreitet, „über Exit reden wir nicht“. Die Exitdiskussion ist jetzt eines der wichtigsten Themen überhaupt, und man kann nur hoffen, dass sie zu klugen Entscheidungen führt und das Land nicht wieder in eine Labertaschendemokratur zurückfällt, mit Endlosdiskussionen, Nicht-Entscheiden und zersplitterten Lösungen, bis niemand mehr weiß, woran er ist.
Warum sind in der Bundesrepublik Österreich Anordnungen aus Wien im ganzen Land gültig, in der Bundesrepublik Deutschland hingegen Anordnungen aus Berlin eher Rahmenbedingungen, die in den einzelnen Bundesländern wieder ganz unterschiedlich ausgelegt werden? Jena hatte als erste Stadt die Maskenpflicht eingeführt und danach fast 14 Tage keine einzige Neuinfektion. Warum dauerte es so lange, bis Maskenpflicht zumindest in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln auch allgemein eingeführt wurde? Auch wenn der Schutz nicht hundertprozentig sein mag – besser als nichts ist er allemal, das sagen allein schon die Logik und jahrzehntelange Erfahrungen aus Asien.
Wie könnte es nun weitergehen angesichts „mutmachender“ Zahlen? Masken und Abstand werden wohl vorerst unverzichtbar sein. In diesem Punkt jetzt „pingelig“ zu sein, ist verkraftbar, lockerlassen kann man immer. Dies berücksichtigend, sollte man – wie jetzt geplant – weitere Lockerungen einleiten, vorbehaltlich Sonderregelungen für „Hotspots“. Warum soll die Gastronomie noch länger darben? Wenigstens eine Person/Familie pro Tisch (zum Essen Maske runter) plus Bedienung mit Maske sollten jetzt möglich sein. Auch die Bundesligen fangen bald wieder an. Jetzt lieber Geisterspiele aus Dortmund als Talkshows im Fernsehen …
Ob das Leben „nach der Pandemie“ völlig verändert sein wird? Mit Gottfried Benn würde ich vermuten „teils – teils“, was den Einzelnen anbetrifft. In der Wirtschaft – so bedauerlich es ist – werden vermutlich viele kleine Unternehmen verschwinden und der bewährte deutsche Mittelstand mal wieder die Hauptlast zu tragen haben – während die Sieger zunächst die Amazons (wenn der oft unreflektierte Online-Shoppingwahn so weitergeht), Mastercards und Microsofts sein dürften. Gelernt haben wir aber: Es gibt Bereiche, in der die kompletten Produktionslinien im Land bleiben müssen. Das gilt besonders für wichtige Medikamente und medizinisches Equipment für den Notfall.
Langfristige Auswirkungen auf das Gesundheitswesen? Ich denke oft an eine Aussage des Klinikbetreibers Werner Wicker: „Wenn das System teilweise kollabiert und wir uns nur noch auf das wirklich Notwendige konzentrieren müssten, würden wir uns alle wundern, mit wie wenig es auch ginge.“ Also zukünftig: Überflüssige „Modeoperationen“ weglassen, unnötige und nicht zielführende Diagnostik (Strahlenbelastung, falsch positive Befunde) vermeiden, die spezifisch deutsche „Facharztrennerei“ selbst bei „Ziehen im Nacken“ einschränken und – wie es Andreas Michalsen kürzlich in der Zeitschrift zkm ausdrückte – mehr auf echte Vorbeugung, ursächliche Behandlung und „Entchronifizierung“ von Krankheitsbildern hinwirken. Konzepte der Lebensstiländerung, wie sie die Naturheilkunde anbietet, können dazu Wertvolles und Nachhaltiges beitragen.