Liebe Leserin, lieber Leser,
vor einigen Jahren zeigte eine skandinavische Studie, dass auch Fleischkonsum offenbar Einfluss auf die Entstehung von Diabetes hat. Wahrscheinlich spielen dabei die im Fleisch reichlich vorhandenen schwefligen Aminosäuren eine Rolle. Setzt man normale Mischkost mit dem Index 100 gleich, sinkt bereits bei nur gelegentlichem Fleischverzehr die Wahrscheinlichkeit, einen Diabetes zu bekommen, um ein gutes Viertel. Wird Pescovegetarismus praktiziert (also kein Fleisch verzehrt, aber Fisch), reduziert sich die Wahrscheinlichkeit um ein gutes Drittel, bei vegetarischer Ernährung sogar um rund 45 Prozent. Vegane Kost verbessert diesen Wert nicht mehr wesentlich.
Die nachteiligen Auswirkungen entzündungstreibender Fettsäuren in Fleisch- und Wurstprodukten hatten wir bereits wiederholt beschrieben. Vor allem entzündlich-rheumatische und Hautkrankheiten, auch einige Krebserkrankungen werden durch sie ungünstig beeinflusst bzw. begünstigt.
Immer mehr, vor allem jüngere Menschen denken bereits um. So soll vor einigen Jahren nur ein Viertel der Bevölkerung bereit gewesen sein, auf täglichen Fleisch- und Wurstkonsum zu verzichten. Mittlerweile ist es bereits ein Drittel. Der Trend geht also bereits in eine gute Richtung.
Aktuell gibt es aber auch noch ganz andere Gründe für mehr Vegetarismus: Corona-Ausbrüche standen in den letzten Monaten wiederholt in Zusammenhang mit Fleischmärkten. So soll der Ausgangspunkt ein Wildtiermarkt in Wuhan sein. Tatsächlich sehen Epidemiologen Wildtiere, wie zum Beispiel Fledermäuse, als wahre Brutstätten für potenziell gefährliche Viren aller Art an. China hat inzwischen Wildtiermärkte verboten. Gleichwohl kam es vor einigen Wochen auf einem „normalen“ Fleischmarkt in Peking zu einem weiteren Ausbruch.
In Deutschland machen derzeit die Bedingungen in Großschlachthöfen Schlagzeilen. Mal abgesehen von der Virusproblematik erstaunt, dass offenbar auch im Lande der „Hypermoralisten“ eine Art moderne Sklavenarbeit zu Dumpinglöhnen mit engen Wohnunterkünften möglich ist. Politiker aller Parteien fordern nun in gewundenen Worten die Durchsetzung besserer Standards in den entsprechenden Einrichtungen. In diesem Punkt bin ich radikaler: Solche Fleisch-Großbetriebe gehören gänzlich abgeschafft – selbst wenn man die Eigentümer dafür entschädigen müsste. Sie passen nicht in die heutige Zeit, sind ökologisch und ethisch unvertretbar.
Bei allen aufgeregten Diskussionen über Schadstoffbelastungen aus dem Auto- und Flugverkehr: Die industrielle Fleischproduktion ist ökologisch viel schlimmer! Deutschland sollte Weltmeister in moderner Technologie sein, aber nicht Exportweltmeister für Fleisch und Fleischprodukte. Der Ansatz „Fleisch muss teurer werden – möglichst durch noch eine weitere Steuer“, greift zu kurz. Höhere Preise müssen mit höherer Qualität, artgerechter Tierhaltung und insgesamt höheren ökologischen Standards einhergehen.
Fest steht jedenfalls, dass es für die Gesundheit der Menschen, die Umwelt, aber auch für die Volkswirtschaft insgesamt zahlreiche Vorteile hätte, wenn wir in Abwandlung der These eines früheren Bundeskanzlers beherzigen würden: „Mehr Vegetarismus wagen“. Nie war das aktueller als jetzt.