Vitamine und Mineralstoffe: Der Mittelweg ist ­manchmal genau richtig

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Schulmedizin hat es einfach: Der einzige Mineralstoff, den sie kennt, scheint Kalium zu sein. Nur dieser Stoff wird im Rahmen üblicher Blutuntersuchungen überprüft. Ganz anders im Bereich der „Alternativmedizin“: Dort spielt die Behandlung mit Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen eine größere Rolle. Es hat sich sogar eine darauf spezialisierte Fachrichtung, die Orthomolekularmedizin, etabliert.
 
Die Argumente des Für und Wider bestimmter Vitamin-/Mineralgaben auch bei Gesunden sind widersprüchlich. Während die Schulmedizin und die Ernährungswissenschaft im Wesent­lichen den Standpunkt vertreten, die Gabe entsprechender Substanzen sei unnötig („eine ausgewogene Ernährung reicht“), sieht die „andere Seite“ in Folge der Stress- und Umweltbelastungen der vergangenen Jahrzehnte einen ständig steigenden Bedarf.

In der letzten Zeit werden in wissenschaftlichen Zeitschriften häufiger Studienergebnisse über die Nichtwirksamkeit von Vitaminen und Spurenelementen veröffentlicht. In einigen Artikeln kommt dabei unverhohlene Schadenfreude zum Ausdruck. Neuerdings häufen sich sogar Berichte, denen zufolge viele Vitalstoffe nicht nur „nichts bringen“, sondern sogar schädlich sein sollen: Vitamin B fördere Prostatakrebs, Vitamin A begünstige Lungenkrebs, zumindest bei Rauchern, Vitamin E kann gefährliche freie Radikale erzeugen, Selen begünstige Diabetes, Zink in höheren Dosen fördere das Tumorwachstum usw. Unter der Überschrift  „Die dunklen Seiten des Vitamin C“ wird sogar dieser Substanz eine mögliche krebsfördernde Wirkung zugeschrieben.

Bei näherer Betrachtung stellt sich oft heraus: Viele dieser Studien sind methodisch schlecht gemacht oder fehlinterpretiert und entsprechen keineswegs wissenschaftlichen Standards, die an anderer Stelle vehement eingefordert werden. Man kann sich des Eindrucks nicht verwehren, dahinter steckt Methode: Es kann nicht sein, meinen die Kritiker, dass kostengünstige, nicht patentierbare Stoffe, wie Vitamine und Mineralstoffe, nachhaltig positiv auf die Gesundheit wirken sollen. Dazu braucht es doch anständiger Medikamente, und diese haben gefälligst „Chemie“ zu sein. So entpuppt sich manche Kritik als letztlich von Glauben oder Interessen geleitet.

Sicher, auch auf der anderen Seite gibt es extreme Verzerrungen. Darauf hat der Naturarzt schon vielfach hingewiesen: In Vitamin- und Mineralstoffgaben die Hauptquelle für Gesundung zu sehen, deckt sich nicht mit der Realität. Ohne halbwegs gesunde Lebensführung geht es auf Dauer nicht. Und dafür gibt es keinen Ersatz! Weder die entschiedenen Geg­ner noch die euphorischen Befürwor­ter überzeugen mich daher wirklich. Manchmal kann der Mittelweg der richtige sein. Zum Beispiel die kurmäßige Einnahme statt Dauereinnahme zur Vorbeugung  – etwa von Vitamin D in der dun­­klen Jahreszeit. Oder auch: Mikro­nährstoffe immer dann, wenn Symptome vorliegen, die auf einen erhöhten Bedarf hindeuten können – von Waden­krämpfen bis zum Erschöpfungssyndrom.

Mit besten Grüßen