Dr. med. KarlHeinz Friese
Zehn effektive Hilfen gegen Heuschnupfen
Heuschnupfen und allergische Reaktionen allgemein nehmen immer mehr zu. Was tun, wenn die Augen sich röten, die Nase zugeht, der Niesreiz immer stärker wird, Husten auftritt und die Atemnot kommt? Es gibt keine Therapie, die jedem Betroffenen garantiert hilft. Die hier vorgestellten Verfahren führen aber häufig zur Linderung der Beschwerden und nicht selten auch zur Heilung.
Heuschnupfen (Pollinosis) ist eine allergische Reaktion auf die männlichen Samenzellen verschiedener Pflanzen. So reagieren die Frühblüherallergiker auf Hasel (Februar), Erle (März) und Birke (April). Sehr viele Menschen leiden unter allergischen Reaktionen gegen Gräser und Getreide (Mai/Juni), seltener gegen Spätblüher wie Brennessel (Juli) und Beifuß (August). Die Betroffenen bekommen rote Augen, müssen häufig niesen, bekommen nachts schlecht Luft durch die Nase, dann tritt Husten auf und gelegentlich auch Atemnot (vor allem bei Birken). Die Patienten fühlen sich ständig müde, schlapp und krank. Die Beschwerden treten nicht jedes Jahr gleich auf, dies hängt vielmehr von der allgemeinen Witterung ab. Je regnerischer es ist, desto geringer sind die Beschwerden. Naturheilkundliche Ansätze tragen dazu bei, die manchmal qualvolle Zeit besser zu überstehen.
1. Heilpflanzen: Von Echinacea bis Löwenzahn und Ginseng
Echinacea-Präparate, z.B. Echinacin®, in hohen Dosen über die Zeit des Pollenfluges können die allergische Symptomatik deutlich lindern, auch in Kombination mit Calciumlactat (z.B. Ermsech®). Allerdings kann Echinacea bei längerem Gebrauch auch immunhemmende Effekte haben.
Da bei der Pollinosis häufig ein gestörtes Milieu der Schleimhäute von Nasenrachenraum und Verdauungssystem zu finden ist, empfiehlt sich als Schleimhautsanierende Maßnahme die Einnahme von Knoblauch. Dieses hat neben den bekannten antiarteriosklerotischen Wirkungen auch Wirkstoffe gegen Bakterien und Pilze mit normalisierenden Effekten auf ein durch Pilzbefall des Darms gestörtes Schleimhautmilieu. Am wirkungsvollsten ist der Verzehr von frischem Knoblauch, zwei bis vier Zehen jeden Tag.
Günstig wirkt auch Löwenzahntee. Er enthält Bitterstoffdrogen (Amara), die sowohl reflektorisch über die Geschmacksknospen der Zunge als auch direkt auf die Sekretion von Speichel, Magensaft, Pankreas, Leber und Galle einwirken. Dies hat eine verstärkte Sekretion von Enzymen und Verdauungssäften, eine Anregung der gesamten Verdauungsmotorik und einen stärkeren Effekt auf die Schleimhaut zur Folge. Man holt sich 100 Gramm Löwenzahntee (Wurzel und Kraut gemischt) und nimmt davon 1-2 Teel. auf 1/4 l Wasser, kurz aufkochen, 10 Minuten ziehen lassen; morgens und abends je 1-2 Tassen über 6 Wochen. Daneben kommen noch weitere Pflanzen, je nach Beschwerdebild und Konstitution des Patienten, in Frage, unter anderem die folgenden:
– Ginseng Stärkungsmittel
– Brennessel blutreinigend
– Zinnkraut gewebestärkend
– Salbei antientzündlich
– Eibisch reizlindernd Mittel wie Echinacea können in Einzelfällen auch zur Verschlimmerung von Allergien führen. Dies gilt ebenso für das folgende Verfahren, das andererseits vielen gute Hilfe leistet.
2. "Desensibilisierung" mit Pollen und Propolis
Als eine Art "Desensibilisierungsmaßnahme" kann man im Frühjahr Blütenpollen der Region anwenden. Die Schleimhäute und der Organismus insgesamt werden durch die Auslöser der Allergie "trainiert", allerdings gelangen diese – im Unterschied zur schulmedizinischen Desensibilisierung (siehe Kasten, S. 12) – auf natürliche Weise in den Organismus.
Man besorge sich Pollen und Propolis vom örtlichen Imker und bereite eine Tropfflasche aus:
1 Messerspitze Pollen, 2 ml Schnaps, 98 ml Wasser. Morgens und abends jeweils 5 Tropfen. Jeweils vier bis acht Wochen vor der erwarteten Symptomatik sollte man mit der Kur beginnen. Im Anschluß daran nehme man für einige Wochen eine Zubereitung aus: 2 g Propolis, mit 100 ml Schnaps auffüllen. Täglich zur Mittagszeit 5 Tropfen einnehmen. Möglich ist auch die Gabe von Pollinose®S Kapseln Ronneburg, dabei handelt es sich um fermentativ aufgeschlossene Blütenpollen. Vor der Blütezeit morgens vier Kapseln unzerkaut einnehmen.
