Liebe Leserin, lieber Leser,
vor einem Jahr fand in Japan die große Katastrophe statt: nach Tsunami der Supergau. Statt mitfühlender Hilfe zelebrierte man in Deutschland als Folge davon eigene Neurosen und teilweise kollektive Massenhysterien, die aber in einem sinnvollen Ziel mündeten: Ausstieg aus der Atomenergie, Hinwendung zu erneuerbaren Energien. In Deutschland kann es offenbar nur selten sachlich und mit Klugheit zugehen. Allzu oft dominieren Ideologie, erhobener Zeigefinger, Besserwissertum und Denkverbote. Landauf, landab predigen Politiker, man brauche mehr Überlandleitungen, um den „Windstrom vom Norden zu den Industriezentren im Süden“ zu leiten. Haben diese Herrschaften noch nie gehört, dass eine „lange Leitung“ selbst erheblich Strom verbraucht? Wenn, dann müsste der auf dem Meer gewonnene Windstrom in die Zentren im Norden geleitet werden, z. B. nach Hamburg. Einen weiteren „Klopper“ leistete man sich in Nordrhein-Westfalen: Das Oberlandesgericht Münster fällte ein Urteil, demzufolge die Errichtung von Photovoltaikanlagen auf Dächern dem Baurecht unterliege und genehmigungspflichtig sei. Demnach wären die meisten Anlagen illegal. Darauf beschwichtigte der zuständige Landesminister: Beim vorliegenden Urteil ginge es um einen seltenen Fall, bei dem der produzierte Strom ins Netz eingespeist wurde. Er gehe aber davon aus, dass die meisten Anlagenbetreiber den produzierten Strom selbst nutzen. Man fragt sich angesichts der Diskussion um Einspeisevergütungen, in welchem Land dieser Minister eigentlich lebt. Aufgrund der hohen Einspeisevergütung ist das Investment in eine Photovoltaikanlage mit Einspeisung doch ein renditeträchtiges Unterfangen geworden.
Kritiker werfen Sonne und Windkraft vor, sie hätten keinen ausreichenden Wirkungsgrad und seien daher vollkommen unökonomisch. Diese Auffassung kann ich nicht nachvollziehen. Es sind derzeit bereits über 21 Gigawatt Leistungen in Photovoltaik installiert. Das wäre bei praller Sonne der Strom von rund 13 Kernkraftwerken. Viel mehr, als man verbrauchen kann. Das Problem ist also im Moment nicht ein Mangel an Strom, sondern die Frage, wie man ihn speichern und die Netze so regulieren kann, dass es weder zu Überlastungen noch zum Zusammenbruch kommt.
Von einer Art Energiequelle ist kaum noch die Rede: dem Einsparen. Ausgerechnet dort, wo im Verhältnis am wenigsten Energie verbraucht wird – beim Licht – will man uns quecksilberhaltige Sparlampen aufschwätzen. Dort, wo viel mehr verbraucht wird, etwa im Automobilsektor, halten sich die Fortschritte – gelinde gesagt – sehr in Grenzen. Das liegt aber nicht nur an den Herstellern. Auch die Verbraucher sind schuld – und zwar weltweit. Während deutsche „Dickschiffe“ Rekordabsätze feiern, bricht die Produktion sparsamer Kleinwagen ein. Beim CO2-Ausstoß haben deutsche Autohersteller die pfiffige Idee entwickelt, diesen pro Kilogramm Autogewicht zu errechnen. Das Ergebnis lautet dann, ein Fiat Punto sei nicht effizienter als ein Audi Q7. Erstaunlich, dass solche Manipulationen auch noch vom Gesetzgeber toleriert werden, aber Ähnliches kennen wir ja aus dem Nahrungsmittelbereich.
Trotz Irrungen, Absurditäten und mancher Abwege glaube ich dennoch: Im Großen und Ganzen befindet sich das Thema Energiewende auf dem richtigen Weg. Noch besser ginge es allerdings mit weniger Ideologen und mehr pragmatischen Machern.
Mit besten Grüßen