Dr. med. Volker Schmiedel
Magen-Darm-Geschwüre: Wer ist der Magenfeind?
"Kein Geschwür ohne Säure!" lautete das Dogma bis vor wenigen Jahren. Dann wagte es ein australischer Arzt zu behaupten, daß das Geschwür eine Infektionskrankheit sei. Er erntete Spott und beißende Kritik. In einem heroischen Selbstversuch konnte er jedoch durch die Einnahme von Bakterien bei sich selbst ein Magengeschwür erzeugen und so den eindeutigen Beweis für seine Theorie erbringen. Helicobacter pylori, so der Name des säureliebenden Bakteriums, ist jedoch bei weitem nicht für alle Magengeschwüre verantwortlich.
Bei jedem Geschwür entsteht ein Defekt der Schleimhaut und im Falle tieferliegender Geschwüre auch einer Verletzung der darunter liegenden Bindegewebsschicht (Submucosa). Reicht das Geschwür bis zur mit Blutgefäßen versorgten Muskelschicht, so kann es zu – mitunter lebensgefährlichen – Blutungen kommen. Im Extremfall kommt es zu einem Durchbruch der gesamten Wand des Magen-Darm-Traktes. Dann kann sich Magen oder Darminhalt in die Bauchhöhle ergießen, was wiederum eine – mitunter auch lebensgefährliche – Bauchhöhlenentzündung (Peritonitis) zur Folge hat.
Muß immer bedacht werden: Das Zwölffingerdarmgeschwür
Bei den Symptomen muß man zwischen denen des Magengeschwüres (Ulcus ventriculi) und denen des Dünndarm oder Zwölffingerdarmgeschwüres (Ulcus duodeni) unterscheiden: Während beim Magengeschwür die Beschwerden jahreszeitenunabhängig sind und mit Appetitlosigkeit und Sofortschmerz nach dem Essen einhergehen, treten beim Zwölffingerdarmgeschwür eine Häufung im Frühjahr und Herbst sowie Nüchternschmerz (zwischen und vor den Mahlzeiten, eher im rechten Oberbauch) auf. Die aufgeführten Symptome sind zwar hinweisend, aber nicht beweisend für ein Geschwür. So können sich auch ganz andere Erkrankungen dahinter verbergen, z. B. Magenschleimhautentzündungen (quasi die Vorstufe des Geschwüres), Speiseröhrenentzündungen und Erkrankungen anderer Oberbauchorgane wie Galle oder Bauchspeicheldrüse. Sogar eine Verengung der Herzkranzgefäße bis hin zum Herzinfarkt kann sich ähnlich wie ein Magengeschwür äußern. Die Symptome sollten also in jedem Fall durch eine angemessene Diagnostik auf die zugrundeliegende Erkrankung abgeklopft werden. Gemeinsam sind dem Magen und Zwölffingerdarmgeschwür die Schmerzen unterhalb des Brustbeines, sofern die Erkrankung nicht – wie in beiden Fällen häufig – schmerzfrei verläuft.
Bei Verdacht auf ein Magen oder Darmgeschwür sollte unbedingt eine Magenspiegelung (Gastroskopie) durchgeführt werden – schon um einen Magenkrebs auszuschließen, der auch einmal die Ursache für die Beschwerden sein kann. Bei der Spiegelung werden meist Gewebeproben (Biopsien) entnommen, die dann auf bösartige Zellen, vor allem aber auf das Bakterium Helicobacter pylori, untersucht werden. Liegt tatsächlich dieser Keim vor, wird er schulmedizinisch mit Antibiotika und Säureblockern bekämpft. Eine solche Therapie ist in über 90 Prozent der Fälle erfolgreich und führt dann auch zu einem Abheilen des Geschwüres.
Vom Säure-Dogma zur Infektionshysterie?
