Liebe Leserin, lieber Leser,
vegane Ernährung, also der völlige Verzicht auf Tierprodukte, scheint gerade bei einem Teil jüngerer Menschen in Mode zu sein. Knapp ein Prozent der Bevölkerung soll vegan leben. Für die USA wird eine ähnliche Prozentzahl angegeben. Nicht nur in Zeitschriften erfährt man davon, sondern auch die Buchhandlungen offerieren entsprechende Ratgeber – viele in der üblichen Aufmachung der Gesundheitsratgeber: grinsende Gesichter auf dem Umschlag mit dem Versprechen, alles sei „easy“.
Für viele, die sich der veganen Ernährung zuwenden, sind ethische Motive – das Verhältnis zu Tieren – maßgeblich. Manchmal werden außerdem ökologische Argumente angeführt. Ökologischer als herkömmliche Fleischkost ist Veganismus auf jeden Fall. Wie sieht es jedoch mit gesundheitlichen Aspekten aus? Es soll an dieser Stelle nicht die gesamte Bandbreite des Für und Wider einer veganen Kost besprochen werden. Wertet man aber alle Argumente, muss man zu dem Schluss kommen: Vegane Ernährung vermindert zahlreiche Zivilisationskrankheiten – vom Bluthochdruck über die koronare Herzkrankheit bis hin zu Krebs.
Der veganen Kost werden von Ernährungswissenschaftlern erhebliche Risiken für Mängel an Nährstoffen unterstellt. Die Warnungen sind zwar prinzipiell berechtigt, sofern unter veganer Kost nur der Verzicht auf tierische Produkte verstanden wird. Doch die Folgen insbesondere von verringerter Eisen- und Vitamin-B12-Zufuhr kann man laborchemisch erkennen. Und man kann ihnen wirksam entgegensteuern. Ein B12-Mangel entsteht auch nicht in ein paar Wochen, sondern eher nach Jahren.
Vegane Kost ist sicher nicht für jede Konstitution ideal – vor allem schlanke „Frierkatzen“ sollten zurückhaltend sein. Doch für das Leitthema unseres aktuellen Heftes wäre mehr Veganismus ein Segen: Rheumatische Erkrankungen erfahren durch vegane Kost antientzündliche Effekte und damit Verbesserungstendenzen.
Heute wird in Deutschland eine gerade irrwitzige Zahl an Gelenkoperationen durchgeführt – häufig vollkommen unreflektiert und ohne vorheriges Ausloten anderer Möglichkeiten. Kann vegane Kost auch Arthrose verbessern? Ja, denn Arthrose ist keineswegs nur ein Verschleißphänomen. Sie ist auch ein Stoffwechselproblem. Tiereiweißreiche Kost und damit die Zufuhr entzündungstreibender Fettsäuren wie Arachidonsäure fördern die Bildung von Schmerzsubstanzen und degenerative Prozesse in den Gelenken. Am Rande sei angemerkt, dass auch eine reichliche Glutenaufnahme (aus Weizen und anderen Brotgetreiden) dazu beitragen kann.
Es lässt sich darüber streiten, ob, wie ein amerikanischer Wissenschaftler behauptete, nicht die Meidung von Fleisch die oft zu beobachtende Besserung nach sich zieht, sondern die Meidung verarbeiteter Lebensmittel. Fest steht: Veganismus, zumindest auf Zeit oder phasenweise, täte vielen Menschen gut, den Gelenkerkrankten besonders. Ebenso jenen Patienten mit „metabolischem Syndrom“: dem gleichzeitigen Auftreten von Diabetes, Übergewicht, erhöhten Blutfetten, Bluthochdruck … (siehe Naturarzt 3/2016).
Was heißt „auf Zeit oder phasenweise“? Einst empfahl Prof. Lothar Wendt (1907–1989) aus Frankfurt: Der Mensch solle zur Entlastung und Vorbeugung einen Tag in der Woche, eine Woche im Monat, einen Monat im Jahr vegan leben.
Mit besten Grüßen
Ihr Dr. med. Rainer Matejka