Liebe Leserin, lieber Leser,
die moderne Orthopädie vermag auf dem chirurgischen Sektor ausgezeichnete Erfolge zustande zu bringen. Wo früher Knochenbrüche durch Gipsen oft mehr schlecht als recht zusammenheilten, werden heute durch sogenannte „Osteosyntheseverfahren“, also den Einsatz von Platten, Schrauben und Drähten, hervorragende Heilergebnisse erzielt. Statt Knochenbrüche wochenlang ruhigzustellen, sind diese sofort „übungsstabil“. Das heißt, der Patient kann unmittelbar nach der Operation beginnen, die betroffene Extremität zu trainieren. Dies beugt Muskel- und Knochenabbau vor, fördert die Knochenheilung und verhindert obendrein Thrombosebildungen.
Im nicht-operativen Bereich der Orthopädie sehen die therapeutischen Erfolge allerdings weniger günstig aus. Mehr noch: Hier scheint die Orthopädie nicht gerade eine Ausgeburt an Vielfalt und besonderer Kreativität zu sein: Elektrotherapie und Krankengymnastik hier, Fango und Massagen dort, Bewegungsbäder hier, Ruhigstellung mit Gipsschienen dort.
Zum großzügigen Einsatz von Schmerzmitteln und Antirheumatika gesellt sich der häufige Spruch: „Sie müssen damit leben.“ In vielen Fällen werden Patienten mit orthopädisch bedingten Schmerzen erstaunlich rasch sogenannten Schmerzambulanzen zugeführt, die dann mit starken Schmerzmitteln und Antidepressiva behandeln. Gerade bei Rückenschmerz fällt auf, daß die Flinte relativ schnell ins Korn geworfen wird. Mögliche Ursachen dieses Schmerzes werden, außer im Bereich der Wirbelsäule selbst, lediglich noch im psychosomatischen Bereich vermutet.
Interessante zusätzliche Ansätze könnten jedoch aus der Reflexzonenlehre gewonnen werden, die uns aufzeigt, inwieweit Störungen innerer Organe Rückenschmerzen auslösen. So weiß man beispielsweise, daß ein Schmerz im Bereich der rechten Schulter keineswegs von einer dort sitzenden Kalkablagerung herrühren muß, sondern auch auf eine Gallenstörung hinweisen kann. Chronische Lendenwirbelschmerzen müssen nicht ursächlich auf eine Bandscheibenläsion hindeuten, selbst wenn eine solche vorliegt. Sie können auch auf eine Unstimmigkeit im Unterleibsbereich oder auf eine chronische Darmstörung hindeuten. Schmerzzustände im Bereich der mittleren und unteren Brustwirbelsäule signalisieren mitunter ein Magenproblem, zum Beispiel ein nicht erkanntes Magengeschwür oder eine sogenannte Gleithernie, die der Volksmund als „Zwerchfellbruch“ bezeichnet.
Geht man diesen Dingen nach, entwickeln sich häufig ganz neue Therapiekonzepte. Angeblich chronische Schmerzpatienten erfahren auf relativ einfache Weise Linderung. Die Akupunktur ebenso wie die Neuraltherapie nach Huneke können oft zusätzlich wertvolle Hilfe leisten.
Inzwischen wird die Akupunktur auch von zahlreichen Orthopäden praktiziert, die sie noch vor wenigen Jahren als Teufelszeug und Scharlatanerie vehement ablehnten. Ein Grund hierfür mag sein, daß die Akupunktur in der Kassenarztpraxis nicht über Chipkarte abgerechnet, sondern grundsätzlich als Einzelleistung honoriert wird.
Mitunter können somit auch finan-zielle Sachzwänge den Denkhorizont in der Medizin erweitern. Um wieviel mehr würde das auch auf Patientenseite gelten, wenn der Versicherte selbst die Höhe des Krankenversicherungsbeitrages beeinflussen könnte!