3. Homöopathie: Tuberkulinum wird häufig vorgeschaltet
Bei einer klassischhomöopathischen Behandlung von Heuschnupfenpatienten kommen häufig Lycopodium, Sulfur, Natrium muriaticum oder auch Causticum zum Einsatz. Einmalig wird bei vielen Patienten Tuberkulinum D200 (5 Globuli) vorausgeschickt. Günstig sind vor der erwarteten Symptomatik (etwa vier Wochen zuvor) Injektionen mit Acidum formicicum D200 im Abstand von zwei Wochen. Symptomatische Mittel, die einige typische Beschwerden bei Heuschnupfen abdecken, sind folgende:
Symptomatik Medikament
Augensymptomatik Euphrasia D2 Starker Niesreiz Allium cepa D6 Juckreiz im Hals Wyethia D6 Heuhusten Kalium phos. D6 Heuasthma Jodum D12 alles gleichzeitig Galphimia gl. D4
In der Regel werden mehrmals täglich – bis zu stündlich – 1 Tablette oder 5 Tropfen gegeben.
4. Akupunktur: Gallenblase 20 und Dickdarm 4, 10, 11, 20
Die Akupunktur bietet die Möglichkeit, bei akuten Beschwerden schnell die Symptomatik zu reduzieren. So kann man durch "Nadeln" schnell dafür sorgen, daß der Betroffene wieder wesentlich besser Luft bekommt. Durch eine langfristige Behandlung kann man die Beschwerden in den Griff bekommen. Die einzelnen Punkte, die in Frage kommen, hängen von der individuellen Diagnose ab, die der erfahrene Akupunkteur anhand der Symptomatik, aber auch mittels Zungen und Pulsdiagnostik erstellt. So kann eine Diagnose oder ein Syndrom beispielsweise lauten "Wind-Kälte-Invasion in die Lunge" oder "Energie-Stagnation" oder "Lungen- und Milz-Energiemangel". Dementsprechend variieren die Akupunkturpunkte. Häufig werden allerdings bei Heuschnupfen der Punkt 20 auf dem Gallenblasenmeridian (Gb 20), verschiedene Punkte auf dem Dickdarmmeridian (Di 4, 10, 11, 20), auf dem Lungenmeridian (Lu 7) und auf dem Milz-Pankreas-Meridian (MP 9, 10) genadelt. Wirksam ist auch die Ohrakupunktur, wie sie detailliert in der Naturarzt-Ausgabe 2/2002 beschrieben wurde (Hartmut Dorste witz: Ohrakupunktur bei Heuschnupfen).
5. Anthroposophie: Gute Abgrenzung mit der Zitrone
Die Anthroposophie behandelt den Heuschnupfen als "Abgrenzungsproblematik": Die Grenzfunktion der Schleimhaut ist gestört. Daher dringen vermehrt Allergene ein – und der Organismus reagiert mit Entzündung und dem Versuch, den Reizauslöser auszuscheiden.
Basismittel der anthroposophischen Behandlung ist Gencydo®. Sein Hauptwirkstoff stammt aus der Zitrone, einer Frucht, die durch eine ledrige Schale eine besonders gute Abgrenzung zwischen dem wässrigen Innen und dem luftigen Außen zustandebringt. Außerdem enthalten sind Stoffe aus dem Quittensamen, dessen Schleim traditionell als Hustenmittel angewandt wurde.
Einige Monate vor Beginn der Allergiezeit wird Gencydo in zweiwöchigem Abstand unter die Haut gespritzt, bevorzugt zwischen den Schulterblättern oder auch in den Oberarm. Bei beginnenden Beschwerden kann das Präparat auch täglich gespritzt werden. Je nach Patient und Stadium kommen dabei Gencydo 0,1%, 1% oder 3% zum Einsatz.
Für die Lokalbehandlung bei Augenreizung eignen sich Gencydo 0,1% Augentropfen oder Euphrasia D3 Tabletten. Zusätzlich kommen möglicherweise Plumbum metallicum praeparatum D8 Ampullen (8 x je 1 Ampulle) in Frage, wenn der Patient grundsätzlich zu überschießender Stoffwechselreaktion neigt. Bei asthmaartiger Bronchitis, die im Gefolge eines Heuschnupfens auftreten kann, zusätzlich Quercus, äthanolisches Decoctum D1 Dil. (morgens 10 Tropfen) oder Veronica officinalis, äthanolisches Decoctum D1 (abends 10 Tropfen).
