Dr. med. Rainer Matejka
Gichtanfall – Plötzlich schmerzt der Zeh
Ursache eines Gichtanfalles ist die Ablagerung von Harnsäurekristallen im Gelenk. Der Harnsäurespiegel im Blut gilt bei Männern als normal, wenn er unter sieben Milligramm pro Deziliter liegt, bei Frauen unter 5,7. Erhöhte Werte führen nicht unbedingt zu Beschwerden. Andererseits können selbst bei normalen Werten Gichtanfälle auftreten. Wird allerdings bei einer Laboruntersuchung ein zu hoher Wert festgestellt, sollte das ein Warnsignal sein, endlich seine Ernährungsgewohnheiten zu ändern.
Peter K. ist 34 Jahre alt und deutlich übergewichtig. Seine Ernährung ist unregelmäßig. Regelmäßig dagegen ist ein abendlicher Alkoholkonsum von 12 Flaschen Bier. Im Anschluß an eine Silvesterfeier stellt sich plötzlich ein heftiger Schmerz im Bereich der rechten Großzehe ein. Das Zehengrundgelenk wirkt deutlich geschwollen und gerötet. Wegen anhaltender Schmerzen sucht er die Krankenhausambulanz auf. Diagnose: Gichtanfall. Die Symptomatik entsteht, wenn im Organismus zu viel Harnsäure produziert wird, beziehungsweise die vorhandene Harnsäure nicht mehr ausreichend über die Nieren ausgeschieden werden kann.
Fleisch und Wurstwaren steigern Harnsäurespiegel
Harnsäure ist ein Stoffwechselprodukt, welches der menschliche Organismus im Gegensatz zu zahlreichen Tieren nicht mehr weiter abbauen kann. Die Hauptursachen liegen in einer Fehlernährung mit einem zu hohen Maß an harnsäurefördernden Nahrungsmitteln. In diesem Zusammenhang spricht man von einer purinreichen Nahrung.
Besonders purinreiche Lebensmittel (Puringehalt in mg/%) sind:
– Fleischextrakt 3500
– Bries 1030
– Ölsardinen 560
– Räucherlachs 240
– Huhn 170
– Schweinekotelette 120
Auch einige pflanzliche Lebensmittel verfügen über einen beträchtlichen Puringehalt:
– Linsen 190
– Erbsen 150
– Bohnen (weiß) 130
zum Vergleich:
– Kartoffeln 5
– Öle und Fette 0
Besonders vorteilhaft ist somit lactovegetabile Kost mit reichlich Gemüse und Kartoffeln.
Die Auflistung zeigt, daß entgegen landläufiger Meinung pflanzliche Nahrungsmittel nur in unbedeutendem Maße für gichtische Prozesse verantwortlich sind. Entscheidend ist das zu hohe Maß tierischer Nahrungsmittel, insbesondere Innereien so wie stark verarbeitete Fleischprodukte und Wurstwaren. Neben Fehlernährung und konstitutionellen Voraussetzungen können verschiedene Medikamente und andere dem Organismus zugeführte Substanzen den Harnsäurespiegel beeinflussen. Die Harnsäureproduktion erhöhen z.B.:
– Zytostatika (stark wirksame Pharmaka, die beispielsweise bei Krebserkrankungen eingesetzt werden)
– Präparate für die Bauchspeicheldrüse
– Alkohol
– Vitamin B12
Zu einer Erhöhung der Blutharnsäure durch reduzierte Ausscheidung über die Nieren führen:
– fast sämtliche Entwässerungsmittel
– Tuberculosemittel
– Abführmittel
– einige Parkinsonmittel
– Alkohol
Alkohol erhöht also die Harnsäureproduktion und hemmt gleichzeitig auch noch die Harnsäureausscheidung. Deswegen ist für eine ursächliche Therapie der Gicht die konsequente Meidung von Alkohol erste Voraussetzung!
