Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist begrüßenswert, dass vieles heutzutage kritisch hinterfragt und anhand von Untersuchungen be- oder widerlegt wird. Allerdings stößt man dabei oft auf unlogische Ergebnisse und sollte sich davor hüten, jedes als wissenschaftlich verbrämte Denkmodell von vornherein unkritisch zu übernehmen.
Beispiel 1: Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern wollen herausgefunden haben, dass der weltweite Transport von Früchten keineswegs unökologisch, sondern viel ökologischer als der regionale Konsum sei. Ganz einfach deshalb, weil die gigantischen Transportkapazitäten moderner Frachtschiffe den Energieaufwand pro Apfel oder Banane deutlich mehr absenken, als mit dem eigenen PKW im Nachbarort beim Bauern ein paar Äpfel zu holen. Das größte Containerschiff der Welt, die Emma Maersk, könne mit einer einzigen Fuhre 548 Mio. Bananen transportieren. Dies minimiere den Transportaufwand für jede einzelne Banane.
Nun ist mir nicht bekannt, dass die Emma Maersk mit so vielen Bananen beladen wird, sondern sie transportiert ein Sammelsurium unterschiedlichster Waren in zigtausenden bunten Containern. Nehmen wir einmal an, ein Teil davon sei Obst aus fernen Ländern. Die eingesetzten Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel werden oft nicht in den Produktionsländern hergestellt, müssen also erst an ihren „Einsatzort“ gebracht werden. Das Obst muss geerntet und zur Küste transportiert, gekühlt und eventuell auch „chemisch“ behandelt werden, um es für einen so langen Transport tauglich zu machen. Dann kommt die werte Emma Maersk endlich in Bremerhaven oder Hamburg an. Sie muss entladen werden, um die Ware über zum Teil lange Transportwege mit Lastwagen ins Binnenland zu bringen. Die Transporteinheiten werden immer kleiner, bis letztendlich jedes Geschäft in Oybin, Freilassing oder Todtnau entsprechend beliefert werden kann. Und das alles zusammen soll eine günstigere Energiebilanz aufweisen als Obst oder Gemüse vom Nachbardorf?
Beispiel 2: Eine holländische Universität will herausgefunden haben, dass Menschen, die gesund leben, auf die gesamte Lebensdauer bezogen, mehr Krankheitskosten verursachen als Übergewichtige und Raucher. Zwar würden diese beiden Gruppen in jüngeren und mittleren Jahren deutlich mehr Kosten verursachen, aber zum Lebensende hin sei es umgekehrt. Soll das etwa ein Plädoyer für ungesunde Lebensweise sein? Immerhin musste ein Gesundheitsökonom zugestehen, dass diese Kostenrechnung nicht die Gesamtbilanz beinhalte und z. B. bei Berücksichtigung zusätzlicher Kosten durch krankheitsbedingte Ausfallzeiten während des Berufslebens „möglicherweise“ ein ganz anderes Ergebnis herauskäme. Aha! Für solche fundamentalen Erkenntnisse genügt offenbar nicht mehr das logische Denken, sondern hierfür braucht es „Gesundheitsökonomen“.
Gerade in Gesundheits- und Ernährungsfragen gilt: Nicht alles auf die Goldwaage legen, was irgendein Experte behauptet, sondern sich eine eigene Meinung bilden und Empfehlungen auf Nachvollziehbarkeit abklopfen. Für einen Nichtfachmann ist das zwar oft schwierig, aber nicht unmöglich.
Mit den besten Grüßen