Wechsel und Wandel begrüßen
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Bewusstsein

Wechsel und Wandel begrüßen

Kilian Schneider, Philosoph und Psychotherapeut

Abschied und Neuanfang, den Silvester und Neujahr symbolisieren, stellen eine kraftvolle Gelegenheit dar, die uns einlädt, innezuhalten und über unser Leben nachzudenken. Philosophisch betrachtet, bedeutet der Übergang vom alten ins neue Jahr nicht nur einen bloßen Kalenderwechsel, sondern ein tiefgreifender Moment des Bewusstseins. Er erinnert uns daran, dass jeder Tag, jede Stunde und jeder Augenblick die Möglichkeit bergen, neu zu beginnen.

In der Philosophie finden wir unzählige Gedanken zum Neuanfang. Der griechische Philosoph Heraklit soll formuliert haben: „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ Eine Weisheit, die ermutigen kann, Veränderungen als unverzichtbaren Teil des Lebens nicht nur zu akzeptieren, sondern sie als Chance für persönliches Wachstum zu sehen und aktiv zu nutzen. Neujahr bietet uns die Möglichkeit, Trampelpfade zu verlassen, indem wir alte Gewohnheiten ablegen und neue Wege zu beschreiten, für die wir uns öffnen.

Das Bewusstsein für unsere Möglichkeiten und Freiheiten ist entscheidend. Wenn wir uns auf das Positive konzentrieren und unsere Ziele klar definieren, können wir die Kraft des Neuanfangs nutzen. Es ist eine Zeit, in der wir uns selbst reflektieren und uns fragen können: Was möchte ich erreichen – im kommenden Jahr, aber auch auf längere Sicht hin? Welche Träume habe ich, die ich verwirklichen möchte? Die richtigen Fragen helfen uns, Absichten zu klären und mit einer positiven Geisteshaltung in die Zukunft zu blicken.

Ein Neuanfang lädt zur Dankbarkeit ein. Durch die Rückschau auf das vergangene Jahr würdigen wir jene Lektionen und Erfahrungen, die uns geprägt haben. Sind wir dankbar, öffnen sich Herz und Geist, und wir gewinnen an Optimismus und Zuversicht – auch angesichts herausfordernder Umstände und Zeiten.

Letztlich ist Neujahr eine wunderbare Gelegenheit, unseren Sinn für eine aktive Lebensgestaltung zu schärfen. Wir übernehmen Verantwortung für unser Glück und nutzen die Kräfte, die sich immer dann entfalten, wenn wir uns persönlich engagieren und unsere eigene Energie investieren.

Der Neubeginn zum Jahreswechsel ist eine Kollektiverfahrung, die spürbar wird, sobald der 1. Januar naht. Gemeinsam resümieren wir das vergangene Jahr und bereiten uns auf die Erneuerung vor. Das schafft Sinn für ebenjene Verbundenheit, die wir zuweilen vielleicht verdrängen, indem wir uns auf das fokussieren, was uns unterscheidet und trennt, die uns aber grundlegend vereint.

Im Konzept des Neujahr kommt der allgegenwärtige Wandel zum Ausdruck, der Natur- und Weltgeschehen ebenso bestimmt, wie jedes einzelne menschliche Leben. Oft möchten wir nicht für wahrhaben, das so Vieles vergänglich und der Veränderung unterworfen ist. Denn gerade wenn wir uns nicht gezielt dafür entschieden haben, dass sich beispielsweise Lebensumstände wandeln mögen, macht das Andere, das Neue manchmal Angst. Und so halten wir sogar dann an alten Gewohnheiten und Mustern fest, wenn diese uns schaden. Sind wir in diesen verstrickt und gefangen, sehen wir uns aber nicht in der Lage, unser volles Potenzial auszuschöpfen.

Der Satz „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen“, wird ebenfalls Heraklit zugeschrieben. Es ist ein Zitat, das vermittelt, wie naturgemäß Beständigkeit, Wandel, Wechsel und Erneuerung sind.

Wenn wir uns für ein natürliches Leben entscheiden und uns dazu bekennen, dass auch wir ganz wesenhaft Natur sind, verstehen wir, dass es keine andere Option als die Veränderung für uns geben kann. Letztlich kann uns eine solche Erkenntnis beflügeln, uns mutiger und entschlossener werden lassen.

Autor
Kilian Schneider, Jahrgang 1975, ist Philosoph und Psychotherapeut. Er berät seine Klientinnen und Klienten in eigener Praxis in Berlin vor allem zu Lebenssinn, Berufung und Veränderung und bietet hierzu auch Kurse an.