Bier ist besonders ungünstig. Neben den schädlichen Auswirkungen des Alkohols enthält es eine bestimmte Substanz, das Guanosin, welches seinerseits den Harnsäurespiegel stark erhöht. Wer also glaubt, er könnte gerade mit Bier eine effektive Nierendurchspülung betreiben, irrt. Bier erzeugt eine sogenannte osmotische Diurese, entwässert den Körper insgesamt und verschlechtert die Stoffwechselbilanz nachhaltig.
Auch Nierensteine können Ausdruck von Gicht sein
Unter einer Gicht werden verschiedene Symptome verstanden. Neben typischem Gelenkbefall (vorzugsweise im Großzehenbereich) können sogenannte Gichtknötchen (Tophi) sich auch im Bereich der Weichteile (zum Beispiel Ohrmuschel) zeigen. Auch Nierensteine können – wenn es sich um Harnsäuresteine handelt – Ausdruck einer Gichterkrankung sein. Typischerweise tritt die Gelenkentzündung anfallsartig auf, vor allem nach festlichen Gelagen, die die Harnsäurebelastung des Organismus erhöhen.
Durch eine Blutuntersuchung kann festgestellt werden, wie hoch der Harnsäurespiegel liegt. Bei Frauen gilt eine Obergrenze von 5,7 mg/dl, bei Männern 7,0 mg/dl. Werte knapp darunter schließen allerdings Gichtanfälle nicht aus. Einige Mediziner vertreten die Ansicht, daß erst bei Werten unter 5,0 bei Männern sicher davon ausgegangen werden kann, daß es nicht mehr zu Gichtanfällen kommt.
Im Fall von Peter K. geht es zunächst einmal darum, die akute Schmerzsymptomatik zu lindern. Harnsäuresenkende Medikamente reichen nicht aus, da ihr Wirkeintritt zu langsam erfolgt. Deswegen müssen akut entzündungslindernde Maßnahmen eingesetzt werden. Rasche Hilfe bieten Antirheumatika (zum Beispiel Diclofenac). Meist genügt es, wenn man sie ein bis zwei Tage nimmt. Zusätzlich wird der Heilungsverlauf durch Kühlung und Ruhigstellung des betroffenen Gelenkes entlastet.
Auf Dauer hilft nur strikte Ernährungsumstellung
Die Ernährung sollte konsequent auf purinarme und somit vegetarische Kost umgesetzt werden. Parallel dazu ist die Flüssigkeitsaufnahme zu steigern, um die Ausscheidung der Harnsäure über die Niere zu aktivieren. Besonders geeignet hierfür sind mineralarme Wässer und Kräutertees.
Für die Langfristbehandlung kann der Einsatz harnsäuresenkender Medikamente notwendig sein. Meist kommt die Substanz Allopurinol zum Einsatz. Sie ist unter zahlreichen Handelsnamen im Handel. Sie reduziert die Anflutung der Harnsäure im Blut, so daß die Niere nicht plötzlich überfordert wird und es zu spontanen Ablagerungen der Harnsäure im Gewebe kommt.
Der Einsatz derartiger harnsäuresenkender Maßnahmen kann bei Patienten, die anlagebedingt zu erhöhter Harnsäure neigen oder auch wiederholt Nierensteine und Gelenkentzündungen hatten, dauerhaft notwendig sein. Für die meisten Betroffenen ist es aber möglich, bei konsequenter Ernährungsumstellung und Verzicht auf Alkohol die Symptomatik mittelfristig auch ohne Arzneien zu bessern oder zu heilen.
Gicht ist eine typische Wohlstandskrankheit. Sie traf schon immer Menschen, die im "Schlaraffenland" leben. Auch Übergewicht begünstigt, neben zahlreichen anderen Zivilisationserscheinungen, die Gicht. Deswegen sind eine Gewichtsnormalisierung und die damit einhergehende Verbesserung des Stoffwechsels bereits die entscheidende Basisbehandlung.
Gicht befällt vorzugsweise Männer. Sie sind im Verhältnis 20:1 häufiger als Frauen davon betroffen.