Liegt weder eine Helicobacter-Besiedelung noch ein Geschwür vor, handelt es sich bei den Beschwerden häufig um einen sogenannten Reizmagen (keine Schleimhautschädigung), welcher gänzlich anders behandelt werden muß. Nicht selten liegt allerdings trotz des Nachweises von Bakterien ein Reizmagen vor, der sich jedoch auch dann nicht bessert, wenn diese ausgerottet werden.
Während früher das "Säure-Dogma" die Therapie des Magengeschwüres beherrschte, ist es nun die "Helicobacter-Hysterie". Zweifelsohne hat die Behandlung des Helicobacter vielen Patienten geholfen und sie von teilweise jahrelangen Beschwerden befreit, so daß der Erreger als Ursache stets bedacht werden sollte. Daß aber das Bakterium nicht alles sein kann, beweisen folgende Überlegungen: Etwa 50 Prozent aller Deutschen sind Helicobacterpositiv (in Entwicklungsländern sind es sogar 90 Prozent). Nicht jeder von diesen weist aber Magenbeschwerden, geschweige denn ein Geschwür auf. Helicobacter führt also nicht zwingend zu einer Erkrankung. Es muß also auch Schutzfaktoren für den Menschen geben (oder zusätzliche Risikofaktoren, die den Helicobacter in Kombination erst "scharf" werden lassen).
Es gibt außerdem auch Geschwüre, bei denen sich keinerlei Beteiligung des "bösen" Helicobacter nachweisen läßt. Auch dies macht deutlich: Es muß noch andere Ursachen jenseits der Bakterien geben.
Rauchen und Medikamente sind Magenfeinde erster Güte
Und damit kommen wir zu den Genußmitteln: An erster Stelle stehen hier die Zigaretten. Raucht ein Patient nach einer erfolgreichen Behandlung eines Magengeschwüres weiter, hat er eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, innerhalb des nächsten Jahres ein neues Geschwür zu bilden. Ein Magendurchbruch durch ein Geschwür ist bei Rauchern zehnmal häufiger als bei Nichtrauchern. Jeder Raucher mit Magengeschwür sollte also dringend seine Sucht beenden. Kaffee und Alkohol sollten höchstens in geringen Mengen konsumiert werden.
Welche Medikamente nehmen Sie ein? Sind darunter solche, die die Magenschleimhaut schädigen können? An erster Stelle sind hier die NSAR, dies sind nichtsteroidale Antirheumatika, z.B. Diclofenac® oder Ibuprofen®, zu nennen, insbesondere wenn sie zusammen mit einem Kortisonpräparat eingenommen werden. Schauen Sie bitte in den Beipackzettel Ihrer Medikamente. Sind dort magen oder darmschleimhautreizende Wirkungen beschrieben, so sollten Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt besprechen, ob das Medikament durch ein nebenwirkungsärmeres ersetzt werden kann oder ein Magenschutzpräparat zusätzlich gegeben werden sollte.
Was Sie an Streß schlucken, landet buchstäblich im Magen
Der Volksmund sagt, daß einem etwas auf den Magen schlägt, einem etwas sauer aufstößt oder man einfach nur sauer ist. Hier spiegelt sich das alte erfahrungsheilkundliche Wissen wider, daß die Psyche und der Magen sehr wohl etwas miteinander verbindet. Patienten mit Geschwüren entstammen oft aus Familien mit engen, starren Beziehungen. In der Familie wurden sie oft zu "braven Kindern" erzogen, die ihre eigenen Aggressionen unterdrücken. Patienten mit Magen-Darm-Geschwür sind oft sehr ehrgeizig und erfolgsorientiert und streben nach Anerkennung. Ein Geschwür entwickelt sich besonders dann, wenn die Betroffenen sozial isoliert sind, wie zum Beispiel bei einer Trennung oder Problemen im Beruf.