6. Klimatherapie: Auf den Nordseeinseln beschwerdefrei
Völlig beschwerdefrei wird man während einer Heuschnupfensaison, wenn man irgendwo hinfährt, wo es nur wenige oder keine Pollen gibt. Die Pollenbelastung ist sehr hoch an Seen, in Flußtälern und südlich der Alpen; sie ist jedoch während "unserer" Blütezeit gering in anderen Klimagebieten, z.B. außerhalb Europas, auf den Kanarischen Inseln oder in Amerika. Gering ist sie auch an der Küste in Europa, z.B. an der Nordseeküste, Atlantikküste oder auch an der Mittelmeerküste, noch geringer auf den Nordseeinseln. Dies liegt vor allem am Seewind: das Klima auf den Inseln ist von feuchter, salzwasserhaltiger Meeresluft bestimmt, die sehr allergenarm ist.
Heuschnupfen läßt sich so zwar nicht heilen, doch wenn man eine zeitlang den Pollen ausweicht, wird man wieder unempfindlicher und verträgt die Pollen bei der Heimkehr besser. Der Effekt einer solchen Kur ist oft noch ein Jahr später spürbar. Alternativ ist die Klimatherapie im Hochgebirge, wobei nicht nur die Höhenlage, sondern ebenfalls der Wind bzw. die Talöffnungen der Berge entscheidend sind: Werden Pollen durch die Tag-Nacht-Zirkulation von unten heraufgetrieben, nützt die höchste Höhe wenig.
7. Eigenbluttherapie: Impulse für Immunsystem
Hierbei wird das eigene Blut homöopathisch verdünnt und potenziert und in verschieden hohen Potenzstufen wieder eingenommen, um das Immunsystem zur besseren Eigenregulation anzuregen. Man sollte das Blut am besten dann entnehmen, wenn die Pollenbelastung sehr hoch und die Beschwerden sehr stark sind:
– C5 am 1. und 2. Tag 1 x tgl. 3 Tropfen
– C7 am 3.9. Tag 1 x tgl. 3 Tr., dann
– C9 über 3 Wochen 1 x 5 Tr.
Die Eigenblutimmunisierung nach Imhäuser ist ebenfalls in Heft 2/2002 detailliert beschrieben ("Tropfen für Tropfen mit eigenem Blut", S. 14).
8. Ordnungstherapie: Nikotin und Alkohol meiden!
Die Belastung eines Allergikers durch Zigarettenrauch ist enorm. Die häufige Ausrede, daß in Anwesenheit des Allergikers nicht geraucht werde, sondern nur auf dem Balkon, ist nicht stichhaltig. Der Zigarettenrauch hängt in den Haaren und Kleidern und reicht aus, die allergische Neigung zu verstärken.
Zur Ordnungstherapie zählt auch die Untersuchung der täglichen Umgebung (Schule, Kindergarten, Arbeitsplatz, zu Hause) auf Reiz und Streßquellen. Ausschaltung soweit möglich. Weiterhin Gewichtsreduktion, reichliche Flüssigkeitszufuhr, geeignete Auswahl von Urlaubsort und Hobbys, Vermeidung von Überanstrengungen, Kälte und Nässe. Bei Allergien sollte unbedingt auch auf Alkohol verzichtet werden.
9. Umweltmedizin: Amalgam und Insektengifte sind riskant
Allgemein sollten Gifte vermieden werden. Sehr negativ für Allergiker ist eine starke Quecksilberbelastung durch Amalgamfüllungen. Das Amalgam muß entfernt und anschließend ausgeleitet werden.
Holzschutzmittel wie Lindan und PCP spielen zwar heutzutage keine große Rolle mehr – eine Belastung mit derart starken Giften kann die Heuschnupfensymptomatik verstärken. Das gleiche gilt aber auch für Pyrethroide (Chrysanthemengift), die heute noch oft eingesetzt werden. Sie finden sich häufig in Kleidung und auch in Teppichen; nach wie vor werden sie auch von Kammerjägern angewandt. Mit Insektenvernichtungsmitteln sollte man sehr vorsichtig umgehen.
10. Kneippsche Maßnahmen: Wassertreten leitet Energie ab
Alle Verfahren aus der Naturheilkunde und der physikalischen Medizin, die mit warmem oder kaltem Wasser arbeiten bzw. andere Wärme oder Kälteträger verwenden (Moor, Lehm oder Quark), können einen wirkungsvollen Beitrag zur Vorbeugung gegen Heuschnupfen leisten. Die meisten der heute gebräuchlichen Verfahren werden heute kurz "Kneipp-Anwendungen" genannt. Wichtigstes Zielorgan ist die Haut, das Kontaktorgan zur Umwelt, das mit einer Unzahl von Rezeptoren, insbesondere Kalt und Warmrezeptoren ausgestattet ist.
