Liebe Leserin, lieber Leser,
Jahrzehnte lang schien die ambulante Medizin nur einen Mineralstoff zu kennen: Kalium, dessen Name sich vom arabischen Begriff für „Pflanzenasche“ ableitet, und das die Funktion von Herz, Muskeln und Nerven maßgeblich unterstützt. Neuerdings ist in der Fachliteratur nun immer wieder von Natriummangel die Rede. Bei betagten Menschen, die wegen Kollapsneigung oder Schwindel in ein Akutkrankenhaus eingewiesen werden, sollen in zehn bis 30 Prozent der Fälle ein Natriumdefizit bzw. Flüssigkeitsmangel hauptursächlich sein. Schwer vorstellbar. Wird doch stets vor zu hohem Kochsalzkonsum (Natriumchlorid) gewarnt und „salzarme Kost“ propagiert. Doch offenbar ist an der Sache mit dem Natriummangel etwas dran. Bei fastenden Menschen beispielsweise achten wir seit einigen Jahren konsequent auf eine ausreichende Natriumversorgung. Im Bedarfsfall werden sogar Salztabletten verabreicht. Die Erfahrung zeigt: In Einzelfällen fastet es sich mit ein wenig Natriumzufuhr leichter. Vermutlich hat man manch ein Symptom als „normale Fastenkrise“ eingestuft. In Wahrheit hatte der Natriummangel seine „Finger im Spiel“.
Einig sind sich internationale Experten darin, dass der Kochsalz-Konsum generell unter 5 g pro Tag liegen sollte. Höhere Werte gehen mit deutlich mehr Herzerkrankungen einher. Logisch, denn Salz führt zu einer erhöhten Speicherung von Flüssigkeit. Diese wiederum kann das Herz zusätzlich belasten. Auf einem Kongress in Davos hieß es neulich, dass man sich über die günstigste Zufuhrmenge von Kochsalz nach wie vor im Unklaren sei. Womöglich besteht eine U-förmige Beziehung zu Herzerkrankungen: D. h. eine Verminderung der Kochsalzaufnahme auf vielfach empfohlene 1,5 – 2,4 g pro Tag lässt krankhafte Herzereignisse ansteigen. Zwischen 3 und 5 g gelten demnach als optimal. Herzschützend hingegen wirkt sich eine deutliche Zuckerreduktion aus!
Auch Fachleute tun sich mit diesem Thema Salz so schwer. Womöglich verkompliziert ein Denkfehler die Lage zusätzlich: Fast immer wird Natriumchlorid (NaCl), also Kochsalz, mit Natrium (Na) gleichgesetzt. Hierbei handelt es sich jedoch um ein lebenswichtiges Einzelmineral, das unentbehrlich für die Aufrechterhaltung des Zellmilieus ist. Natrium findet sich beispielsweise auch in dunkelgrünem Blattgemüse, Sellerie und schwarzen Oliven. Auch eine Kost mit reichlich Gemüse gewährleistet also eine ausreichende Natriumversorgung. Ganz ohne die ständige Fixierung auf das Zuviel und Zuwenig von Kochsalz.
Neben unerkanntem Natriummangel rückt zunehmend auch schleichende Unterernährung im Alter in den Blickpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Der betagte Mensch verliert nach und nach das intensive Geschmacksempfinden. Dadurch funktionieren Reflexmuster, die beispielsweise die Verdauungssäfte anregen, nicht mehr so reibungslos. Der Appetit lässt nach. Dann dauert es nicht mehr lange und das ausgewogene Frühstück verkümmert zu einem halben Brot mit Kaffee. Oft folgt nur noch ein mageres Abendessen: maximal ein paar Bratkartoffeln mit etwas Wurst. Vitaminmangel, Mineralstoffmangel, Eiweißmangel und Übersäuerung können die Folge sein. Wird nicht ausreichend getrunken, verschlechtert dies die Blutzirkulation, sodass Schwindel, Fallneigung und Gedächtnisaussetzer vorprogrammiert sind. Eine optimierte Ernährung und Flüssigkeitszufuhr verbessern Zustände erheblich, die zuvor für den unabänderlichen Ausdruck des Alters gehalten wurden. Medizinischer Fortschritt kann manchmal so einfach sein!
Gesalzene Grüße,
Ihr Dr. med. Rainer Matejka