Nicht bei jedem Patienten sind diese Faktoren bedeutsam. Wenn Sie aber betroffen sind und sich in den obigen Beschreibungen wiederfinden, sollten Sie gegebenenfalls Ihre Einstellungen und Verhaltensweisen überdenken. Unter Umständen sollte sogar eine verhaltenstherapeutisch orientierte Psychotherapie erwogen werden.
Auch wenn die "Säure-Theorie" heute als überholt gilt, Sie werden von einer basenüberschüssigen Kost immer noch profitieren. Bevorzugen Sie also basenreiche bzw. basenbildende Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Kartoffeln. Kaffee, schwarzer Tee, Alkohol und stark zuckerhaltige bzw. eiweißhaltige Nahrung sollten Sie eher meiden, da sie die Säurebildung im Magen anregen. Als besonders günstig hat sich der Brokkoli erwiesen, der nicht nur basisch wirkt, sondern auch noch Stoffe beinhaltet, die das Wachstum von Helicobacter beeinträchtigen.
Kamille lindert Entzündungen und regeneriert die Schleimhaut
Kamille hat eine entzündungswidrige und schleimhautregenerierende Wirkung. Es dauert zwar länger als mit den modernen Säureblockern ("Protonenpumpenhemmern"), Sie können mit viel Geduld und Konsequenz aber immer noch ein Geschwür mit pflanzlichen Maßnahmen zum Abheilen bringen. Die Beschwerden sollten allerdings nicht zu stark sein, es sollten keine Komplikationen vorliegen (z. B. Blutungen). Nach vier Wochen sollte außerdem eine deutliche Besserung eingetreten sein. Sie können Kamille als Tee verwenden (stark, 23 TL Kamille pro Tasse, mehrmals täglich), der auch zur Rollkur gut geeignet ist. Fertigpräparate sind Chamo® S Bürger Lösung, Eukamillat® Lösung oder Kamille Spitzner® N Lösung.
Rollkur und Süßholz: Balsam für die Magenschleimhaut
Für die Kamillenrollkur trinken Sie eine große Tasse Kamillentee auf leeren Magen. Dann legen Sie sich jeweils 5 bis 10 Minuten auf den Rücken, anschließend auf die linke, dann auf die rechte Seite und zum Schluß auf den Bauch. So ist gewährleistet, daß die gesamte Schleimhaut guten und ausgiebigen Kontakt mit der heilenden Kamille erhält. Führen Sie die Rollkur zweimal täglich über vier Wochen durch. Sie wird verstärkt, wenn Sie in der Ruhezeit meditieren, positive Dinge visualisieren oder Entspannungsmusik hören.
Auch die Süßholzwurzel hat sich bewährt (1 TL pro Tasse, einige Minuten kochen lassen). Fertigpräparate sind hier Ulgastrin® Neu oder Suczulen® Kps. Bei Neigung zu Bluthochdruck oder bei Kaliummangel ist allerdings Vorsicht geboten. Die hochdosierte Zufuhr bestimmter Nährstoffe unterstützt den Heilungsprozeß und sollte bei jedem Geschwür zusätzlich zu schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Therapie angewandt werden:
– Vitamin C, 12 g täglich: Wegen der säuernden Wirkung sollten Sie retardiertes oder gepuffertes Vitamin C verwenden (z. B. Cetebe® Kapseln).
– Zink, 2030 mg täglich: Zink ist unser bestes Spurenelement bei gestörter Wundheilung: nüchtern eine halbe Stunde vor der Mahlzeit (z.B. Cefazink®, 1 Tabl. 23 x täglich oder Zinkotase® einmal täglich).
– Pantothensäure: Dieses Vitamin hilft ebenfalls, Wunden besser zum Abheilen zu bringen, z. B. Bepanthen® Lutschtabletten dreimal täglich.
Homöopathie bei Magen-Darm-Geschwüren
Unter den zahlreichen möglichen homöopathischen Mitteln sollte das ausgewählt werden, welches den unten beschriebenen Symptomen am ehesten entspricht. Die Beschwerden sollten sich dabei rasch bessern. Wenn nicht, war das Mittel falsch gewählt. Bei nur geringer Besserung sollten Sie auch nicht zu lange warten, bis weitere diagnostische und therapeutische Maßnahmen veranlaßt werden.
