Liebe Leserin, lieber Leser,
die Schnittmengen der Psychiatrie mit anderen medizinischen Disziplinen erschienen mir immer recht begrenzt. Auch das ändert sich inzwischen schrittweise. Wie bei so vielen Krankheitsbildern existiert heute in der Psychiatrie ein „multikausales“ Modell, wonach zum Beispiel, Umwelt, Umfeld, Stress, zu viel Handy und etliche andere Faktoren das Auftreten psychiatrischer Erkrankungen triggern können. Als biochemische Ursache wird außerdem ein Überträgerstoff-Mangelsyndrom vermutet – etwa ein Mangel an Acetylcholin. Bislang sind die Heilerfolge bei psychiatrischen Erkrankungen trotz zahlreicher Medikamente und Psychotherapie, je nach Studie, eher dürftig.
Neu ist aber, dass offenbar in beträchtlichem Umfang Vitalstoffmängel und Fehlernährung zu einer solchen Mangelsituation beitragen. Gründe dafür sind zum Bespiel ein ausgeprägter Konsum von Fertignahrungsmitteln und meist übersehene Vitalstoffdefizite. Neben Eisen kommt es auf eine ausreichende Versorgung mit den Vitaminen der B-Reihe, D3, A, E sowie Zink, Selen und Omega-3-Fetten an. Im Falle eines Mangels stockt die Herstellung von Dopamin, und der Syntheseschritt von der Aminosäure Tryptophan über das Glückshormon Serotonin zum Schlafanbahnungshormon Melatonin bleibt aus. Und Schlafstörungen gehen oft einer Depression voraus.
Ähnliche Fehlsteuerungen entstehen bei einer schleichenden, stillen Entzündung im Körper, der „silent inflammation“. Und auch die Darmflora spielt eine Rolle, denn bei fast allen psychischen Erkrankungen soll ein erheblicher Mangel an butyratbildenden Darmbakterien bestehen. In einer Interventionsstudie konnte nachgewiesen werden, dass sich nach dreimonatiger Gabe entsprechender Darmbakterien sowohl Schlafstörungen als auch Depressionen deutlich verbesserten. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff „Psychobiotika“ eingeführt, die auch positiven Einfluss auf andere Darmkeime nehmen.
Kurzum, man sollte daher Menschen mit psychischen Erkrankungen folgende Empfehlungen geben: keine Fertignahrungsmittel, sondern z. B. klassisch-mediterrane Kost mit hohem Omega-3-Fettanteil und ausreichend Ballaststoffen. Gute Erfolge zeigt auch ketogene Kost. Eventuell fehlende Vitalstoffe sollte man gezielt zuführen, das Darmmilieu optimieren und Entzündungen behandeln. Dazu reichlich Bewegung, am besten im Wald oder am Wasser – bei möglichst schönem Wetter …
Das Ganze klingt sehr nach „Revolution“ und bestätigt einmal mehr die an dieser Stelle schon öfters formulierte These: Medizinischer Fortschritt kann vor allem auch dadurch geschehen, dass etliche Bereiche der Medizin neu gedacht werden.
Dr. med. Rainer Matejka