Liebe Leserin, lieber Leser,
manchmal werden in der Medizin Methoden besonders dann propagiert, wenn die Zeit im wesentlichen schon über sie hinweggegangen ist. Dies scheint mir bei der Mammographie der Fall zu sein. Vorab sei gesagt: Ich bin kein Gegner dieser Röntgenuntersuchung der Brust, wenn sie in ausgewählten Fällen eingesetzt wird. Ich zweifle allerdings an der routinemäßigen Mammographie ohne konkrete Indikation.
Frauen ab einem bestimmten Lebensalter sollen – so hat es der Bundestag im Sommer 2002 beschlossen – regelmäßig einer Mammographie zugeführt werden, um eine mögliche Brustkrebserkrankung frühzeitig zu erkennen. Ärzteverbände und Kassen haben sich darauf verständigt, dieses „Screening“ bis 2005 flächendeckend zu realisieren.
Die wissenschaftliche Datenlage zu diesem Thema ist allerdings höchst widersprüchlich. Es gibt starke Argumente, daß selbst im günstigsten Fall nur wirklich wenige Krebsfälle zufällig entdeckt werden. Auf der anderen Seite ist aber eine ganze Reihe falsch positiver Befunde zu erwarten: Man meint, Brustkrebs entdeckt zu haben – und veranlaßt unnötige Therapien. Dagegen werden „echte“ Tumoren eventuell übersehen (sog. falsch negative Befunde).
Ein Beispiel begegnete mir vor einigen Monaten: Eine Patientin hatte sich jahrelang regelmäßig einer Mammographie unterzogen. Stets war ein „Kalkherd“ entdeckt worden. Nach mehreren Jahren suchte die Patientin einen anderen Radiologen (Röntgenarzt) auf. Dieser führte ebenfalls eine Mammographie durch und stellte die Verdachtsdiagnose eines Brustkrebses. Als mir die Patientin das aktuelle und die alten Bilder zeigte, sah ich keinen nennenswerten Unterschied. Entweder der „neue“ Radiologe hatte übertrieben oder der „alte“ hatte einen bereits bestehenden Krebs übersehen. Nach meiner Einschätzung hatte der „neue“ recht – was sich später auch im Rahmen eines operativen Eingriffes herausstellte.
Zwar sollen in Zukunft nur Ärzte oder Praxen diese Untersuchung durchführen (bzw. erstattet bekommen), die bereits viele tausend Bilder bewertet und damit ausreichende Erfahrung nachgewiesen haben. Dennoch halte ich die Methode für offensichtlich mit einem beträchtlichen Fehlerquotienten behaftet.
Ganz zu schweigen von dem für viele Frauen höchst unangenehmen Einquetschen der Brust, was aus meiner Sicht ein mindestens so hohes Risiko darstellt, wie die Strahlenbelastung. Ich habe mehrere Frauen erlebt, die allein durch stumpfe Brustverletzung, z. B. Anrennen gegen eine Schrank- oder Autotür, genau an dieser Stelle nach einiger Zeit einen Brustkrebs entwickelt hatten.
Aus meiner Sicht sollte die Mammographie nur in ausgewählten und begründeten Fällen eingesetzt werden, z. B. dort, wo sich aufgrund von Abtastung oder Ultraschalluntersuchung ein dringender Verdacht ergibt bzw. wo ausgeprägte familiäre Krebsbelastungen vorliegen.
Übrigens, fast täglich berichten ärztliche Fachzeitungen, daß moderne Formen der Kernspintomographie wesentlich präzisere Aussagen liefern als die Mammographie. Doch die Kernspintomographie wird bei Brustkrebsverdacht noch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Bestätigt sich hier etwa einmal mehr, daß nicht unbedingt das medizinisch Sinnvolle bezahlt wird, sondern vor allem, was eine gute Lobby hat?
Mit besten Grüßen