Acidum nitricum D4 oder D6:
3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei saurem, bitterem Geschmack, Übelkeit, Magendruck besser durch Essen, stechendem Leibschmerz mit Blähungen, Splitterschmerz, Kälte, Verschlechterung durch Nässe oder Wetterwechsel.
Anacardium D3, D4 oder D6:
3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei Verschwinden der Beschwerden während des Essens, etwa zwei Stunden danach Auftreten von Übelkeit, Aufstoßen und krampfartigen Schmerzen.
Argentum nitricum D4 oder D6: 3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei drückendem brennendem Magenschmerz, Splitterschmerz, Blähungen mit Aufstoßen, Gähnzwang, Verlangen nach Süßem, welches nicht vertragen wird, Verschlechterung durch Aufregung, Besserung durch Essen.
Belladonna D4 oder D6: 3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei krampfartigem Schmerz mit berührungsempfindlicher Magengegend, plötzlichem Kommen und Gehen der Beschwerden, Verbesserung durch Rückwärtsbeugen.
Ignatia D3, D4 oder D6: 3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Magen fühlt sich schwach und leer an, Schmerzen und Brechreiz stärker durch Essen, Schwerverdauliches wird schlechter vertragen als leichte Kost, Seufzen, Gähnzwang.
Mandragora e radice D12: einmal täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei weiß belegter Zunge, krampfartigem Nüchternschmerz, muß alle zwei Stunden ein wenig essen, Völlegefühl nach jedem Bissen, Magen sehr druck- und berührungsempfindlich, Fett, Kaffee, Süßes verschlechtern, Rückwärtsbeugen, Besserung durch Essen.
Nux vomica D12: einmal täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei belegter Zunge, eine Stunde nach dem Essen Völlegefühl, Magendruck wie ein Stein, Verlangen nach Genußmitteln (Tabak, Alkohol, Kaffee), die aber nicht vertragen werden, reizbar, streitsüchtig, Verschlechterung durch frische Luft, Besserung durch warmes Zimmer, Verschlechterung durch langen Schlaf, Besserung durch kurzen Schlaf.
Phosphorus D4 oder D6: 3 x täglich eine Tablette oder 5 Tropfen: Bei druckempfindlichem Magen, wie wund, brennend, Verlangen nach kalten Getränken, die aber verschlechtern, Hungerschmerz, Besserung durch etwas Essen und Ruhe, Nervosität, Verschlechterung nachts und durch Kälte.
Wenn die Wahl aufgrund einer nicht eindeutigen Symptomatik schwerfällt, kommen auch Kombinationspräparate in Frage wie
Duodenoheel: 3 x 1 Tabl. bei Zwölffingerdarmgeschwür
Gastricumeel: 3 x 1 Tabl. bei Magengeschwür
Spascupreel: Zäpfchen oder Tabl. bei Bedarf (Krämpfe)
Jsostoma S Tabl. 3 x 1 Tabl.
Cankerol: 20 Tr. 2 x täglich in 40 Tr. Wasser
Zur Behandlung von Magengeschwüren (siehe Pfeil) steht eine ganze Reihe homöopathischer Präparate zur Verfügung.
Streß und hektisches, fettes Essen zählen zu den häufigen Ursachen von Magen-Darm-Geschwüren.
Dr. med.Volker Schmiedel,
Jahrgang 1958, ist Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin mit den Zusatzbezeichnungen Naturheilverfahren und Homöopathie.
Seine wissenschaftliche Arbeit konzentriert sich auf die Gebiete Fettstoffwechselstörungen und Ernährung.
Dr. Schmiedel ist Chefarzt der Inneren Abteilung der HabichtswaldKlinik in Kassel.