Liebe Leserin, lieber Leser,
Müdigkeit und Erschöpfungssyndrome greifen in den letzten Jahren immer mehr um sich. Fließend ist der Übergang zum sogenannten Burnout-Syndrom: Die Betroffenen sind durch anhaltende Überforderung „ausgebrannt“. In Ärztezeitungen lese ich, dass 25 Prozent der Vertragsärzte von einem derartigen Syndrom betroffen sein sollen. Versuchen die Betroffenen am Anfang durch vermehrte Aktivität und unermüdlichen Einsatz die Erschöpfung zu kompensieren, folgt irgendwann der Zusammenbruch, und zwar körperlich, geistig und seelisch, bis letztendlich gar nichts mehr geht. Verzweiflung, Wut und der Wunsch, alles hinzuschmeißen, stehen plötzlich im Vordergrund.
Welche Gegenmaßnahmen können bei derartigen Syndromen helfen? In einer psychosomatischen Zeitung wird als häufigster Grund für Müdigkeit die Depression angegeben. Aus Sicht der Erfahrungsheilkunde gibt es allerdings zahlreiche andere Ursachen: Von organischen Faktoren wie Eisenmangel oder Schilddrüsenfunktionsstörungen einmal abgesehen, kennen wir vor allem die Stoffwechselüberlastung, im Volksmund oft als Übersäuerung bezeichnet, die verantwortlich sein kann. Die traditionelle chinesische Medizin spricht von einer Leber-Qi-Störung, also einer Überlastung des Leberstoffwechsels, sei es durch fehlerhafte Nahrungsaufnahme, zu viel Alkohol, aber auch durch Wut, Sorge und Ärger.
Zweifellos spielen jedoch häufig auch psychische Faktoren eine Rolle. Lange Zeit hat man gegen den negativen Stress, der an der Entstehung von Erschöpfungssyndromen beteiligt ist, Entspannungsmaßnahmen, etwa autogenes Training, empfohlen. Mittlerweile ist die Erkenntnis gereift, dass Probleme wie ein Burnout-Syndrom, das oft der Endpunkt einer jahrelangen Verkettung belastender Faktoren ist, grundsätzlicher angegangen werden müssen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage des Betroffenen nach seinen innersten Wünschen: Welche Dinge tun gut, welche wirken belastend? Der Begriff der „Achtsamkeit“ wurde kreiert, wobei Achtsamkeit gegenüber sich selbst gemeint ist. Die ursächliche Therapie von Burnout beginnt mit der Reflexion eigener Werte und Prioritäten: Welche Dinge sind wirklich wichtig im Leben? Es gibt jeden Tag dringliche Dinge. Sie müssen aber noch lange nicht wichtig sein. Deswegen sollte jeder Mensch in sich gehen und sich fragen, welches für ihn persönlich die wirklich wichtigen Dinge sind.
Die Masse der Burnout-Betroffenen braucht keine Antidepressiva! Man kann sich selbst helfen – dazu gehört aber auch der Mut, mitunter NEIN zu sagen. Neulich las ich einen verzweifelten Brief eines jungen Gemeindepfarrers an seine Gemeinde. Er beschreibt darin, wie sehr er in der letzten Zeit körperlich und psychisch völlig überlastet sei, nicht zuletzt da er – neben seinen Routineaufgaben – zu allen Tages- und Nachtzeiten mit der Bitte um seelischen Beistand gerufen wird. Auch er sei nur ein Mensch und brauche ein Stückchen eigene Sphäre und Selbstschutz. Der Mann hat meine volle Sympathie, und ich finde es mutig, dass er diesen um seiner Gesundheit Willen richtigen Schritt „an die Öffentlichkeit“ gewagt hat.
Lassen Sie es sich gut gehen!