Liebe Leserin, lieber Leser,
die Erhebung von Blutlaborwerten gehört seit Jahrzehnten zur Standarddiagnostik in der Medizin. Der Arzt kann mit Hilfe der Untersuchung oft rasch wertvolle Hinweise über den Gesundheitszustand seines Patienten gewinnen – etwa über Entzündungen, Organerkrankungen oder gefährliche Sys-temerkrankungen wie Leukämien. Auch der medizinische Laie kennt mittlerweile eine Reihe von Laborbegriffen wie „Cholesterin“, „Glukose“ oder auch „Leukozyten“ (weiße Blutkörperchen). Und die Arbeit der Großlabore hat die Exaktheit der Ergebnisse in den letzten Jahren sicherlich gesteigert.
Trotzdem lässt insbesondere die Darstellung der Ergebnisse bei einer Reihe von Laboren zu wünschen übrig. Oft werden die Messwerte in einem unüberschaubaren Durcheinander präsentiert: manchmal in einem wirren fortlaufenden Fließtext – schlecht zu entziffern, zuweilen in alphabetischer Reihenfolge. Dann finden wir das Gesamtcholesterin bei C, das „gute“ Cholesterin HDL unter H und das „schlechte“ LDL ist unter L platziert. Hier steht nicht zusammen, was zusammengehört. Sinnvoll und leicht zu dechiffrieren wären thematische Zuordnungen, wie früher üblich. Zuerst rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutfarbstoff (Hämoglobin), dann die organbezogenen Werte.
Bei den Messeinheiten herrscht ebenfalls Uneinheitlichkeit: mg/dl, g/l, mmol/l, U/l, IE – selbst der Fachmann muss da durcheinanderkommen. In den neuen Bundesländern wird Cholesterin beispielsweise stets in mmol/l (normal bis 5,2) angegeben, in den alten in mg/dl (normal bis 200). Wenn schon diverse Einheiten umherschwirren, sollten Labore wenigstens eine Umrechnung beifügen bzw. das Ergebnis für die jeweils andere gängige Einheit in Klammern aufführen. Besonders nervenraubend sind in meinen Augen die nicht nachvollziehbaren Normwertänderungen der letzten Jahre. Lag die Norm der weißen Blutkörperchen stets bei 3 – 9 Tsd./µl, las ich vor einiger Zeit auf einem Laborbefund die krummen Richtwerte 3,76 bis 9,47 Tsd. Was soll das? Menschen, bei denen die Anzahl der Leukozyten bei – sagen wir – 3,4 liegt sind deshalb nicht krank. Trotzdem zeigt der Laborzettel ein meines Erachtens unsinniges Minuszeichen, das nicht zuletzt den Patienten grundlos stark verunsichert. Seit die untere Norm des Nierenfiltrationswertes Kreatinin von etlichen Labors heraufgesetzt wurde, weisen etliche Untersuchungen hier plötzlich ein Minuszeichen auf. Was bedeutet ein leicht erniedrigtes Kreatinin bei ansonsten völlig normalen Nierenwerten? Ich behaupte: Nichts! Umgekehrt verhält es sich mit dem Bauchspeicheldrüsenenzym Lipase. Durch viel zu knapp bemessene Obergrenzen, finden sich auch bei Routinekontrollen ständig leicht erhöhte Werte und Pluszeichen, ganz so als ob eine Entzündung des Organs vorläge. Zum durch Labore ermittelten Kaliumwert möchte man mitunter schweigen. Die Resultate sind fehleranfällig und kommen mir so manches Mal „wie gewürfelt“ vor.
Meine Wünsche: eine optimierte Optik der Ergebnisdarstellung im Sinne einer besseren Übersichtlichkeit. Verständliche Einheitlichkeit, wo Messeinheitenwirrwarr herrscht. Und vor allem etwas mehr Großzügigkeit bei dem, was noch zur Norm zählt. „Gaußsche Glockenkurve“ hin oder her. In der Realität streut das Normale doch mal etwas breiter, ohne dass gleich eine Tragödie dahintersteckt. Und so rate ich Therapeuten wie Laien: Hinterfragen Sie Ergebnisse, vor allem auf deren Plausibilität …
In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
Ihr Dr. med. Rainer Matejka