Im Zusammenhang mit der Behandlung des Heuschnupfens interessieren vor allem folgende Wirkungen:
– die allgemeine Abhärtung und Gewöhnung an Reize,
– eine gemeinsame Reaktion zwischen äußerer Haut und inneren Häuten, den Schleimhäuten; schließlich auch
– energetische Vorgänge, Blut und Energie werden in andere Körperregionen umverteilt.
Wird der Organismus auf einer Ebene seiner Reaktionsmöglichkeiten dahingehend trainiert, daß er sich ausgeglichener und weniger überschießend verhält, so wird sich diese Beruhigung auch auf anderen Ebenen wieder finden lassen. Der Körper lernt, ausgeglichener mit den angebotenen Reizen fertig zu werden.
Als solche prophylaktische Maßnahme eignet sich z.B. die Sauna, aber auch die regelmäßige klassische
– Kneippsche Waschung: Dabei wird der ganze Körper innerhalb einer halben bis einer Minute mit einem Waschlappen, der immer wieder in kaltes Wasser getaucht und ausgewrungen wird, abgewaschen. Idealerweise geschieht dies morgens, anderthalb Stunden vor dem Aufstehen. Anschließend geht man, ohne sich abzutrocknen, noch mal ins warme Bett. Diese Maßnahme wirkt erwärmend, entspannend, ableitend und – möglichst täglich angewandt – trainierend.
Als hilfreich bei akutem Heuschnupfen hat sich die Inhalation mit Kochsalz (2 Eßlöffel Salz auf 1 l kochendes Wasser unterm Handtuch) erwiesen. Sehr gut "ableitend" – auch wenn der Heuschnupfen bereits eingetreten ist – wirkt das
Wassertreten: Man steigt in eine Wanne möglichst kalten Wassers und tritt einige Minuten im "Storchenschritt" herum. Wichtig ist, daß die Füße vor Beginn warm sind. Nur solange treten, wie es nicht zu Kälte am Körper (Zittern) oder gar Schmerzen kommt. Auch hier wird nicht abgetrocknet. Man geht vielmehr nach dem Wassertreten umher und sorgt durch Bewegung für Wärme.
Weiterführende Literatur:
– K.H. Friese: Handbuch der Heuschnupfentherapie, Sonntag, Stuttgart 2000
Was macht die Schulmedizin?
A) Antihistaminika
Antihistaminika sind Medikamente, die dazu führen, daß letztlich kein Histamin ausgeschüttet wird. Dieser Botenstoff führt nämlich zu den geröteten Augen, den krampfenden Bronchien usw. Während früher die Antihistaminika müde machten, soll diese Nebenwirkung bei den heutigen Mitteln nicht eintreten. Dies wird allerdings gelegentlich bezweifelt.
Moderne Antihistaminika wie Fexofenadin (z.B. Telfast®), Cetirizin (z.B. Zyrtec®), Loratidin (z.B. Lorano®) oder Desloratadin (Aerius®) werden im Regelfall über den Mund eingenommen, zum Teil gibt es sie auch in Form von Augen und Nasentropfen.
B) Hyposensibilisierung
Hierbei werden die Allergene, beginnend in sehr kleinen Dosen und dann in aufsteigender Dosis gespritzt. Durch die ständige Auseinandersetzung mit dem Allergen soll der Patient allmählich unempfindlich gemacht werden gegen den betreffenden Stoff. Eine Hyposensibilisierung kommt vor allem dann infrage, wenn eine Allergie gegen eine bestimmte Allergengruppe besteht, z.B. Frühblüher. Sie macht relativ wenig Sinn, wenn Allergien gegen Frühblüher, Mittelblüher und Hausstaubmilben gleichzeitig bestehen.
Diese Methode hat zum Teil Erfolge, zum Teil ist sie nicht ganz unproblematisch. Bei den Injektionen können allergische Schocks auftreten, darum müssen die Patienten auch immer eine halbe Stunde nach der Injektion in der Praxis bleiben. Gelegentlich "verschiebt" sich die Allergieneigung auf andere Allergene: Ein hyposensibiliserter Gräserallergiker bekommt nach der Behandlung eine Frühblüherallergie oder umgekehrt.
Die einfachen Maßnahmen – wie Wassertreten – führen manchmal zu erstaunlichen Erfolgen.
Dr. med. KarlHeinz Friese,
Jahrgang 1955, studierte Medizin und absolvierte seine klinische Ausbildung in einer Hals-Nasen-OhrenKlinik. HNO-Facharzt mit den Zusatzbezeichnungen Allergologie, Stimm- und Sprachstörungen und Homöopathie. Seit 1986 als Kassenarzt in Baden-Württemberg niedergelassen. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Naturheilbundes (DNB).